funk über das Format:
Politische Satire, deutsch-muslimisches Selbstverständnis und Vorurteile gegen Muslime in Deutschland. Einmal in der Woche räumen die fünf Datteltäter auf YouTube mit Stereotypen auf, machen sich über Engstirnigkeit lustig und haben einfach ihren Spaß dabei. Der Fokus der Datteltäter geht dabei in eine Richtung: Gesellschaftskritik.Worum geht es in Ihrem Format und wer ist daran beteiligt?
Die «Datteltäter» sind ein muslimisches Künstlerkollektiv mit eigenem Satire-Kanal auf YouTube, der sich mit Themen beschäftigt, die die Lebensrealität von Muslim*innen in Deutschland betreffen: Stereotype, Vorurteile, Rassismus, Diskriminierung, Sexismus, Radikalisierung, Kopftuchdebatten und aktuelle Diskurse. Damit wollen wir eine neue Perspektive auf festgefahrene Debatten eröffnen und dabei die Stimme junger Muslim*innen hörbarer machen. Unser Team besteht aus drei Frauen und drei Männern, wobei das Kernteam aus vier Personen besteht: Farah, Marcel, Fiete und Younes. Ein Konvertit, ein Christ, eine Frau und ein muslimischer Mann. Wir sind eine interessant zusammengesetzte Grupp und vom Typ alle grundverschieden – wir bewegen uns in unterschiedlichen Kreisen, haben unterschiedliche Migrationshintergründe (wie tunesisch, marokkanisch, palästinensisch, syrisch und deutsch), begeistern uns aber alle leidenschaftlich für eine Sache: unser Projekt «Datteltäter». Uns verbindet die Motivation, die Gesellschaft positiv zu prägen und einen bereichernden Beitrag hierfür zu leisten.
Wie kam die Idee zum Format zustande?
Die Idee entstand vor rund zwei Jahren, als sich in den Medien die Berichterstattung vor allem um eins drehte: die “Flüchtlingskrise”. Gleichzeitig zog Pegida durch ihren Populismus alle Aufmerksamkeit auf sich. Damit zeigte sich eine Tendenz, nämlich, dass rechtes Gedankengut vom Rande der Gesellschaft in die bürgerliche Mitte gerutscht und die Debatte über den Islam wieder neu entflammt ist.
Die Art und Weise, wie die Debatte letztlich geführt wurde, entsprach dem Muster, das wir seit geraumer Zeit beobachteten: Einseitigkeit, ganz viel Emotionalität und ganz wenig Sachlichkeit. Damit war die Debatte vorbelastet und konnte nur unsachlich weitergeführt werden. Uns fehlte eine Gelassenheit. Und diese Gelassenheit wollten wir durch Humor und etwas Witz herbeiführen. Gleichzeitig waren uns Aha-Effekte sehr wichtig und aus dem Grund kam zu dem Medium Humor auch das Spiel mit Stereotypen, das dieses gefestigte negative Bild über die Muslime dekonstruieren sollte.
Das hatte es so auf YouTube oder in anderen Sozialen Netzwerken bis dahin nicht gegeben: Junge Muslime, die eine eigene Position in der Islamdebatte beziehen und das auch noch humorvoll aufziehen.
Warum gehört das Format zu FUNK und zur Zielgruppe, die FUNK ansprechen will?
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, die alles andere als homogen und eindimensional aufgebaut ist und daher denke ich, dass wir als heterogene Gruppe, die gesellschaftsrelevante Themen aus einer bis dato noch nicht publik gewesenen Perspektive beleuchtet, zu funk gehören. Wir entsprechen quasi mit unserem Angebot dem Selbstverständnis von funk.
Interviewreihe 'What the funk?!'
Die Interviewreihe "What the funk?!" von Quotenmeter.de befasst sich alle zwei Wochen mit der öffentlich-rechtlichen Internetplattform funk. Welche Formate sind bei funk abrufbar? Wer steckt dahinter? Und wie arbeitet es sich eigentlich beim neuen Angebot? Die Teams der funk-Formate beantworten je einen Katalog aus standardisierten und individuellen Fragen.Welche Vorteile bietet Ihnen persönlich die Plattform FUNK und wie unterscheidet sich die Arbeit mit FUNK von Ihrer bisherigen Arbeit?
Der größte Vorteil ist zweifelsohne, dass wir all das realisieren können, was uns im Kopf herumschwirrt und wir uns nur begrenzt Gedanken um die Realisierung unserer Ideen machen müssen. Und das von Woche zu Woche. Dadurch, dass wir finanziell abgesichert sind, können wir uns auf das künstlerisch-kreative Arbeiten konzentrieren. Wir haben die Möglichkeit, auch aufwändigere Videos zu produzieren und das ist der Traum eines jeden jungen Künstlerkollektivs. funk bietet uns durch das Creator-Netzwerk die Möglichkeit, mit anderen Künstlern zusammenzukommen, uns auszutauschen und Kollaborationen starten.
Wo sehen Sie das Format inhaltlich in einem Jahr?
Wenn man das immer so genau sagen könnte… Wir würden gerne mit «Datteltäter» nicht nur im Web unterwegs sein, sondern quasi mit den Menschen in persona interagieren. Darum überlegen wir gerade, Datteltäter auf die Bühne zu bringen, um auch ein Publikum zu erreichen, das nicht nur im Web unterwegs ist. Das ist uns persönlich sehr wichtig! Es macht zwar Spaß Videos zu drehen, aber da triffst du die Menschen nicht persönlich und kannst dich auch nicht mit ihnen austauschen, außer in der Kommentarspalte.
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Man kann Schubladen nutzen, wenn man sie selber füllt. Und darum geht es ja auch in unseren Videos.
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Die «Datteltäter» über ihren Einsatz von Stereotypen
Mit «Datteltäter» wollen Sie Islamophobie und Rassismus gegenüber Minderheiten in Deutschland ein Ende setzen, außerdem Vorurteile sprengen. Trotzdem stellen Sie gängige Stereotype in Ihren Videos dar? Wie passt das zueinander?
Ja, das stimmt! Wir arbeiten mit Stereotypen. Und das ist ja auch nicht schlimm. Nur muss man sie auch brechen können und das versuchen wir. Manchmal offensichtlich, manchmal eher subtil. Man kann Schubladen nutzen, wenn man sie selber füllt. Und darum geht es ja auch in unseren Videos. Nicht andere machen die Witze über uns, sondern hier erzählen wir sie selbst.
Die Botschaft ist klar: Auch Muslime können lustig sein. Gleichzeitig soll «Datteltäter» aber seinen Zuschauern auch einen Einblick in eine für sie fremde Kultur ermöglichen. Wie gelingt dies, ohne an Witz zu verlieren?
Das ist schon schwierig. Es geht ja nicht darum, dass wir jetzt ausschließlich auf Lacher aus sind. Es gibt ein Format, mit dem wollen wir gezielt lustig sein und behutsam Inhalte vermitteln. Andere Formate von uns gehen beispielsweise sehr in die Tiefe und bewegen sich auf unterschiedlichen Metaebenen.
Es gibt auch Videos, die wir gemacht haben, bei denen man am Ende gar nicht lachen soll. Bei denen das Lachen quasi im Halse stecken bleiben soll. Die Message und das Ziel ist nie der Witz an sich, sondern die Menschen, die zum Nachdenken und Überdenken ihrer Haltungen und Meinung angeregt werden sollen.
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Die Message und das Ziel ist nie der Witz an sich, sondern die Menschen, die zum Nachdenken und Überdenken ihrer Haltungen und Meinung angeregt werden sollen.
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Die «Datteltäter»
Seit Bestehen Ihres Formats erhielten Sie von vielen Seiten Lob und wurden in diesem Jahr mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Gleichzeitig hat man den Eindruck, dass man gegen immer neue Meldungen von islamistischen Anschlägen, die in den Medien eine wesentlich größere Wucht entfalten, mit Satire kaum ankommen kann. Wie nehmen Sie die tatsächliche Wirkung Ihrer Videos wahr und warum gibt es in Deutschland Ihrer Meinung nach so gut wie gar keine Formate mit ähnlicher Zielsetzung?
Die tatsächliche Wirkung unserer Videos ist natürlich in erster Linie über die Kommentarspalte ablesbar. Wir sehen sie außerdem an den Zuschriften, die uns online zugeschickt werden. Da bedanken sich Menschen dafür, dass unsere Videos ihnen sehr viel Kraft geben und dass sie über unsere Videos einen Weg gefunden haben, mit rassistischen Äußerungen umzugehen. Das ist das Besondere an unserer Arbeit: Dass man bei uns über Dinge wie Rassismus lachen kann, die einem sonst auf den Magen schlagen. Das ist unsere Art und Weise, damit umzugehen. Sowas wie der Grimme Online Award ist dann natürlich das I-Tüpfelchen.
Warum es so wenig von diesen Formaten gibt, das kann ich nicht sagen. Es kann daran liegen, dass viele Muslime, die an die Öffentlichkeit gehen, ganz schnell abgeschreckt werden, durch rassistische Äußerungen beispielsweise. Jede muslimische Person des öffentlichen Lebens hat mit Sicherheit mindestens ein oder zwei Morddrohungen bekommen. Alleine weil ihr Glauben auf irgendeine Art und Weise in der Öffentlichkeit wahrnehmbar ist. Dass es muslimische Künstler*innen aber gibt, das steht außer Frage, das heißt aber nicht, dass sie von der breiten Masse auch wahrgenommen werden.
Vielen Dank für das Interview!