Der TV-Markt im Juli: RTL, ProSieben und Sat.1 versagen im Gleichschritt

Droht das große Privatfernsehen zu zerfallen? Die Quoten der drei größten werbefinanzierten Sender sind in diesen Tagen jedenfalls erschreckend, während RTL II ein deutliches Plus einfährt.

Sommerloch hin, irrelevanter Konfetti-Wettbewerb ohne jeden sportlichen Mehrwert her - wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft irgendwo im Finale steht, schaltet das Volk euphorisch ein. So geschehen am 2. Juli beim Confed-Cup-Finalspiel gegen Chile, das auf spektakuläre 14,69 Millionen Zuschauer und entsprechend fantastische 42,7 Prozent Marktanteil gelangte. Die Frauen schieden hingegen bei ihrer EM derart frühzeitig aus, dass 7,06 Millionen für das letzte Vorrunden-Spiel gegen Russland das Höchste der Gefühle waren. Das anschließende Viertelfinalspiel gegen Dänemark hatte sich dann mit nur 5,73 Millionen zu begnügen, kam damit aber am unglücklichen Sonntagmittag ab zwölf Uhr trotzdem auf tolle 39,0 Prozent Marktanteil. Dem «Tatort» war hingegen das Sommerloch deutlich anzumerken, bis auf «Krumme Hunde» (7,81 Millionen) kam kein einziger Krimi auf mehr als sechs Millionen.

Beim jungen Publikum zwischen 14 und 49 Jahren dominierte dann auch das Confed-Cup-Spiel mit 4,80 Millionen und 40,5 Prozent nach Belieben, davon abgesehen wurde kein einziges Mal die Zwei-Millionenmarke geknackt. Ein großer Überraschungserfolg war allerdings «Die Bachelorette», die im Rahmen ihres Staffelfinals sogar auf überragende 18,6 Prozent bei 1,62 Millionen zu verweisen hatte. ProSieben hatte diesmal nicht allzu viel zu bieten, ein weiterer Rerun von «Jack Reacher» verblüffte aber am Sonntagabend mit richtig tollen 16,1 Prozent bei 1,46 Millionen. Dank der Duette-Ausgabe von «Sing meinen Song» hatte VOX abermals auf einen Monat zu verweisen, in dem man in der Reichweiten-Rangliste vor Sat.1 lag: Tolle 1,27 Millionen und 14,4 Prozent standen am zweiten Dienstag des Monats zu Buche, die vorherige Ausgabe hatte nur leicht schwächere 1,13 Millionen und 13,3 Prozent verbucht. Und Sat.1? Das knackte nur mit «MacGyver» überhaupt die Millionenmarke in der werberelevanten Zielgruppe, wenngleich mit bestenfalls 1,03 Millionen und 12,4 Prozent auch nur knapp. Bemerkenswertes gelang aber auch RTL II, das mit der Sozialdoku «Armes Deutschland» auf bis zu 10,1 Prozent bei 0,91 Millionen kam.

Doch auch an Flops war der Juli nicht arm, insbesondere ProSieben und Sat.1 hatten hier viel zu bieten. Ersterer Sender blamierte sich sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der Einschaltquoten mit der «Gameshow-Konferenz» bis auf die Knochen, nach 5,2 Prozent Zielgruppen-Marktanteil für die Auftaktfolge sah man von weiteren Peinlichkeiten ab. Dominant waren allerdings die Serienflops, die sich über alle erdenklichen Genres im Drama- («This is Us», «Pure Genius») und Comedy-Bereich («The Mick», «Mom»). Besonders schwach laufen die längst an den Programmrand gedrängten Superhelden-Formate «The Flash», «Gotham» oder «Supergirl». In Sat.1 legte jüngst erst die Dokusoap «Jetzt oder nie» mit unterirdischen 4,2 Prozent eine böse Bruchlandung hin, am Sonntagvorabend wusste «Der Augenblick» zwar inhaltlich interessante Akzente zu setzen, nach vier Folgen stehen im Mittel aber ebenfalls nur verheerende rund fünf Prozent auf dem Papier.

RTL wiederum hielt sich mit Totalausfällen fernab des täglichen Nachmittagsprogramms, wo «Verdachtsfälle» inzwischen beinahe täglich und immer kläglicher nach Entlastung von seinem dreistündigen Dauerlauf schreit, ein wenig zurück. Die Hartwich-Show «Meet the Parents» funktioniert aber auch nach dem erfolgreichen, wenngleich kontrovers diskutierten und bei weitem keinen nationalen Hype auslösenden «The Wall» kaum, Jauchs «Quiz-Arena» am Montag hat insbesondere beim jungen Publikum erhebliche Probleme und der Sonntagabend funktioniert fast schon traditionell überhaupt nicht.


Alle Zuschauer (Juli 2017)


ALLE ZUSCHAUER (JULI)
10,7
10,7
13,0
13,2
8,5
9,0
3,4
3,2
5,1
5,1
6,4
6,6
4,1
4,5
3,5
3,6
Marktanteile in %  |  Juli 2017 gegenüber Juni 2017

An der Spitze gibt es nicht wirklich viel Bewegung zu verzeichnen. Das Zweite Deutsche Fernsehen fährt mit 13,0 Prozent seinen nächsten unangefochtenen Monatssieg ein und hat schon jetzt öfter die 13-Prozent-Hürde übertroffen als im Vorjahr: Zum fünften Mal gelang es 2017 bei erst sieben Anläufen, 2016 bedurfte es schon der Fußball-Europameisterschaft, um schlussendlich auf vier Monate zu kommen. Das Erste geht es deutlich gemächlicher an und lag mit 10,7 Prozent wie schon im Juni auf einem leicht enttäuschenden Niveau. Ja, wenn man es etwas reißerischer mag, kann man sogar darauf verweisen, dass der öffentlich-rechtliche Sender zum zweiten Mal nur knapp an einem Allzeit-Negativrekord vorbeigeschrammt ist - weniger als 10,7 Prozent standen nämlich noch nie am Ende einer monatlichen Gesamtabrechnung.

Doch die wahren Problemzonen des deutschen Fernsehmarktes sind ganz woanders auszumachen - und wenn man ihn in der jüngeren Vergangenheit zumindest ein wenig beobachtet hat, ahnt man vermutlich auch schon, wer hier zu nennen ist. Beginnen wir bei RTL, das mit 8,5 Prozent nach den ohnehin schon deutlichen Verlusten von 9,5 auf 9,0 Prozent nochmals erheblich absackte und damit zum sechsten Mal in Folge deutlich an der Zweistelligkeit scheiterte. Und obgleich im Gegensatz zu 2016 in diesem Jahr keine nennenswerten sportlichen Großturniere bei der Konkurrenz zu sehen sind, war man dem ewigen Negativrekord von 8,3 Prozent aus dem Juni und August 2016 sehr, sehr nah. Angst davor, von einem privaten Mitbewerber überholt zu werden, müssen die Kölner aber nicht haben, da auch Sat.1 in diesen Wochen wieder einmal überhaupt nicht zu punkten weiß und mit 6,4 Prozent sogar den ewigen Negativrekord aus dem Juni 2016 und 2017 noch untertraf. Im direkten Vergleich mit dem Vorjahresmonat sehen übrigens beide Sender ganz schön alt aus: RTL erzielte vor genau einem Jahr 9,0 Prozent im Monatsmittel, Sat.1 immerhin 7,1 Prozent. Und damals musste man sich unter anderem noch der Finalrunde der Fußball-EM stellen.

Doch auch damit ist das Lied vom Scheitern noch nicht zu Ende gesungen, denn ProSieben singt es mittlerweile mindestens ebenso inbrünstig mit wie die beiden genannten Programmstationen. Mit nur noch 4,1 Prozent bekam man die Quittung für eine ganze Reihe von unglücklichen Programmierungen, regelrecht chaotischen Zuständen im Bereich der US-Serien und Show-Flops mit Ansagen, etwa bei «Noch Fragen?!» am Donnerstag oder der «Gameshow-Konferenz» am Samstag - und verpasste sein bisheriges Allzeit-Tief vom Juni 2016 in Höhe von 4,4 Prozent deutlich. Wie man es besser macht, zeigt seit geraumer Zeit schon VOX, das nach zuletzt dreimal 5,1 Prozent in Folge diesmal noch ein weiteres Mal 5,1 Prozent gelangte und damit resistent scheint gegen die Abwärtsdynamiken um sich herum. Seit Februar vergangenen Jahres liegt man nun schon von einer Ausnahme abgesehen kontinuierlich oberhalb der Fünf-Prozentmarke.

Ganz hinten bleiben kabel eins und RTL II, wobei die beiden Sender immerhin auf eine recht solide Monatsbilanz verweisen können: Ersterer holte 3,5 Prozent, Letzterer 3,4 Prozent Marktanteil. Doch da kein einziger Sender in diesem Monat wirklich große Sprünge machen konnte und die drei großen Privaten weiter saftig an Relevanz einbüßten, gab es unterm Strich mal wieder ein neues Allzeit-Tief zu verkraften: Nur noch 54,7 Prozent sahen die acht größten Programmstationen des Landes, nachdem im Juni mit 55,9 Prozent und im Mai mit 56,6 Prozent bereits neue Allzeit-Tiefs hinzunehmen waren. Der seit Jahren anhaltende Fragmentierungstrend des Markes beschleunigt sich derzeit also noch einmal erheblich - und bringt die großen Privatsender in große Nöte.


14- bis 49-Jährige (Juli 2017)


14- BIS 49-JÄHRIGE (JULI)
5,8
6,5
6,1
6,6
11,3
12,0
5,7
5,1
7,3
7,2
8,0
8,2
8,9
9,5
5,0
5,1
Marktanteile in %  |  Juli 2017 gegenüber Juni 2017

Auch beim werberelevanten Publikum gibt es gar nicht so viel Erfreuliches zu berichten für die großen Privatsender: RTL sackte hier gegenüber den bereits sicherlich nicht tollen 12,0 Prozent im Juni nochmals erheblich ab und kam nun sogar nur noch auf 11,3 Prozent, womit man den 11,7 Prozent aus dem Vorjahresmonat klar unterlegen war - dem Allzeit-Tief von 10,6 Prozent aus dem Juni 2016 aber zumindest noch klar überlegen. Längst von der Zweistelligkeit verabschiedet hat sich ProSieben, allerdings jetzt im Juli noch einmal mit besonderem Nachdruck mit ganz schwachen 8,9 Prozent. Die 8,8 Prozent von vor 13 Monaten waren damit näher, als den Unterföhringer lieb sein dürfte. Und auch Sat.1 gelingen keine positiven Impulse, hier hatte man sich mit 8,0 Prozent zu begnügen und erreichte damit den zweischwächsten Wert seiner Geschichte. Auch hier verhinderte der Juni 2016 mit 7,7 Prozent, dass die Quotenkrise historische Ausmaße annimmt. Es sei aber noch einmal betont, dass man vor gut einem Jahr noch an 17 von 30 Tagen gegen oftmals gleich mehrere höchst erfolgreiche Fußball-EM-Spiele anzutreten hatte - und diesmal eben nicht.

In der zweiten Reihe stach dann wie gehabt VOX heraus, das sich mit 7,3 Prozent erneut auf dem schönen Niveau befand, das der Sender seit September mit 7,0 bis 7,9 Prozent ohnehin kontinuierlich hält. Als erster der bislang besprochenen Sender wusste man sich auch im Vorjahresvergleich zu steigern, im Juli 2016 wurden nämlich noch deutlich schwächere 6,5 Prozent generiert. Überraschend ordentlich performte auch RTL II, das sich nach den miesen 5,2 und 5,1 Prozent im zweiten Quartal zusammenriss und mit 5,7 Prozent sogar so etwas wie der Gewinner der Stunde war. Diese Rolle erbte man gewissermaßen von kabel eins, das sich im Vormonat überraschend von 4,7 auf 5,1 Prozent verbessern konnte, damit erstmals seit Januar wieder die Fünf-Prozentmarke knackte - und dieses Ergebnis im Juli mit 5,0 Prozent bestätigte.

Die beiden öffentlich-rechtlichen Kanäle hatten recht deutliche Verluste im Vergleich zum Juni hinzunehmen, was man jedoch im Bezug auf die Langzeittendenz unterschiedlich zu bewerten hat. Das ZDF nämlich lag in den vergangenen drei Jahren meist nur noch bei rund sechs Prozent, weshalb hier die 6,6 Prozent aus dem Vormonat überraschend stark waren - und der Rückfall auf 6,1 Prozent eher ein Rückfall in die Normalität darstellte. Das Erste jedoch hatte zwischen Februar und Mai bemerkenswert starke 6,7 bis 7,3 Prozent verzeichnet, seine Saisonbilanz damit noch auf 6,5 Prozent verbessert und dürfte deshalb mit seinen 5,8 Prozent überhaupt nicht glücklich sein. Schlechter lief es letztmals im Januar, den man komplett verschlafen hatte und wofür man mit dem Allzeit-Negativrekord von 5,6 Prozent abgewatscht wurde.

Bemerkenswert fiel auch die kumulierte Bilanz aller acht großen Sender aus, denn die war mit 58,1 Prozent nicht nur fast schon standesgemäß so schlecht wie noch nie in der Fernsehgeschichte, sondern es wurde auch erstmals überhaupt die Marke von 60 Prozent verfehlt. Im Juni hatten noch 60,2 Prozent auf dem Papier gestanden, im Juli 2016 sogar noch 63,6 Prozent.


Alle Zuschauer (Fernsehjahr)


ALLE ZUSCHAUER (GESAMTES JAHR)
11,2
11,3
12,7
12,7
9,6
9,7
3,3
3,3
5,3
5,3
7,0
7,1
4,8
4,9
3,6
3,6
Marktanteile in %  |  Sep 2016 – Jul. 2017 gegenüber Sep. 2016 – Mai 2017

Einige große Akteure des Fernsehmarktes lassen in diesen Tagen die Seele baumeln und Verluste einfach mal Verluste sein. Das ZDF allerdings hält die Stellung und bleibt weiterhin bei sehr guten 12,7 Prozent - die Tendenz zeigt überdies auch noch klar nach oben. Dass es auch anders geht, zeigen bis auf VOX alle restlichen Akteure der Top Sechs, während kabel eins und RTL II hinten standhaft bleiben. Den nachhaltigsten Sommerkater dürfte nach jetzigem Stand RTL mitnehmen, das im Juni und Juli nicht über durchschnittlich 8,8 Prozent hinaus kam - aber auch Sat.1 mit nur 6,5 Prozent und ProSieben mit 4,3 Prozent mischen hier ordentlich mit im Gruselkabinett.


14- bis 49-Jährige (Fernsehjahr)


14- BIS 49-JÄHRIGE (GESAMTES JAHR)
6,4
6,5
6,0
5,9
12,6
12,8
5,5
5,5
7,4
7,4
8,6
8,7
9,9
10,0
4,9
4,9
Marktanteile in %  |  Sep 2016 – Jul. 2017 gegenüber Sep. 2016 – Mai 2017

Nein, das Sommerloch bekommt RTL nun wirklich nicht besonders gut. Als einziger Sender überhaupt inmitten dieser Statistik müssen die Kölner einen Verlust von 0,2 Prozentpunkten gegenüber der Kernsaison hinnehmen, was angesichts desolater 11,7 Prozent in den ersten zwei Dritteln der Sommerpause dann auch nicht weiter überrascht. ProSieben und Sat.1 kommen mit einem blauen Auge davon, bekleckern sich in diesen Zeiten aber auch nicht gerade mit Ruhm, während das Zweite auch hier ein leichtes Plus auf der Habenseite hat. Bei kabel eins reichen hübsche 5,1 Prozent im Juni und Juli noch nicht, um sich in der Gesamtbilanz zu verbessern.


In einer früheren Version waren die Grafiken falsch. Es wurde nicht der aktuelle Datensatz eingepflegt, sondern der durchschnittliche Marktanteil der Sender zwischen September 2016 und Mai 2017. Inzwischen wurden die Juli 2017-Daten eingefügt.
01.08.2017 09:08 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/94812