Die glorreichen 6 – Beeindruckende Kammerspiele (Teil II)
Begrenzter Raum, unbegrenzter Filmgenuss: Wir präsentieren sechs filmische Kammerspiele – mal humorvoll, mal hochspannend. Im zweiten Teil geht es um die One-Man-Show «No Turning Back».
Die Handlung
Filmfacts: «No Turning Back»
Buch und Regie: Steven Knight
Produktion: Guy Heeley, Paul Webster
Darsteller: Tom Hardy, Olivia Colman, Tom Holland, Andrew Scott, Ben Daniels, Bill Milner
Musik: Dickon Hinchliffe
Kamera: Haris Zambarloukos
Schnitt: Justine Wright
Veröffentlichungsjahr: 2013
Laufzeit: 85 Minuten
FSK: ab 0 Jahren
Ivan Locke (Tom Hardy), ein hingebungsvoller Ehemann, Vater und hart arbeitender Leiter einer Großbaustelle, steht kurz vor der größten Herausforderung seiner Karriere. Doch dann droht eine einzige, spontan getroffene Entscheidung alles zu zerstören: Ein kleiner, für den sonst pflichtbewussten Ivan völlig untypischer Fehltritt hat ungeahnte Folgen für seinen Job, seine Familie und sein gesamtes Selbstverständnis. Ivan setzt sich ins Auto, beginnt eine Wettfahrt gegen die Zeit und Tempolimits und versucht in einer Serie von Telefongesprächen, das Fundament seines Lebens vor dem Kollaps zu retten.
Der Schauplatz
Steven Knights «No Turning Back» ist eine One-Man-Show, die sich lediglich an einem einzigen Schauplatz abspielt: den vier Wänden eines Fahrzeugs. In jenem ist Tom Hardy auf einem nächtlichen Highway unterwegs. Direkten Kontakt zu Menschen hat er keinen, doch verbunden zur Außenwelt ist er immerhin über die Freisprecheinrichtung seines Handys.
Hierüber kommuniziert er mit verschiedenen Personen, die auch ohne ein körperliches Auftauchen eine Präsenz im Inneren des Wagens entwickeln. Die Kamera betont dabei immer wieder die Enge des Autos und unterstreicht die entsprechend flirrende Atmosphäre einzig und allein durch die Straßenlaternen außerhalb, die das Innere des Wagens erleuchten.
Die 6 glorreichen Aspekte von «No Turning Back»
Das intensiv inszenierte Kammerspiel-Projekt mit Tom Hardy alias Ivan Locke erzählt in jeder Hinsicht von etwas Verschlossenem, einer Blockade (in Englisch. „to lock“). Das verriegelte Auto, in welchem Ivan über den Highway düst sowie die vor sich selbst und seiner Umgebung ausgesperrten Geheimnisse, die in einer einzigen Nacht nach und nach zutage gefördert werden, sind der Dreh- und Angelpunkt dieser minimalistischen Mischung aus Drama und Thriller. Der verheißungsvolle Nachname des Protagonisten ist da bloß die konsequente Zuspitzung der um ihn herum befindlichen Zustände. Zudem ist Ivan selbst, salopp formuliert, die Quelle allen Übels. Wohin ihn die Odyssee führen soll, weiß wohl nicht einmal er so ganz genau; bloß, dass es kein Zurück gibt. Vermutlich war dies auch der Anlass für die deutschen Verantwortlichen, dem Thriller-Drama den wenig verheißungsvollen Namen «No Turning Back» zu geben. Immerhin kommt auch Tom Hardys Figur selbst nicht drum herum, diese Feststellung inmitten des Streifens einmal laut kundzutun.
Nach «Redemption – Stunde der Vergeltung» ist «No Turning Back» der erste Versuch seitens Steven Knight, sich so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal anzueignen. Entgegen des durchschnittlich düsteren Jason-Statham-Actioners «Redemption» lässt sich sein aktuelles Werk nur schwer einem Tonfall, geschweige denn einem Genre zuordnen. Das Ein-Mann-Stück ist trotz seiner übersichtlichen Laufzeit von nicht einmal 90 Minuten ein quälend-intensiver Road Trip, dessen Thematik packende Drama-Qualitäten besitzt, ob der durchgehend bedrohlichen Atmosphäre jedoch ohne weiteres auch einem «Drive»-ähnlichen Thriller angehören könnte. Diese stete Vermischung unterschiedlicher Genre-Attribute verdichtet sich in «No Turning Back» zu etwas, was sich der Einfachheit halber wohl am besten als „die Dramen des Alltags“ bezeichnen ließe. Selten kam ein Film in Gänze ohne Effekthascherei aus, ohne dabei an Spannung einzubüßen. Das fasziniert ohne weiteres, spielt jedoch mit Konventionen und Sehgewohnheiten.
Ein Darsteller – eine Kulisse: «No Turning Back» als Charakterstück zu bezeichnen, ist schon angesichts der gegebenen Umstände tautologisch. Wäre der Hauptdarsteller, von dem der Film nun mal nur einen einzigen besitzt, kein solcher Charakterkopf wie Tom Hardy («The Dark Knight Rises») einer ist, würde der Streifen in seiner Gesamtheit nicht funktionieren. So muss «No Turning Back» also zwangsläufig ein Charakterstück sein, um überhaupt zu existieren. Doch obwohl Hardy, der den Film zwar alleine zu tragen vermag, insgesamt aber schon bessere Leistungen ablieferte, allein im Auto sitzt und vor der Kamera als ausschließliche Person auftaucht, interagiert er. Dies geschieht sowohl über seine Telefonanlage, als auch in Form von Gesprächen mit dem vermeintlich auf dem Rücksitz befindlichen, toten Vater. Die ausgeklügelten Dialoge und spitzfindigen Wortwechsel lassen es zu, dass der Charakter eines jeden Anrufers nach und nach deutlicher zum Vorschein tritt. Was Spike Jonze in «Her» perfektionierte, schafft auch der Drehbuchautor in «No Turning Back» (ebenfalls Steven Knight) ganz ordentlich. Um den Hauptdarsteller Tom Hardy skizziert Knight ein Konstrukt aus Personen, die entweder gegen oder für ihn agieren. Dabei geraten einige Dialoge extrem intensiv, obwohl man stets nur die Seite Tom Hardys zu sehen bekommt. Eine solch einprägsame Szenerie zu kreieren, ist im Anbetracht der gegebenen Umstände kein leichtes Unterfangen; Steve Knight zeigt, wie es funktioniert.
«Die zwölf Geschworenen» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Microsoft, JUKE, Rakuten TV, Videoload, Videociety und Sony verfügbar.