«Star Trek: Discovery» hatte eine lange und problematische Produktionsgeschichte. Kann sie dennoch über sich hinauswachsen?
Zwölf Jahre sind vergangen seit das bis dato letzte «Star Trek»-Raumschiff durch das TV-Universum reiste. Science-Fiction im Fernsehen hat sich inzwischen verändert: «Battlestar Galactica» kam schon 2004 als grimmige 9/11-Allegorie daher. Etwas aktueller zeigt die noch recht frische Serie «The Expanse», eine weitaus problematischere Eroberung des Weltalls, die von politischen Intrigen, Verschwörungen, Mord und Krieg geprägt ist. Dagegen muss sich «Star Trek» mit seinem utopischen, manch einer mag sagen, naiveren Ansatz zunächst behaupten.
Die Fernsehwelt hat sich selbst in dieser relativ kurzen Zeit massiv gewandelt. Ein goldenes Fernsehzeitalter ist zum sogenannten Peak-TV übergegangen, also eine Ära, in der vielmehr hochwertige Serien produziert werden, als ein Normalsterblicher konsumieren kann. Ob der Name «Star Trek» in dieser fragmentierten Medienwelt noch ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, wird sich ebenfalls noch beweisen müssen. Die bisherigen Herausforderungen, denen sich die Produktion stellte, lassen Fans jedenfalls mit den Zähnen knirschen.
Problematische Produktionsgeschichte mit gutem Ausgang?
Der zum ausführenden Produzenten ernannte Alex Kurtzman besitzt mit Filmen wie «Transformers», «The Amazing Spiderman 2: Rise of Electro» und zuletzt dem Reboot von «Die Mumie» eine nicht sehr überzeugende Filmografie. Immerhin besitzt er mit den J.J. Abrams-Kinofilmen bereits «Star Trek»-Erfahrungen, auch wenn diese unter Fans höchst umstritten sind. Andere prominente Autor-, Showrunner- und Produzenten-Namen wie Bryan Fuller kamen und verschwanden wieder. Aber auch wenn sich Fuller lieber seiner anderen Serie, der Neil Gaiman Adaption «American Gods» widmete, überließ er seinen zwei Vertrauten Gretchen J. Berg und Aaron Harberts das Feld, welche die Grundideen ihres Vorgängers weitestgehend weiterführen wollten. Und dafür engagierten sie ein Autorenteam, das sich aus regelrechten «Star Trek»-Nerds zusammensetzt.
PR-Schäden blieben dennoch nicht aus: Die ersten, schwachen CGI-Bilder der USS Discovery wurden im Internet verrissen; diverse Startterminverschiebungen taten ihr Übriges. Nun sind Stolpersteine und Produktionsschwierigkeiten nichts Außergewöhnliches, insbesondere wenn es sich um die technisch aufwendige Produktion eines empfindsamen Franchises wie «Star Trek» handelt. Dennoch kommt die Produktionsgeschichte, die natürlich ausführlich in allen Entertainment-News dokumentiert wurde, wohl einer emotionalen Achterbahnfahrt gleich. Und zwar nicht nur für Fans.
Auch für CBS hängt viel an dem Projekt. Zumindest handelt es sich hierbei für die amerikanischen Zuschauer um die zweite Serie, die ausschließlich auf der hauseigenen Streaming-Plattform laufen wird (die erste war das «Good Wife»-Spin Off «The Good Fight»). Das internationale Publikum hat immerhin das Glück, den schon etablierten Netflix-Service in Anspruch nehmen zu können. Das Network scheint jedenfalls reichlich nervös: Die Presse durfte vor der Ausstrahlung noch keinen Blick auf die neue Sternenreise werfen. Welche Erfolgserwartungen CBS in diese Veröffentlichungsstrategie setzt, ist noch unklar, entscheidet aber sicherlich über die Zukunft des Serienfranchises. Ein schlechtes Zeugnis der viralen Internet-Schwarmintelligenz und/oder gnadenloser «Star Trek»-Fans kann sich aber verheerend auf den Erfolg des Experiments auswirken. Viele Fans gehen auch nicht gerade zimperlich mit den neuen Kino-Interpretationen und dem J.J. Abrams Sequel-Prequel-Paralleluniversum um. Wie wird da erst eine Serie aufgenommen, die noch vor den Abenteuern von Kirk, Spock, Pille und Co. spielt und potenziell am heißbeliebten Kanon herum schrauben könnte?
Prequel mit neuen Protagonisten
Wir schreiben nämlich das Jahr 2256. Zehn Jahre bevor Captain Kirk mit seiner Enterprise auf eine fünfjährige Forschungsmission aufbrechen wird, erkundet die Mannschaft der USS Shenzhou die Grenzen des Föderationsraumes. Ganz vorne mit dabei ist Commander Michael Burnham («The Walking Dead»-Star Sonequa Martin-Green), ihrerseits erster Offizier des Raumschiffs und Adoptivtochter des hochangesehenen Vulkaniers Sarek (Spocks leiblicher Vater). Sie dient unter der resoluten Philippa Georgiou (Michelle Yeoh), Captain der USS Shenzhou. Die beiden verbindet jedoch darüber hinaus eine innige Beziehung einer Mentorin und ihres Protegés. Eine Beziehung, die während der kommenden Mission auf eine harte Probe gestellt wird.
Ab diesen Punkt könnte Vieles schon als Spoiler angesehen werden, also Obacht, sehr geehrter «Star Trek»-Fan oder diejenigen, die es noch werden möchten!
Relativ friedlich geht die USS Shenzou ihrer Mission nach, bis sie auf ein unbekanntes Flugobjekt trifft. Wie sich schnell herausstellt, handelt es sich hierbei um ein Klingonenschiff, welches vom reaktionären T’Kuvma (Chris Obi) geführt wird. Dieser möchte das klingonische Reich und seine 24 Häuser vereinen und zu alter Stärke zurückführen. Die einzige Sternenflottenoffizierin, welche die kriegerischen Pläne recht schnell durchschaut, ist Michael. Um ihre Crew und die Menschheit zu schützen, geht sie ziemlich rabiat vor, schließlich musste sie schon in ihrer Kindheit bittere Erfahrungen mit dem kriegerischen Volk machen.
«Discovery» arbeitet, ungewöhnlich für «Star Trek», mit relativ vielen Rückblenden, um der Hauptprotagonistin Michael und ihrem klingonischen Gegenspieler T’Kuvma Hintergründe und Motivationen zu verleihen. Dies funktioniert nur bedingt: Während eine stringente und klare erzählerische und charakterliche Linie von Michaels Vergangenheit zu den gegenwärtigen Ereignissen gezeichnet wird, bleiben die Klingonen ein Mysterium. Dies liegt vielleicht daran, dass die rein kriegerische Tradition des Volkes generell schwer nachzuvollziehen ist. Darüber hinaus werden die entsprechenden Darsteller unter mehr Make-Up denn je vergraben, sodass kaum noch humanoide Regungen vorhanden sind. Ansonsten macht «Discovery» kaum einen Hehl daraus, Parallelen zu aktuellen nationalistischen Tendenzen zu ziehen. Das ist nicht unbedingt schlimm, «Star Trek» war niemals subtil oder zurückhaltend, wenn es um politische Parabeln ging. Die Schnelligkeit, mit der die erste Auseinandersetzung losgetreten wird, gestaltet sich jedoch fast schon überrumpelnd.
Cliffhanger, Storytwists und ein großer Knall
Die Intention scheint klar: Mit Cliffhangern, diversen Storytwists und einem großen Knall möchte CBS wahrscheinlich auch Zuschauer jenseits der Fanbasis zum Abonnement des eigenen Streamingdienstes verführen. Das klingt zwar zynisch, dennoch hat die neue Serie weitaus mehr zu bieten als Explosionen, Photonentorpedos und Phaserduelle. Immer wieder legen die Autoren wert drauf, dass sich die Sternenflottenoffiziere mit Köpfchen und nicht nur mit Action aus der Affäre ziehen, etwa wenn Commander Michael Burnham mit logischer und überlegter Vorgehensweise den Schiffscomputer austrickst und sich aus einer prekären Situation befreit.
Die Beziehungen der Protagonisten untereinander bieten Raum für kleine Sticheleien und gehaltvolle Emotionen: Sonequa Martin-Green kann sowohl die Kompetenz eines Sternenflottenoffiziers als auch ihre menschlichen Schwächen überzeugend wiedergeben, die sie versucht mit ihrer vulkanischen Erziehung zu vereinen. Michelle Yeoh dürfte schon allein durch ihre langjährige Erfahrung als Kung Fu-Actionstar als starke und resolute Sternenreisende überzeugen. Als Mutterfigur für ihren Schützling Michael strahlt sie Wärme und gleichzeitig die notwendige Strenge aus.
Ansonsten leisten die beiden ersten Episoden keine sehr gute Arbeit, um die restliche Crew einzuführen (die titelgebende USS Discovery taucht in den ersten beiden Episoden auch noch nicht auf). Ein Versäumnis, das hoffentlich in naher Zukunft schnell korrigiert wird. Immerhin gibt es eine Ausnahme: So gehört Wissenschaftsoffizier Lieutenant Saru (Doug Jones) einer Rasse an, die nahende Todesgefahr erkennt. Doug Jones, der schon in einigen Guillermo Del Toro-Filmen kuriosen Gestalten Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen verlieh, schafft dies auch in «Star Trek: Discovery». Eine Figur, die quasi dazu designed wurde, ein Feigling zu sein, kann auf einem Sternenschiff, das ständig neuen Gefahren ausgesetzt ist, schnell zur Lachnummer werden.
Dennoch darf Saru anschaulich und überlegt seinen Standpunkt vermitteln und die Figurenkonstellation kann noch zu einer interessanten Dynamik auf der Brücke führen. Eine wenig mehr Charme hätte jedoch allen Beteiligten gutgetan.
Zufriedenstellender Start
Zum Auftakt lief «Star Trek Discovery» übrigens auch im linearen Fernsehen -
vor 8,19 Millionen Zuschauern. Aber nicht nur das: Dem Dienst CBS All Access soll das Format Medienberichten zufolge etliche Neukunden beschert haben. Zwar nannte das Unternehmen CBS keine genauen Daten, sprach aber von einem "Rekordtag" was Neuanmeldungen angeht. Zum CBS-All-Access-Angebot rund um «Star Trek» gehört übrigens auch ein begleitender Talk: «After Trek».
Optisch passt sich die Serie moderneren Space Operas wie «Battlestar Galactica» und «The Expanse» an: Das gesamte Innenleben des Raumschiffes wirkt etwas düsterer, die Korridore und die Brücke wesentlich metallischer und weniger gemütlich, als es auf anderen Raumkreuzern der Fall war. Alles ist aber weiterhin sauber und aufgeräumt, wie es sich in der Sternenflotte gehört. Auch mit der modernen Technik werden sich «Star Trek»-Puristen abfinden müssen. Zwar wirkt hier nicht alles so steril, wie es auf der Brücke der neuesten Enterprise-Kinofilmen der Fall ist, aber dennoch arbeiten die Raumfahrer mit jeder Menge zeitgemäßen Touchscreens und Hologrammen, die es natürlich zu Kirks Zeiten noch nicht gegeben hat. Diese Anachronismen lassen sich leicht verkraften, könnte doch jede Alternative leicht ins Lächerliche abdriften. Technisch auf sehr hohem Niveau inszeniert, kann man sich leider nicht die eine oder andere schlechte Angewohnheit verkneifen, welche die neuen Filme eingeführt haben. Stichwort: Lensflares. Ansonsten präsentiert sich dennoch eine starke Mischung aus CGI- und praktischen Effekten, die sich gelegentlich etwas zu stark in den Vordergrund drängen.
Erwartungsgemäß versucht «Star Trek: Discovery» eine Brücke zwischen dem klassischen Geist der früheren Serien und einer modernen Erzählweise zu schlagen. Dazu gehören natürlich Entscheidungen, Handlungen und Geschehen, die in der Zukunft der Serie noch weitreichende Konsequenzen fordern werden sowie komplexere Geschichten und Charaktere abbilden sollen. Ob dies letztendlich gelingen wird, kann an diesen ersten beiden Episoden noch nicht abgelesen werden. Momentan besitzt die neue Serie trotz ihrer kleinen Fehler vor allem Eines: Potenzial.
In Deutschland gibt es die Folgen von «Star Trek: Discovery» wöchentlich, immer montags neu bei Netflix.