Es ist schwer, ein Projekt wie «Captain Underpants» adäquat zu beschreiben, sodass der Trailer den Zuschauer direkt in die Irre führt. Das anarchische Animationsabenteuer ist weniger für Kinder, als vielmehr für popkulturfixierte Erwachsene geeignet,
Filmfacts: «Captain Underpants»
- Kinostart: 12. Oktober 2017
- Genre: Animationsfilm/Komödie
- FSK: o.Al.
- Laufzeit: 89 Min.
- Musik: Theodore Shapiro
- Buch: Nicholas Stoller
- Regie: David Soren
- Sprecher: Ed Helms, Kevin Hart, Thomas Middleditch, Nick Kroll, Jordan Peele, Kristen Schaal
- OT: Captain Underpants: The First Epic Movie (USA 2017)
Es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns an dieser Stelle darüber auslassen, dass ein Verleih seinen Film gänzlich falsch vermarktet. Wir erinnern uns da nur an das jüngste Beispiel des betont ruhigen Thriller-Kammerspiels «It Comes at Night», das man als knallharten Horrorschocker an das Mainstream-Publikum zu bringen versucht. Ähnlich irreführend gestaltete sich das Marketing für Filme wie «Verborgene Schönheit», wo man dreist Fantasy-Elemente vorgaukelte, «Passengers», den man wesentlich reißerischer vermarktete, als es zum Endergebnis passte, oder der, anders als in der Vorschau beschrieben, alles andere als actionlastige «Planet der Affen: Survival». Zur Folge haben derartige PR-GAUs in der Regel unzufriedene Zuschauer, denen man es schließlich nicht verübeln kann, wenn die Erwartungshaltung überhaupt nicht erfüllt wird (was passiert, wenn man in Gänze ohne eine solche ins Kino gehen muss, weil das Marketing einfach überhaupt nichts verrät, zeigt sich aktuell am wohl polarisierendsten Film des Jahres, «mother!»). Doch im Falle des Animationsfilms «Captain Underpants – Der supertolle erste Film» können wir dem zuständigen Verleih 20th Century Fox ausnahmsweise überhaupt keinen Strick daraus drehen, dass ihre Werbekampagne den Kern des Films nicht wirklich trifft.
Auch wir wüssten kaum, wie wir ein solch andersartiges Animationsfilmerlebnis vorstellen sollten; mit seinen Slapstick-Einlagen und der absolut kurzweiligen Handlung, bietet sich das Projekt gewiss an, um sich auf Kinder als Zielgruppe einzuschießen. Doch mit seinem anarchischen Humor und der schier endlosen (metaphorischen) Kreativität, sehen wir die Fanbase des Films vorwiegend in jenen Zuschauern, die der ProSieben-Show «Circus HalliGalli» hinterher trauern, oder zu den Liebhabern der in Deutschland tragischerweise so unbekannten Sitcom «Community» gehören.
Mit einem Superhelden in Unterhosen gegen den bösen Schulleiter
George Beard und Harold Hutchins sind beste Freunde und gehen in die vierte Klasse der Jerome Horowitz Grundschule in Piqua, Ohio. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, Comics zu zeichnen und den Anderen in der Schule Streiche zu spielen. Dabei müssen sie jedoch sehr aufpassen, um sich von ihrem fiesen Schuldirektor Mr. Krupp nicht erwischen zu lassen. Da haben die beiden eine total abgefahrene Idee: George und Harold beschließen, den grimmigen Mr. Krupp mittels Hypnose in den Lieblingshelden ihrer selbst gemachten Comics zu verwandeln: den tollpatschigen Captain Underpants. Das Experiment gelingt tatsächlich! Und nun ist der gemeine Lehrer plötzlich ein kinderliebender Held, der in Unterhosen und rotem Cape für Gerechtigkeit sorgt. Gemeinsam stürzen sich die drei in herrlich aufregende Abenteuer und treffen unter anderem auch auf den gefährlich-verrückten Wissenschaftler Professor Poopypants, die böse Turbo-Toilette 2000 und die nerdige Petze Melvin.
«Captain Underpants» basiert auf der gleichnamigen Superhelden-Kindercomicserie von Dav Pilkey, die sich vor allem aufgrund ihrer kindgerechten Schreibweise großer Beliebtheit erfreut. Der Blick hinter die Kulissen offenbart indes direkt spannende Widersprüche: Hat sich Filmemacher David Soren mit Projekten wie dem CGI-Abenteuer «Turbo – Kleine Schnecke, großer Traum» als solider Inszenator von Familiengeschichten bewiesen, ist Schreiber Nicholas Stoller normalerweise für deutlich härtere Kost bekannt. Auf sein Konto gehen die Skripts zu «Sex Tape», «Bad Neighbors 2» und dem «Zoolander»-Sequel, aber auch zu «Muppets Most Wanted» sowie dem ebenfalls alles andere als albernen Animationsfilm «Störche – Abenteuer im Anflug».
Unter den wachsamen Augen dieser Konstellation widmet sich der Film nun auf Augenhöhe den Abenteuern der beiden Grundschüler George und Harold, die mit viel Liebe zum Detail Superheldencomics zeichnen und dabei in die Handlung miteinfließen lassen, was ihnen gerade in den Sinn kommt (das können dann auch schon mal Delphine sein, die den beiden in einer brenzligen Situation zur Hilfe eilen). Auf der anderen Seite entlarven die Macher mithilfe dieser kindischen Attitüde das zumeist gar nicht so viel absurdere Ausmaße annehmende Genre des Superheldenfilms selbst; «Captain Underpants» ist kindliche (nicht kindische!) Fantasie und herzliche Hommage in einem, womit die Berührungspunkte für die ganz kleinen Zuschauer auch direkt aufgebraucht wären.
Viel Liebe für so viel Meta-Humor
Wenngleich auch ein «Captain Underpants» ein animationsfilmtypisch hohes Tempo aufweist und mit ein wenig albernem Slapstick ebenso daherkommt, wie mit manch lustigen Wortspielen (die sich zum Namen des Superhelden passend leider ein ums andere Mal ein wenig zu weit unterhalb der Gürtellinie abspielen), war schon bei der Pressevorführung in Hamburg überraschend wenig Regung von Seiten der anwesenden Kindern wahrzunehmen. Kein Wunder: «Captain Underpants» ist in erster Linie ein Fest für Liebhaber des Mediums Animationsfilm an sich, der Kinowelt mit all ihren verschiedenen Phänomenen und richtet sich gerade an jene Zuschauer, die wissen, wie das ganze Business drum herum funktioniert. Wenn nach einer verrückten Musikaufführung in der Schulaula plötzlich die Ergebnisse verschiedener Filmbewertungsportale eingeblendet werden, geben sich die Macher direkt selbst eine Wertung, genauso wie sich die beiden Hauptfiguren immer wieder persönlich ans Publikum richten, um Handlungsstränge zu erklären, sie als Absurdität zu entlarven oder in die Story einzugreifen, wenn ihnen gerade eine Entwicklung nicht passt.
Das nimmt mitunter solch hanebüchene Ausmaße an, dass der bereits zu Beginn angestrebte Vergleich mit «Community» mit jeder Szene näher rückt, bis man irgendwann nicht mehr nur George und Harold, sondern die beiden Show-Lieblinge Troy und Abed vor Augen hat; und so wird auch in «Captain Underpants» munter zwischen verschiedenen Animationsstilen hin- und hergesprungen oder der Film lässt bereits nach einem Drittel der Handlung den Abspann einblenden, da das Happy End ja nun mal erreicht ist.
Was «Community» und «Captain Underpants» ebenfalls gemeinsam haben, ist allerdings nicht bloß der Hang zum Meta-Humor. Auch in David Sorens Film steckt letztlich jede Menge Weisheit, denn die noch so absurden Umstände auf der Leinwand sind letztlich nur die Entwicklung einer Reihe tragischer Ereignisse. So ist die hier zum Hauptsetting auserkorene Jerome Horowitz Grundschule (benannt nach einem berühmten Chemiker) ein Paradebeispiel dafür, was im Bildungssystem alles schief läuft, während die beiden Hauptfiguren aufgrund der bevorstehenden Versetzung in unterschiedliche Klassen beginnen, die Bedeutung ihrer Freundschaft zu überdenken. Der actionlastige (Sub-)Plot rund um den titelgebenden Captain Underpants und seinen Kampf gegen den fiesen Schurken Professor Poopypants (dessen böse Absichten ebenfalls eine äußerst dramatische Note besitzen), wird da fast zu einer Randnotiz, ist er doch gleichermaßen das Banalste am Film.
Trotzdem währt David Soren im Finale einige fantastische visuelle Ideen auf (Stichwort: Schrumpfkanone) und weiß auf eine fantastische Art Abhilfe zu schaffen, wenn er zwar Brutalität inszenieren will, die aber gar nicht für Kinderaugen geeignet ist. Bei so viel gegen den Strich gebürstetem Engagement ist es kein Wunder, dass die Verantwortlichen in der Originalfassung Stars wie Kevin Hart, Ed Helms und Jordan Peele gewonnen werden konnten. Bei der deutschen Synchronisation wird auf Stars verzichtet und stattdessen auf alte Synchronhasen zurückgegriffen – angesichts der an den Tag gelegten Passion ist das aber auch ganz richtig so!
Fazit
Für kleine Kinder nur bedingt geeignet, besitzt der irre Meta-Spaß «Captain Underpants – Der supertolle erste Film» das anarchische Flair einer «Circus HalliGalli»-Folge und kombiniert es mit der selbstreferenziellen Cleverness der Sitcom «Community». Am Ende sorgt vor allem die hohe Schlagzahl fast ausschließlich gelungener Gags und Ideen für Lachtränen.
«Captain Underpants – Der supertolle erste Film» ist ab dem 12. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in solidem 3D!