Auch in den Tagen nach der Bundestagswahl reißt insbesondere bei ARD und ZDF die Berichterstattung nicht ab. Doch haben die Deutschen darauf nach einem langen Wahlkampf überhaupt noch Lust? Ein kleiner Rückblick auf die Quotenbilanz der vergangenen Tage.
So bedenklich es auch stimmen mag, dass mit der "Alternative für Deutschland" eine Partei weit rechts von Union und FDP als drittstärkste Fraktion in den Bundestag eingezogen ist, gibt es ja durchaus auch Werte, die hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen - die Wahlbeteiligung etwa, die mit 76,2 Prozent weitaus höher ausfiel als vor acht bzw. vier Jahren, als mit 70,8 bzw. 71,5 Prozent die Tiefstwerte in der BRD-Geschichte verzeichnet worden waren. Oder auch schon die Einschaltquoten diverser politischer Debatten und Shows im Vorfeld der Bundestagswahl, die zuallermeist zufriedenstellend ausgefallen waren, obwohl vor allem ARD und ZDF nicht gerade mit Angeboten geizig umgegangen waren.
Doch vorbei ist die Zeit der spannenden politischen Themen natürlich auch nach einer solchen Bundestagswahl nicht: Kommt es zu Jamaika? Wie stellen sich die großen Volksparteien nach ihren historisch schlechten Wahlergebnissen auf? Welche Lehren lassen sich aus dem Erstarken der Rechtspopulisten ziehen? Und was macht eigentlich Frauke Petry nach ihrem raschen Austritt aus der AfD? Diese und viele weitere Fragen standen in den vergangenen Tagen im Zentrum des Journalisten-Interesses - aber auch im Zentrum jenes der Zuschauer? Wir schauen mit drei Analyse-Schwerpunkten auf die vergangenen Tage: Wie überzeugend liefen die Sondersendungen zur Wahl, konnten sich die klassischen Nachrichtensendungen steigern und profitieren die öffentlich-rechtlichen Talkshows?
Sondersendungen: Fast alle überzeugen
BTW-Vergleich 2013 -> 2017
- Vorabend (ARD): 5,22 -> 5,77 Mio.
- Vorabend (ZDF): 3,08 -> 3,51 Mio.
- «B. Runde» (ARD): 5,81 -> 7,05 Mio.
- «B. Runde» (ZDF): 3,00 -> 3,29 Mio.
Der Sonntagvorabend und -abend war erwartungsgemäß voll und ganz in der Hand des Ersten Deutschen Fernsehens: Sowohl die knapp dreistündige Livesendung zur Wahl ab 17:15 Uhr feierte mit 5,77 Millionen Zuschauern und 21,7 Prozent Marktanteil einen großen Erfolg, als aber auch die «Berliner Runde», die einstündig zur besten Sendezeit auf 7,05 Millionen und fast ebenso gute 20,0 Prozent gelangte. Das ZDF zog hier ganz klar den Kürzeren, hatte aber am Vorabend immerhin noch auf gut drei Millionen Zuschauer und mit der "Elefantenrunde" ab 20:15 Uhr auf 3,29 Millionen zu verweisen - was aber insbesondere bei letztgenanntem Angebot nur noch mit schwachen 9,3 Prozent Marktanteil einherging. Im direkten Vergleich mit der vergangenen Bundestagswahl 2013 verbesserten sich allerdings sämtliche dieser Angebote (siehe Infobox).
Was zudem positiv auffiel: Mit 19,7 und 20,4 Prozent bei bis zu 2,58 Millionen lief es für die genannten Sondersendungen im Ersten auch beim jungen Publikum fantastisch, während das ZDF immerhin jeweils knapp die Zweistelligkeit erklomm. Auch hier sah es vor vier Jahren noch fast durchweg weniger gut aus. Weitaus weniger Enthusiasmus legten hingegen die privaten Sendeanstalten hinsichtlich ihrer Wahlberichterstattung an den Tag, ein ernstzunehmendes Angebot konnte man unter den großen werbefinanzierten Akteuren einzig RTL zusprechen - die allerdings mit der einstündigen Sondersendung «Meine Wahl - Die Entscheidung» ab 17:45 Uhr nur 1,84 Millionen Zuschauer bzw. 7,3 Prozent Gesamt-Marktanteil erzielten, bevor «RTL Aktuell» solide 9,2 Prozent bei 2,74 Millionen erzielte. In der werberelevanten Zielgruppe liefen beide Angebote mit 11,1 und 11,8 Prozent durchwachsen.
Am Montag danach hatten ARD und ZDF noch jeweils eine 45-minütige Sondersendung zu relevanter Stunde angedacht: Einen «Brennpunkt» um 20:15 Uhr sowie ein «ZDF spezial» um 19:30 Uhr. Mit 3,66 bzw. 3,30 Millionen Fernsehenden lief es in beiden Fällen angesichts von Marktanteilen in Höhe von 11,6 bzw. 11,9 Prozent durchwachsen, wobei die ARD-Sendung mit sehr guten 11,1 Prozent bei 1,15 Millionen das Interesse der 14- bis 49-Jährigen in bemerkenswerter Weise weckte, wo hingegen das ZDF-Pendant mit 6,5 Prozent bei 0,54 Millionen nur solide lief. Auch hier lohnt sich ein Vergleich mit der Nachlese 2013, wo exakt dasselbe Konzept verfolgt worden war - und vor allem der «Brennpunkt» auf deutlich schwächere 9,5 und 7,2 Prozent bei exakt drei Millionen Zuschauer gelangt war, während das «ZDF spezial» 11,2 und 5,7 Prozent bei 2,97 Millionen erzielt hatte.
Nachrichten: Meist schneller Rückfall in die Quoten-Routine
Nachrichten-Ranking am Wahltag
- «Tagesschau»: 9,60 Mio. (9,13)
- «heute»: 4,49 Mio. (4,89)
- «Tagesthemen»: 4,34 Mio. (4,87)
- «heute-journal»: 3,29 Mio. (4,05)
- «RTL Aktuell»: 2,74 Mio. (2,70)
Gesamt-Reichweiten zur jeweiligen Hauptsendezeit der Formate. In Klammern: Vergleichswert am Tag der Bundestagswahl 2013.
Deutschlands größtes Nachrichtenflaggschiff überhaupt, die traditionelle 20-Uhr-«Tagesschau», verzeichnete wenig überraschend ihre besten Werte am Wahlsonntag selbst, wo fantastische 9,60 Millionen Zuschauer und 28,0 Prozent aller bzw. 26,8 Prozent der jüngeren Konsumenten zu Buche standen. Damit war sie die mit Abstand meistgesehene Sendung des Tages und verzeichnete ihren höchsten Wert seit dem EM-Monat Juni 2016, wo sogar mehrfach über zehn Millionen erreicht worden waren. An den Tagen danach ging es deutlich auf nur noch jeweils gut fünf Millionen bergab, was beim Gesamtpublikum in der Regel mit rund 18 Prozent und bei den Jüngeren mit gut 15 Prozent einherging. Der ganz große "Wahl-Boost" lässt sich hier nicht erkennen, vor allem bei den 14- bis 49-Jährigen lief es aber tendenziell etwas stärker als im Normalfall.
Exzellent gelang am langen Wahlsonntag auch das Zusammenspiel der restlichen Angebote mit den «Tagesthemen», die mit einer kurzen Extra-Ausgabe um 21:15 Uhr zunächst auf grandiose 6,49 Millionen und 18,5 Prozent gelangt waren, bevor eine 40-minütige Ausgabe um 22:30 Uhr dann noch auf 4,34 Millionen sowie gar noch etwas bessere 19,3 Prozent gelangte. Als am Montag ein weiterer kleiner politischer Abend im Ersten zelebriert wurde, lief es mit 16,1 Prozent aller und 10,4 Prozent der jungen Zuschauer bei 3,59 Millionen ebenfalls gut, bevor dann am Dienstag nur noch 2,67 Millionen und am Mittwoch in direkter Konkurrenz zur Champions-League-Übertragung sogar nur noch miese 2,06 Millionen zu Buche standen.
Die beiden wichtigsten Nachrichtensendungen des ZDFs wiederum, also «heute» um 19 Uhr und das «heute-journal» am späteren Abend, konnten am Sonntag nicht auf einen solch herausragenden Sprung verweisen. Während erstgenannte Sendung mit 4,49 Millionen Zuschauern sowie 14,6 Prozent aller bzw. 9,8 Prozent der jüngeren Zuschauer aber dennoch sehr gut lief und sogar die meistgesehene Ausstrahlung des Tages stellte, tat sich das «heute-journal» um 21:45 Uhr gegen «Anne Will» mit nur 3,29 Millionen und 10,9 Prozent beim Gesamtpublikum sogar sehr schwer - bei den 14- bis 49-Jährigen wurden aber starke 9,4 Prozent verzeichnet. Und sonst so? «heute» hielt sich auch noch am Montag und Dienstag bei mehr als vier Millionen Zuschauern, was zuvor letztmals Mitte August gelungen war, das «heute-journal» ragte dagegen nur am Mittwoch heraus - und das lag sicher in erster Linie an König Fußball im direkten Umfeld und nicht an der politischen Berichterstattung.
Und auch auf RTLs Hauptnachrichten «RTL Aktuell» lohnt sich ein Blick, denn hier ließ sich sogar das interessante Phänomen beobachten, dass es am Wahltag mit 9,2 Prozent sogar den schlechtesten Marktanteil des gesamten Kalenderjahres setzte. Und das ist keineswegs ein Zufall, denn schon bei anderen Großereignissen, über die mehrere große Sender parallel berichteten, offenbarte sich das Phänomen, dass ein Großteil des Publikums den gebührenfinanzierten Kanälen den Vorzug geben. Dramatisch ist dieses kurze Einknicken aber keineswegs, denn schon am Montag steigerte sich die Sendung um 18:45 Uhr wieder auf ihr gewohnt tolles Niveau von etwa 15 Prozent bei weit mehr als drei Millionen Zuschauern. In der werberelevanten Zielgruppe lag man unter der Woche bei rund 16 bis 19 Prozent - nach sehr durchwachsenen 11,8 Prozent am Sonntag. Zu behaupten, für die Kölner lohne sich ihr Nachrichten-Engagement überhaupt nicht, wäre also grundfalsch.
Polittalks: Hoher Zuspruch und mehrere Rekorde
Klar stärker als Jauch
- 2013 war «Günther Jauch» am Wahlabend auf Sendung gegangen, kam damals allerdings auf nicht ganz so tolle 5,84 Millionen Zuschauer und 17,9 Prozent Marktanteil. Vor allem aber lief es bei den Jüngeren mit 12,0 Prozent deutlich unspektakulärer.
- 2009 litt «Anne Will» massiv unter der Programmpolitik des Senders, vor dem Talk noch eine Folge der «Lindenstraße» auszustrahlen. Hier verabschiedete sich ein Großteil der Zuschauer, sodass für ihre Wahl-Nachlese auch nur für einen Wahlabend desolate 10,2 und 4,6 Prozent bei 2,59 Millionen auf dem Papier standen.
Im Bereich Talkshow war der größte Nutznießer natürlich «Anne Will», das am Sonntag bereits um 21:25 Uhr auf Sendung gehen durfte und inmitten eines langen, erfolgreichen ARD-Wahlabends natürlich voll und ganz aufblühen konnte: Mit 6,36 Millionen Zuschauern und fantastischen 20,2 Prozent insgesamt sowie 17,5 Prozent bei den Jüngeren standen mit die besten Werte in der Geschichte des Polittalks zu Buche, nachdem man erst zu Beginn des Monats nach dem «TV-Duell» seine ewigen Rekorde aufstellen konnte. Das ZDF zog um 22:30 Uhr mit einem «Maybrit Illner Spezial» nach, war damit dann aber so spät dran, dass man mit lausigen 9,7 Prozent aller und unspektakulären 7,1 Prozent der jüngeren Konsumenten bei einer Reichweite von nur noch 2,03 Millionen abgespeist wurde.
Nach wie vor in Topform präsentierte sich am Montag dann «Hart aber fair», das bereits in den Wochen vor der Wahl massiv von der umfangreichen Berichterstattung seines Senders profitiert hatte und stets klar im grünen Bereich landete. Diesmal wurden 4,17 Millionen Interessenten angelockt, was nach dem 45-minütigen «Brennpunkt» um 21 Uhr immerhin noch schönen 13,9 Prozent insgesamt bzw. 9,3 Prozent der jungen Konsumenten entsprach. An die fantastischen 17,8 und 12,4 Prozent bei 4,85 Millionen aus der Woche zuvor, als sich die Werte nach der «Wahlarena mit Martin Schulz» noch deutlich verbessert hatten, kam man damit aber etwas überraschend deutlich nicht heran - wobei sich die Überraschung eher auf die Stärke der letzten Ausgabe vor der Wahl bezieht. Übrigens: Im Umfeld der Bundestagswahl 2013 erreichte keine einzige Folge der Plasberg-Show überhaupt die Vier-Millionenmarke.
Und auch «Maischberger» konnte am Mittwochabend noch profitieren und erzielte mit 2,43 Millionen Zuschauern die höchste Reichweite im laufenden Kalenderjahr - und das übrigens ganz ohne starkes Vorprogramm, denn sämtliche Angebote zwischen 20:15 Uhr und 22:45 Uhr kamen zuvor auf niedrigere Zuschauerzahlen und einstellige Marktanteile, während die Diskussion zur "Wutwahl" tolle 15,9 Prozent verbuchte. Auch das junge Publikum zeigte sich nach wie vor politisiert und bescherte der Gesprächsrunde 9,5 Prozent bei 0,51 Millionen.
Die beiden ZDF-Formate unter der Woche durften sich ebenfalls über sehr erbauliche Werte freuen: «Markus Lanz» etwa kam mit seiner gewohnten Drei-Folgen-Ration auf bis zu 2,09 Millionen Zuschauer, womit die Donnerstagsausgabe angesichts fantastischer 19,0 Prozent ihren höchsten Marktanteil seit November vergangenen Jahres erzielte. Bei den jüngeren Fernsehenden lief es mit 7,3 bis 8,8 Prozent ebenfalls durchweg zufriedenstellend, allerdings ohne Rekorde. Und auch Maybrit Illner konnte nach ihrem schwachen Ergebnis am Sonntag zu regulärer Stunde am Donnerstagabend noch punkten und erreichte immerhin 3,15 Millionen Fernsehende sowie 15,4 Prozent Marktanteil. Bei den 14- bis 49-Jährigen wurden die 7,1 Prozent vom Sonntag wiederholt, was für den Polittalk, der sich donnerstags gemeinhin relativ schwer tut, bereits die beiden besten Werte im Jahr 2017 sind.
Alles in allem können sich die Werte beinahe aller Inhalte auf den beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender auch nach der Bundestagswahl sehen lassen, womit am erfreulichen Bild weitergezeichnet wird, das bereits zuvor im Wahlkampf begonnen worden war. Während die Nachrichtenformate aber überwiegend schon wieder in ihre Routine zurückgekehrt sind, erlebten insbesondere die politischen Talkshows einen in diesem Ausmaß sicherlich nicht zwingend zu erwartendem Hype.