Regisseur und Autor Manuel Meimberg findet, dass sich seine neue Serie 'trotz hochwertigem Look auf RTL II nicht wie ein Fremdkörper anfühlen' sollte. Er verriet Quotenmeter.de, wie er diese selbstgestellte Aufgabe zu bewältigen versucht.
Weitere Informationen
- Manuel Meimberg ist Mitglied des «SOKO Leipzig»-Autorenstamms, verantwortete die Satireserie «Familie Braun» und das Konzept des ZDFneo-Formats «Tempel», zudem war er längere Zeit als Autor an «Alles was zählt» beteiligt
- Der «Call The Boys»-Hauptcast besteht aus Frederic Heidorn, Bruno Bruni, Daniel Rodic, Jerry Kwarteng und Julia Jendroßek
Wie kam die Idee zu «Call The Boys» zustande?
Die Idee, eine Serie zum Themas Callboys zu machen, wandert bei der UFA tatsächlich schon seit mehreren Jahren von Schreibtisch zu Schreibtisch. Da saßen schon viele Menschen dran und haben verschiedene Ansätze versucht. Irgendwann Anfang 2016 habe ich zufällig den UFA-SERIAL-DRAMA- und UFA-FICTION-Geschäftsführer Joachim Kosack getroffen, der mir von dem Projekt erzählt und mich dann sehr schnell mit dem ausführenden Produzenten des Formates, Dirk Scharrer, zusammengebracht hat. Wir waren uns alle sehr schnell einig, dass wir das gemeinsam umsetzen wollen. Joachim Kosack und Markus Brunnemann als Produzenten haben uns da volles Vertrauen geschenkt.
Wie gestalteten sich der Recherche- und später der Castingprozess zur Serie?
Ich habe erstmal zu Recherchezwecken selbst ein paar Wochen als Callboy gearbeitet, um zu verstehen, wie sich das anfühlt. Nein, Quatsch, Spaß!
Wir, sprich die beiden Autoren John-Hendrik Karsten und Anika Soisson, die ja schon auf dem Projekt saßen, Dirk Scharrer und meine Person haben sich zusammen eingeschlossen, um erstmal unzählige Reportagen, Interviews und Storys zu dem Thema untereinander auszutauschen und zu lesen. Aber vor allem haben wir selber diskutiert, wie wir zu dem Thema stehen. Wir haben quasi eine Live-Marktforschung in unserem Umfeld gemacht, mit Freundinnen geredet, mit Ehefrauen, Müttern, Kolleginnen. Um herauszufinden, wie die allgemeine Haltung zu dem Thema Callboys ist. Das Erstaunliche: Die meisten der Frauen, mit denen wir gesprochen haben, sind dem Thema gegenüber total aufgeschlossen. Und viele haben zugegeben, dass sie sich vielleicht auch einen Callboy buchen würden – wenn es keiner merkt. Da war klar: das Thema stößt auf Interesse. Und bei „ganz normalen Frauen“ gibt es diese Fantasien durchaus.
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Dass der Schauspieler Sätze auswendig lernen kann, davon gehe ich erst mal aus. Darum geht’s nicht. Mir geht es darum, zu verstehen, wie der Schauspieler über das Leben denkt. Erst dann kann ich mit ihm oder ihr die Rolle entwickeln. Für solche Prozesse sind die Serienthemen Sex, Beziehungen und Freundschaft natürlich sehr dankbar.
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Manuel Meimberg
Das Casting war erstmal ein klassisches Casting: Agenturen nach spannenden Typen durchforsten, einladen, Vorsprechen. Interessant wurde es dann natürlich, als wir mit den Schauspielern tiefer ins Thema eingetaucht sind. Da waren wir schnell in spannenden Diskussionen, weil jeder eine andere – auch moralische – Haltung zu dem Thema käuflicher Sex hat. Beim Casting geht’s mir vor allem immer darum, den Menschen selbst kennenzulernen. Dass der Schauspieler Sätze auswendig lernen kann, davon gehe ich erst mal aus. Darum geht’s nicht. Mir geht es darum, zu verstehen, wie der Schauspieler über das Leben denkt. Erst dann kann ich mit ihm oder ihr die Rolle entwickeln. Für solche Prozesse sind die Serienthemen Sex, Beziehungen und Freundschaft natürlich sehr dankbar. Nachdem wir uns noch einmal alle Kandidaten angeschaut und intern ausführlich erörtert hatten, waren wir uns alle schnell einig: Die vier Jungs sind die ideale Mischung.
Gab es senderintern Probleme, grünes Licht zu erhalten, weil parallel dazu bei Schwesternsender VOX ebenfalls eine thematisch verwandte Serie in Arbeit ist, die von einem Escort-Service handelt?
Wir waren schon mitten in der Entwicklung, als wir zufällig von dem israelischen Format «Milk & Honey» erfahren haben. Der Trailer, den wir uns besorgt haben, hat uns gezeigt, dass das thematisch und von der Tonalität her schon sehr weit entfernt ist von «Call The Boys». Als VOX dann verkündet hat, «Milk & Honey» zu adaptieren, war unser Pilot schon abgedreht und geschnitten. Wir sind uns also nie in die Quere gekommen. Und es gibt ja auch keine Regel, die besagt, dass es im deutschen Markt nur eine Serie geben darf, in der es um Callboys geht. Wäre das so, dann hätten Krimiserien ein Riesenproblem.
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Es gibt keine Regel, die besagt, dass es im deutschen Markt nur eine Serie geben darf, in der es um Callboys geht. Wäre das so, dann hätten Krimiserien ein Riesenproblem.
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Manuel Meimberg
Welche Vorteile versprechen Sie sich davon, dass «Call The Boys» erstmal mit der Pilotfolge an den Start geht, bevor weitergedreht wird?
Zuerst mal den Piloten als Einzelstück zu senden, mag bei uns eher nicht gerade der gängige Weg sein; in den USA wird das ja teilweise durchaus gemacht. Man zeigt dem Zuschauer die erste Folge und schaut, ob er mehr will. Es wird definitiv Reaktionen geben auf den Piloten, der schon stellenweise ziemlich provokant und auch ein bisschen gewagt ist. Wir können dann mit dem Feedback des Zuschauers arbeiten und es in die weiteren Folgen der ersten Staffel einfließen lassen.
Sollte es weitergehen: In welcher Funktion werden Sie in die weiteren Episoden involviert sein – bleiben Sie durchweg Autor und Regisseur in Personalunion?
Natürlich sind die Folgen zwei bis sechs schon in der Entwicklung, wir wollen ja bei Erfolg des Piloten so schnell wie möglich in den Dreh. Dass der Pilot ausgestrahlt wird, zeigt auch, wie sehr der Sender an das Format glaubt. Ich denke, RTL II war selbst ein wenig - in positiver Hinsicht - über das Ergebnis unseres Piloten überrascht.
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Es gibt Stimmen, die sagen: Wenn der Regisseur das Buch selbst geschrieben hat, fehlt ihm die Distanz, die er für die Inszenierung braucht. Halte ich für falsch. Ich brauche keine Distanz zum Inszenieren – ich brauche Nähe.
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Manuel Meimberg
Die Bücher betreue ich auch als Headautor, weitere Autoren sind John-Hendrik Karsten und Miriam Helck. Ich werde die weiteren Folgen der ersten Staffel auch wieder inszenieren und habe eine sehr klare Vision davon, wie sich die Serie anfühlen muss. Zusammen mit Dirk Scharrer arbeite ich permanent daran, diese Vision weiter zu schärfen. Wir sind mit den Schauspielern sehr eng in Kontakt und inzwischen auch befreundet. Wenn man diese Energie nutzt und mit ans Set nimmt, können daraus die authentischen Momente entstehen, die die Serie braucht. Es gibt Stimmen, die sagen: Wenn der Regisseur das Buch selbst geschrieben hat, fehlt ihm die Distanz, die er für die Inszenierung braucht. Halte ich für falsch. Ich brauche keine Distanz zum Inszenieren – ich brauche Nähe. Zu den Schauspielern und zum Buch. Wir haben verhältnismäßig wenig Drehzeit, gerade dann muss ich das Buch so gut kennen, es „atmen“, damit ich auch kurzfristig am Set „große“ Entscheidungen treffen kann, wie zum Beispiel, eine Szene zu kicken oder ganz anders zu drehen. Ich muss immer den Überblick haben, über alles. Und das kann ich am besten, wenn ich im Writer’s Room bin und am Set.
Wie würden Sie den Look von «Call The Boys» beschreiben?
Der Look der Serie ist hochwertig. Das habe ich auch meinem großartigen Kameramann Ben Wieg zu verdanken. Wir wollen den Zuschauer überraschen. Inhaltlich, visuell – eigentlich auf allen Ebenen. «Call The Boys» ist eine Primetime-Fiction-Serie. Der Spagat, den man schaffen muss, und den ich mir für meine Arbeit als Regisseur als Mission gesetzt habe ist: Die Serie darf sich trotz hochwertigem Look auf RTL II nicht wie ein Fremdkörper anfühlen. Das wird sie nicht, denn rein inhaltlich behandelt sie natürlich eine Themenwelt, die im Senderumfeld sicherlich gut funktioniert. Wenn man die vier Jungs beobachtet, dann hat man das Gefühl, man sieht echte Menschen. In einer echten WG und einer echten Kneipe. Die Figuren sind nicht abgehoben oder überhöht, ich habe beim Drehen immer gesagt: Der Zuschauer muss das Gefühl haben: „Ach, mit denen würd ich jetzt auch gerne ein Bier trinken.“
Welche Einflüsse aus der Film- und Serienkultur gibt es auf «Call The Boys»?
Ehrlich gesagt habe ich mich weder inszenatorisch noch inhaltlich an andere Filme oder Serien angelehnt. Wir wollten wirklich was Neues schaffen, was Ungesehenes. Ob wir das geschafft haben, entscheidet der Zuschauer am 11. September um 21.15 Uhr, wenn er RTL II einschaltet.
Welche Altersfreigabe hatten Sie beim Schreiben und Inszenieren der Serie im Hinterkopf gehabt?
In der Serie geht es um Callboys. Callboys schlafen für Geld mit Frauen. Also sieht man natürlich auch Sex. Alles andere wäre albern und gegen das Serienversprechen. Wir sind eine Primetime-Serie und dürfen daher auch einiges zeigen. Was wir auch tun. RTL II zeigt echte Geschichten mit echten Menschen im echten Leben. Wenn wir Callboys ohne Sex zeigen würden, dann wäre das so wie ein Krimi ohne Leiche. Und das will ja auch keiner sehen.
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Der Zuschauer wird sehr überrascht sein von dem, was er da auf RTL II im Anschluss an «Love Island» sieht. Niemand muss enttäuscht sein, weil es weniger Sex gibt als erhofft. Keine Angst. Aber «Call The Boys» erzählt eben so viel mehr.
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Manuel Meimberg
Alles, was mit Sexualität zu tun hat, wird ja gern vorschnell in die Schmuddelecke gesteckt – wie versuchen Sie dieses Etikett bei «Call The Boys» zu vermeiden?
Ich bin mir sicher: Bei der Kombination „Callboys“ und „RTL II“ erwarten viele erstmal irgendwas Schmuddeliges. Vermutlich schalten einige auch deswegen ein. Und ich bin mir genauso sicher: Der Zuschauer wird sehr überrascht sein von dem, was er da auf RTL II im Anschluss an «Love Island» sieht. Niemand muss enttäuscht sein, weil es weniger Sex gibt als erhofft. Keine Angst. Aber «Call The Boys» erzählt eben so viel mehr: Es ist das Portrait von vier Freunden, die ein Geheimnis teilen, mit dem sie ihr Geld verdienen. Klar, mit einem Job, den nicht jeder hat. Als Callboy zu arbeiten ist schon ziemlich schräg. Aber die Geschichten, die wir erzählen, sind universell, ziemlich emotional, manchmal ein bisschen nachdenklich und immer sehr, sehr lustig.
«Call the Boys» ist am 11. September um 21.15 Uhr bei RTL II zu sehen.