Lakonisch-trockener Humor, Gaststars und wenige Wohlfühlinseln in einem glaubwürdigen Meer an Fremdschamverhalten: Das Erste zeigt eine Komödie, lose adaptiert nach einem Heinz-Strunk-Roman.
Cast und Crew
- Regie: Lars Jessen
- Drehbuch: Heinz Strunk; Peter Güde
- Darsteller: Heinz Strunk, Charly Hübner, Friederike Kempter, Peter Heinrich Brix, David Bredin, Ole Fischer, Jürgen Rißmann, Katja Danowski, Adrianna Janowska-Moniuszko, Olli Schulz, Klaas Heufer-Umlauf
- Kamera: Kristian Leschner
- Schnitt: Magdolna Rokob
- Musik: Lieven Brunckhorst
- Produktionsfirma: a.pictures film, Eichholz Film
Da ist er schon wieder. Und erneut geht er auf eine Reise, die von trockenem Witz angetrieben wird:
Erst kürzlich tourte Charly Hübner in «Magical Mystery» durch die deutschen Kinos, nun unternimmt er als Bernd Würmer an den Rollstuhl gefesselt eine Reise kurz hinter die polnische Grenze. Begleitet wird er dabei von Heinz Strunk in der Rolle des einsamen, in Sachen Smalltalk mit seinem unnützen Wissen sowie seinen peinlichen Anekdoten immer wieder aneckenden Dauersingles Jürgen.
Gemeinsam hofft das Duo, mit Hilfe des Beziehungsanbahnungsunternehmens Europ Love in Polen die Liebe fürs Leben zu finden. Oder wenigstens für einige schöne Stunden. Aber nicht nur dadurch, dass es zu Verwechslungen kommt, und so die attraktive Dominika (Adrianna Janowska-Moniuszko) mit dem Falschen anbändelt, wird die Freundschaft des Duos auf die Probe gestellt. Auch die ungelenken Anbahnungsversuche mit der streng-scheuen Dolmetscherin Anja (Friederike Kempter) bringen Trubel mit sich …
Treue Heinz-Strunk-Begeisterte werden Jürgen Dose bereits kennen. Der ebenso unauffällige wie redselige Niemand mit den ungewöhnlichen Wünschen (er möchte den Rekord für die am längsten in ihrer Wohnung unentdeckte Leiche brechen) und obskur-unspektakulären Anekdoten ist seit 1994 Teil von Strunks Repertoire. In «Jürgen – Heute wird gelebt» formt Strunk aus seiner Kunstfigur einen sympathischen Verlierer, der sich selber selten was gönnt – so dass der Tabubruch, dass er nach langem Hadern der Idee zustimmt, es mit einer Katalogbraut zu versuchen, kein großer Sprung ist.
Der Versager, der mit seinem spröden Humor nur bei Bernd Gehör findet, verdient sich durch Strunks Spiel und das lakonische Drehbuch viele Sympathiepunkte – und das, obwohl Regisseur Lars Jessen die Eigenheiten der Strunk-Schreibe kein Stück weit opfert. Jürgen und der von Hübner mit einer behäbigen, dickschädeligen, aber gutmütigen Art gespielte Bernd sind Ritter von trauriger Gestalt, die zu großem Teil selber an ihrer Tristesse schuld sind. Aber durch die Stringenz, mit der sich Jessen auf diese Fremdscham-Helden einschießt, werden sie zu faszinierenden Figuren, statt zu abstoßenden Sonderlingen.
Trotzdem sind es das mit Gastauftritten befeuerte erste Drittel und das letzte Drittel, in dem die von Friederike Kempter einnehmend gespielte Anja allmählich auftaut und weitere Charakterseiten zeigt als die der scheuen Eiskönigin, die am meisten faszinieren. Im Mittelteil verrennen sich die Figuren zu sehr in ihrer Ignoranz, wie sie auf andere Menschen wirken, als dass es selbst für dieses Duo plausibel bliebe. Der Spaß an der betont-piefigen Machart und den punktgenau hingesabbelten Dialogen bleibt jedoch auch im zähen Mittelteil gegeben, so dass sich diese WDR-Auftragsproduktion zu einem der ungewöhnlicheren deutschen Fernsehfilme des Jahres aufschwingt.
«Jürgen – Heute wird gelebt» ist am 20. September 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.