Deutschland kann stolz sein auf dieses Duell

Unaufgeregt, seriös und bedacht debattierten Martin Schulz und Angela Merkel miteinander. Das mag stellenweise langweilig gewirkt haben. Doch in dieser Langeweile liegt die Erlösung.

Deutschland kann stolz sein auf dieses TV-Duell.

Denn was haben wir im letzten Jahr anderswo für Zumutungen erleben müssen: In den Niederlanden konnte sich Regierungschef Mark Rutte hauptsächlich dadurch im Amt halten, dass er bei einem Rededuell seinen rechtsextremen Herausforderer Geert Wilders mit markigen Sprüchen übertrumpfte. In den USA musste Hillary Clinton gegen die widerwärtigen Anflegelungen von Donald Trump anreden, dem eine demokratische Gesprächskultur so fernliegt wie außenpolitische Positionen, die zu ihrer Ausformulierung mehr als 140 Zeichen benötigen. In Österreich ließ man den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer gleich ohne Moderator auf seinen grünen Gegenkandidaten Alexander van der Bellen los, woraufhin sich beide so in Kindereien verhedderten, dass sie vor allem das Amt des Bundespräsidenten beschädigten. Im Vereinigten Königreich war Theresa May vor den letzten Parlamentswahlen im Sommer zu feige, um überhaupt in einer Fernsehdebatte gegen ihre Gegenkandidaten anzutreten, und schickte stattdessen ihre Innenministerin Amber Rudd, die ihre Redebeiträge so an die Wand fuhr, dass sie fast ihr Parlamentsmandat in Hastings verlor. Und in Frankreich offenbarte Marine le Pen in ihrem TV-Duell gegen Emmanuel Macron, dass ihr jedwede Seriosität fernliegt und dass sie nichts kann als den billigen, populistischen persönlichen Angriff, dass sie von Sachthemen nicht die geringste Ahnung hat und stattdessen nichts tat, als böswillige, aus der Luft gegriffene Unwahrheiten über ihren politischen Gegner in die Welt zu setzen.

Wie erholsam war stattdessen das Aufeinandertreffen von Martin Schulz und Angela Merkel vor ein paar Minuten. Ruhig und mit Bedacht gelang es den beiden Spitzenkandidaten, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in ihren politischen Positionen deutlich zu machen, über ihre Erfolge zu sprechen und die Fehlschläge des anderen vorzutragen. Das mit vier Personen zwar überbesetzte, dabei aber erstaunlich effektive Journalisten-Panel fiel derweil dadurch positiv auf, dass es die richtigen Fragen stellte, angenehme Übergänge zwischen den Themenfeldern schuf und die Beiträge von Schulz und Merkel kohärent verdichtete.

Dieser ruhige Duktus, die wenig eklatanten Unterschiede in den grundsätzlichen Linien ihrer Politik mögen auf manche Zuschauer langweilig gewirkt haben. Doch in dieser Langeweile liegt die Erlösung: Beide Spitzenkandidaten betonten, dass die Zukunft Deutschlands nur in Europa liegen kann. Dass Staatschefs mit autokratischen Zügen von Trump bis Erdogan allenfalls bedingt verlässliche Partner sein können. Dass der erste Artikel des Grundgesetzes von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen und nicht der Würde des Deutschen spricht.

Die Spitzenkandidaten von Deutschlands größten Parteien geben sich unaufgeregt, seriös, bedacht – und das steht in keinem Widerspruch zu der klaren Kante, die Martin Schulz zu seinem Leitmotiv auserkoren hat: Beide fanden klare Worte zu Erdogan, Trump und Orbán, auch wenn Martin Schulz hier in einer besseren Position war: Ohne politisches Mandat kann er gegenüber ausländischen Staatschefs aggressiver auftreten als eine Bundeskanzlerin.

Dass Merkel und Schulz bei passender Gelegenheit gerne Sticheleien austauschten und treffende Spitzen platzieren konnten, tut dem äußerst seriösen Eindruck keinen Abbruch: Hier trafen zweifelsfrei Demokraten aufeinander, keine Populisten, keine Demagogen, keine Egomanen, die die Welt anzünden wollen. Dass schon dieser Umstand als beeindruckendes Ereignis genannt werden kann, zeigt den erbärmlichen Zustand der politischen Diskussion in vielen westlichen Demokratien. An Deutschland geht diese Dimension der Vergiftung des öffentlichen Diskurses (bislang) vorbei: Dieses unaufgeregte, seriöse, glücklicherweise vielleicht gar langweilige TV-Duell ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Und darauf kann Deutschland stolz sein.
03.09.2017 22:39 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/95554