Nach dem erfolgreichen Buch und dem kessen Kinofilm präsentiert sich das nächste «Pubertier». Doch dem fehlen die komödiantischen Reißzähne.
Cast und Crew
- Regie: Oliver Schmitz, Uwe Janson
- Darsteller: Pasquale Aleardi, Mia Kasalo, Chiara Schoras, Levi Eisenblätter, Gisela Schneeberger, Dietrich Hollinderbäumer, Henriette Richter-Röhl, Anica Dobra, Annette Frier
- Chefautor: David Ungureit
- Drehbuch: Alexandra Maxeiner, Marc Terjung; nach der Vorlage von Jan Weiler
- Kamera: Leah Striker, Dominik Berg
- Musik: Ali N. Askin, Maurus Ronner
- Produktionsfirma: UFA Fiction
Wenn ein Buch die Kassen klingeln lässt, geht es normalerweise so weiter: Entweder wird es fürs Fernsehen oder fürs Kino adaptiert. Und wenn diese Adaption durch die Decke geht, gibt es vielleicht noch eine Fortsetzung oder einen Ableger im jeweils anderen Medium. Alternativ wird der Medienwechsel vorgenommen, wenn der erste Anlauf gefloppt ist – siehe etwa, was mit «Chroniken der Unterwelt» geschehen ist. Buchautor und Journalist Jan Weiler hingegen veräußerte die Adaptionsrechte an seinem «Pubertier» parallel ans Kino und ans Fernsehen. Das sorgte in der Branche erst einmal für Gegenwind, wie der Autor in Pressegesprächen gerne erläutert. Aber ganz offensichtlich war die Aussicht darauf, Weilers beliebte, humoristische Sicht auf das elterliche Zusammenleben mit einem pubertierenden Kind umsetzen zu können, dann doch zu attraktiv. Und so bissen UFA Fiction und das ZDF respektive Constantin Film in den sauren Apfel und erwarben die Lizenzen, wohlwissend, einen Konkurrenzkampf einzugehen.
Der Doppelverkauf der «Pubertier»-Lizenz führte zu einem regelrechten Wettstreit darum, als erste Adaption über die Ziellinie zu schreiten. Die Premierentermine beider Versionen wurden mehrmals verschoben. Letztlich riss der UFA und dem ZDF bei diesem Hickhack zuerst der Geduldsfaden, weshalb man sich mit einer linearen Ausstrahlung Anfang September und einer Onlinepremiere Ende August zufrieden gegeben hat, obwohl Leander Haußmanns Kinofilm schon Anfang Juli die Leinwände eroberte. In vereinzelten Kinos ist «Das Pubertier – Der Film» sogar weiterhin zu sehen. Und hier kommt der nächste Stein im Schuh der Serienversion. Denn dadurch, dass die sehr kreative, süffisante «Pubertier»-Kinointerpretation mit Jan Josef Liefers, Heike Makatsch, Detlev Buck, Monika Gruber, Harriet Herbig-Matten und Justus von Dohnányi weiterhin zu sehen ist, bietet sich allen «Pubertier»-Neugierigen die stärkere Alternative zur Fernsehserie feil.
Der Reiz hinter Jan Weilers Elterngeschichten und scherzhaften Alltagsbeobachtungen über Pubertätsstress liegt in der erfrischenden Perspektive. Denn humorige Filme, Bücher und Serien darüber, wie ein Elternteil die sich wandelnde Dynamik in seiner Familie verarbeitet, gibt es wie Sand am Meer. Jede Sitcom, die lang genug lief, um zu zeigen, wie aus dem Unschuldslamm der frühen Staffel ein Teenager wurde, schlug in diese Kerbe und nicht wenige Eltern mit Hang zur Kreativität verwandelten ihre Gedanken durch dezentes Fiktionalisieren zu Druckprodukten über diese Zeit der familiären Umbrüche. Jan Weiler und noch mehr Leander Haußmann gaben diesem Stoff in ihren «Pubertier»-Versionen eine liebenswerte Ironie mit. Durch spritzige Übertreibungen wird nicht nur das ach-so-unausstehliche Pubertier durch den Kakao gezogen, sondern auch die jegliche Veränderungen hochkochende Denke der Eltern (lies: des Vaters).
«Das Pubertier – Die Serie» dagegen spielt ein ganz anderes, langweiligeres Spiel. Sie begnügt sich damit, die zigste Familienserie zu sein, die aus dem Holz geschnitzt ist, aus dem schon deutsche 90er-Jahre-Sitcoms geschnitzt wurden. Da schiebt Papa Jan (Pasquale Aleardi) fast 40 Minuten der 45-minütigen Serienpremiere Panik, seine minderjährige Tochter könnte schwanger sein – und offenbar erachten die Drehbuchautoren diesen Plot als fähiges Dramedy-Material, weil sie die Lösung dieser Sorge nicht nur für Jan, sondern auch fürs Publikum bis kurz vor Episodenschluss zurückhalten. Es benötigt aber kein Medienwissenschaftsdiplom in "Die Ironie eines Missverständnisses zu deuten wissen", um den Ausgang der Folge schon in Minute acht zu erahnen. Zu sehr reden sämtliche Figuren im Laufe der Folge um den heißen Brei herum und alle außer dem panischen Papa geben zu sitcomhaft-großgrimassige Reaktionen auf seine Nachfragen, als dass sich unter den komödiantischen Verwicklungen ein anbahnendes Drama verstecken könnte. (Oder etwa doch? Wir wollen ja nicht spoilern, was sich der gesunde Mensch nach wenigen Minuten selber ausmalen kann …) Da das Publikum aber nicht eingangs in den vollen Plot eingeweiht wird, wirkt der Spießrutenlauf Jans eben nicht wie eine verdiente Strafe, die Schadenfreude erzeugen soll, sondern wie ein sträfliches Unterschätzen des Publikums …
Nun ist es leider häufig so, dass Serien sich in ihrer Pilotfolge von ihrer schlechtesten Seite zeigen. Und «Das Pubertier – Die Serie» scheint fast schon durch ihre Kinderkrankheiten durchgaloppieren zu wollen, eröffnet Folge eins doch tatsächlich (völlig ironiefrei) mit dem todgenudelten Sister-Sledge-Dauerbrenner "We Are Family" und zeigt Jans Fantasien, was seine Tochter treiben könnte, in schäbigsten Greenscreen-Montagen. Dass Pasquale Aleardi die Off-Kommentare, wie schön das Dasein als Vater vor der Pubertät seiner nun nicht mehr ganz so geliebten Tochter Carla war, hölzern-trocken runterbetet, ist da schon das geringste Problem.
Allerdings rettet sich «Das Pubertier – Die Serie» auch nicht in den nächsten zwei Folgen. Mia Kasalo ist als pubertierende Carla unauffällig – weder ist sie so brav, dass es im witzigen Gegensatz zu Jans Dauergestresstsein steht, noch ist sie in ihrem Auftreten so borstig, dass sich seine Nervenanfälle verstehen ließen. Zumindest aber hat sie eine unaffektierte Kamerapräsenz – bei Jungdarstellern bekanntlich keine Selbstverständlichkeit. Dass sie aber zu weitaus mehr fähig ist, zeigte sie 2014 in «Blindgänger» schon an der Seite von Wolfgang Stumph und ab Ende September erneut im atemberaubenden Kinofilm «Amelie rennt». Pasquale Aleard wiederum bringt zwar auch in späteren Episoden die Off-Kommentare nie natürlich rüber, aber wenigstens die Interaktion mit seinem Serien-Kind Carla (ihr jüngerer Bruder spielt kaum eine Rolle) und seiner Serien-Frau Sara (Chiara Schoras) fällt solide aus. Jans Vater (routiniert: Dietrich Holländerbäumer) und seine Mutter Gisela (bemüht mütterlich: Gisela Schneeberger) spielen wie gezähmt, während Annette Frier als Jans Ex und neu gefundener Jungbrunnen seines Vaters trotz Engagiertheit am Skript scheitert, das freudig ein gemeines Fremdschamthema aufmacht und dann doch davor zurückschreckt, irgendetwas Überraschendes daraus zu machen.
Immerhin: Selbst wenn Chiara Schoras kaum mehr sein darf als "Noch eine Komödienserien-Fernsehmutter, die als Stimme der Vernunft nett Beistand liefert", so hat sie noch immer mehr zu tun als Makatsch im «Pubertier»-Kinofilm. Dass die in Frühstücksflockenwerbung-Licht getauchten Wolfühlbilder der aufgeräumten Vorzeigehäuser der Serie hingegen in ihrer unpersönlichen Harmlosigkeit nicht mit Haußmanns visuellem Ideenreichtum mithalten können, macht diesen einen Vorsprung aber rasch wieder vergessen.
Fazit: Wem «Das Pubertier» im Kino zu flippig und rasant war, kann es ja mit der gezähmten, tempoärmeren Serienfassung versuchen.
«Das Pubertier – Die Serie» ist in der ZDF-Mediathek abrufbar und immer donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.