«Stromberg»-Regisseur Arne Feldhusen schmeißt ein paar Pillen ein und taucht mit Bjarne Mädel, Charly Hübner und Detlev Buck ab in die Technoszene der 90er-Jahre.
Filmfacts «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt»
- Regie: Arne Feldhusen
- Drehbuch: Sven Regener nach seinem eigenen Roman
- Darsteller: Charly Hübner, Detlev Buck, Karc Hosemann, Annika Meier, Bjarne Mädel, Bastian Reiber, Jacob Matschenz
- Produktion: Gerhard Meixner, Roman Paul
- Schnitt: Benjamin Ikes
- Musik: Charlotte Goltermann
- Laufzeit: 111 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Mit der aus perfekt karikierten Alltagssituationen bestehenden Büro-Comedy «Stromberg» verantwortete Regisseur Arne Feldhusen eine der denkwürdigsten deutschen Serien. Mit dem konstant an Rückhalt gewinnenden «Der Tatortreiniger» begab sich Feldhusen danach in etwas nischigere Gefilde und erprobte sich an einem nicht ganz so leicht zugänglichen, aber mindestens genauso faszinierenden Humor. Wer sich auf Feldhusens Kinofilm «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» einlässt, sollte mit beiden Seiten Feldhusens etwas anfangen können – und ein offenes Ohr für den Techno der 90er-Jahre haben. Denn die Adaption von Sven Regeners gleichnamigen Roman ist ruhig, fein beobachtet und dennoch schräg.
Das passt sehr gut zur Hauptfigur dieser Leinwandkomödie: Seit fünf Jahren ist der frühere Künstler und Partytiger Karl Schmidt alias Charlie (Charly Hübner) nur noch ein apathischer Schatten seines früheren Ichs. Nahezu regungslos fristet er sein Dasein in einer therapeutischen Drogensucht-Behandlungs-WG in Hamburg, wo ihn sein Betreuer (Bjarne Mädel) mit gestrengen Regeln in Schach hält. Selbst ein unangekündigter Eisdielenbesuch bedeutet Ärger. Als Charlie, der zudem seine unkontrollierbaren Angstzustände gerade so mittels Psychopharmaka in Zaum hält, die Chance auf dem Silbertablett serviert bekommt, seinen alten Freunden aus der Techno-Szene auszuhelfen, sagt er zu. Er behauptet seinem Betreuer gegenüber, einen entspannten Urlaub zu machen, fährt aber nach Berlin und trifft sich mit seinem engen Freund Ferdi (Detlev Buck). Dieser geht mit seinen DJs auf "Magical Mystery"-Tour quer durch Deutschland und will Charlie als Fahrer und strengen Aufpasser, der dafür sorgt, dass alle Termine eingehalten werden, dabei haben. Charlie sagt zu – und erwacht ganz langsam wieder zum Leben.
Ob Feldhusens gechillter und somit paradoxer Technotrip durch die Bundesrepublik die eigenen Lachmuskeln reizt, können alle Interessierten austesten, sobald Charlie die piefige Drogen-WG verlässt und die Plattenfirma seines munteren Kumpels Ferdi erreicht. Innerhalb weniger Filmminuten wandern Charlie und Ferdi mehrmals ein und denselben Weg zwischen chinesischem Nudelrestaurant und Platten-Headquarter entlang – was Feldhusen mit der immer gleichen Kameraeinstellung abhakt. Redundanz und Tautologie als Pointe. Ob das zündet, ist weitestgehend Typensache, wobei Feldhusen sowie Cutter Benjamin Ikes immerhin die Extrameile gehen und durch eine rhythmische Schnittfolge die ermüdende Wiederholung, die Charlie mitmacht, inszenatorisch spröd-humoristisch kommentieren.
So zieht es sich durch den ganzen Film – und das zieht sich Feldhusen nicht etwa aus der Nase. Die dauernden Wiederholungen kleiner Gesten, fast schon zwanghaft abgelassener Sätze und größerer Abläufe in «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» generiert er aus Regeners Sujet: Die illustre Truppe eigenwilliger Charakterköpfe, die Bucks geselliger Manager zusammengestellt hat, kurvt eine nicht gerade benzin- und zeitsparend durchdachte Tourneestrecke durch Deutschland entlang. Es gibt kleinere zwischenmenschliche Entwicklungen, die den Figuren Authentizität verleihen, es wird aufgelegt, losgefahren. Alles nochmal von vorn!
Obwohl die Größe der Gigs auf der "Magical Mystery"-Tour enorm variiert, bleibt für die Technoinnovatoren Abwechslung ein Fremdwort. Aber weil sie sich in einer Wiederholungsschleife befinden, die sie freiwillig gewählt haben und bei der sie ihren eigenen Bestrebungen nachgehen können, ist das nicht etwa ermüdend oder gar deprimierend, sondern belebend. Frei nach dem Motto: Lieber immer wieder ähnlicher Kram, der gefällt, als völliger Stillstand, wie ihn Charlie in seiner WG ausgesessen hat. Der Reiz des Redundanten wird im späteren Filmverlauf sogar einmal augenzwinkernd durch eine Nebenfigur kommentiert – Feldhusen und Regener wissen, dass ein wenig Varianz zwischen den Wiederholungen sein muss, um das Publikum nicht einzulullen. Und so erweist sich eine ebenso herzzerreißende wie respektlose Grabrede als bester Gag des Films, während der eine Rave, den Feldhusen in Ausführlichkeit zeigt, als abrundender Charaktermoment dient und die Persönlichkeiten hinter den Ticks skizziert.
Dank Hübners feinem, nuancierten Spiel zwischen Erschöpfung, Angst vor vergangenen Dämonen und zurückhaltender Hoffnung, ein neues Lebenskapitel aufschlagen zu können, sowie dem karikaturesken, aber sympathischen restlichen Ensemble ist «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» eine liebenswert-andersartige Kinoerfahrung. Vorausgesetzt, man lässt sich auf das hypnotisch-molasseartige Erzähltempo und die gedämpfte Emotionalität der Figuren ein. Denn: Obwohl dies ein Technofilm ist, lässt Feldhusen sein Publikum nicht etwa an einem Komödienrausch teilhaben. «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» ist eher der skurrile, sich langsam zusammenrappelnde Morgen danach – in Begleitung echt origineller Zeitgenossen. Dafür hallt «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» lange nach – dahingehend erinnert er an «The Big Lebowski». Auch bei ihm macht sich schon beim ersten Gucken bemerkbar, wie viel lustiger das alles beim wiederholten Anschauen sein wird.
Fazit: Abgespaced und tiefenentspannt: Das Leben als Tourneefahrer einer 90er-Technotruppe ist schräg, voller Wiederholungen und von kleinen Gesten bestimmt.
«Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» ist ab dem 31. August 2017 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.