Popcorn und Rollenwechsel: Hinterher sind wir immer schlauer
'Ja, ja, hab ich's doch gewusst', heißt es immer, wenn es schon zu spät ist. Dabei haben wir alle die Möglichkeit, zu vermeiden, dass wir lachend in die Kreissäge rennen …
Vom Sofa oder Kinosessel aus ist es immer leicht, eine große Klappe zu haben und es besser zu wissen. Wenn wir uns «Die Tribute von Panem» anschauen, klopfen wir uns auf die Schulter, es besser zu haben als die Figuren, die in dieser Anti-Utopie leben. Wenn sich langsam ein Aufstand gegen die herrischen Strukturen bildet, murmeln wir vor uns hin: "Na endlich. Dass ihr nicht viel früher auf die Barrikaden gegangen seid!" Und wenn sich abzeichnet, dass selbst die potentielle Zukunft ohne Präsident Snow eine garstige Wende nehmen könnte, heißt es: "Das hätte euch von Anfang an komisch vorkommen können!"
In den «Star Wars»-Prequels greift eine dunkle Bedrohung schleichend die Demokratie (oder die parlamentarische Monarchie?) in einer weit, weit entfernten Galaxis an. Und wir alle brüllen George Lucas' Geschöpfe an: "Wie könnt ihr so jemandem vertrauen? Es fehlt nicht viel, und er würde glatt sagen: 'Hallo, ich bin ein aufstrebender Diktator, der mit Hass und Vorverurteilung regiert. Bitte lasst mich an die Macht.' Und ihr fallt drauf rein, ihr Schwachköpfe!"
"Der ist Böse, vertrau ihm nicht!", dachten wir alle schon Dutzende, vielleicht sogar Hunderte Male beim Gucken von Filmen und Serien. Und wenn eine sympathische Figur dem Fiesling auf den Leim geht, schnauben wir entnervt auf. Doch egal, für wie mächtig und weise wir uns beim Filmeschauen halten: Wir sind nicht besser als diese ganzen naiven Filmfiguren.
Wir haben es zugelassen, dass sich die Welt zurück entwickelt. In ein politisches Klima des Eigensinns, der Ellenbogenmentalität und des Fingerzeigens: "Die da sind schuld, weil, die sind anders als ich! Das ist verdächtig!" Und Millionen fallen auf die Hassprediger, Statistikignoranten und Empathieverweigerer herein. "Nein, die Minderheit, die ihr hasst, ist nicht gefährlich, weil …" müssten alle realitätsorientiert antworten, so wie beim Filmegucken. Stattdessen bekommen Millionen glasige Augen und brabbeln: "Ja, das, was diese Partei sagt, ist wirklich Mal eine Alternative für mein Land." Weitere Millionen stehen unbeteiligt daneben und denken sich: "Ich halt mich da raus, wird schon gutgehen."
Nein, Leute. Nichtstun führt nur dazu, dass die in die Irre geführten denen, die für Hass, Rückschritt und Ignoranz stehen, munter den Rücken stärken können. Und dass so etwas keine gesunde Alternative ist, zeigen nicht nur Tausende von Büchern, Filmen, Serien und Comics. Sondern auch die Geschichte. Niemals in der Historie mündete ein "Wir bestimmen, dass wir aufgrund unseres Aussehens oder unserer Herkunft besser sind als die da, also schüren wir nun eine harsche Ungleichheit. Danach fühlen wir uns gewiss sicherer und es wird keine böse Konsequenzen geben, die wir dann verdient haben!" in etwas Erfreuliches.
Was wir alle tun können, um Schlimmes zu vermeiden, liegt auf der Hand: In fünf langen Filmen war die vielleicht heldenhafteste, klügste Tat von Käpt'n Jack Sparrow, nicht irgendeine in aller erster Sekunde ichbezogene Wahl zu treffen. Stattdessen wählte er jemanden, der das Wohle Vieler im Sinn hat. Wenn ein stinkender, besoffener Pirat so klug sein kann, zu erkennen, dass er erstens überhaupt wählen sollte und zweitens auf langer Sicht allen mehr gedient ist, wenn er nicht nur an sich denkt, dann sollte jede einzelne Person so hellsichtig sein.
Und wenn das noch nicht überzeugt: Sogar die «Fack Ju Göhte»-Problemklasse ist weitsichtig genug, um zu wissen, dass es wichtig ist, wählen zu gehen, und was am Sonntag nicht gewählt werden sollte!
Also: Wer wahlberechtigt ist, macht am Sonntag bitte sein Kreuz. Und das nicht bei irgendeinem sich als Alternative titulierenden Gesellschaftsselbstzerstörungsknopf, der uns zurück in die Zeiten von Ausgrenzung, Unfreiheit und Schuldzuweisung wirft. Sonst werden eines Tages irgendwelche Wesen einen Film über uns gucken, und völlig zu Recht sagen: "Meine Fresse, wie blöd sind die denn bitte, wenn sie den offensichtlichen Schurken da vertrauen?"