Zwischen 2009 und 2012 durfte auch kabel eins ein Stück vom Kuchen der Erfolgssitcom speisen - und schlug sich den Bauch mit Quoten voll, von denen man heutzutage nur noch träumen kann.
Was heute «The Big Bang Theory» für ProSieben ist, war für die Unterföhringer einst einmal
«Two and a Half Men»:
das große Aushängeschild US-amerikanischer Sitcoms. Fast in Vergessenheit geraten ist aber der Umstand, dass die einst übrigens mit dem gar nicht mal so cool klingenden Titel «Mein cooler Onkel Charlie» im deutschsprachigen Raum gestartete Comedyserie auch eine ganze Zeit lang bei kabel eins in der Daytime lief - zwar nur mit alten Folgen, die zuvor bereits bei der größeren Schwester auf Sendung gegangen waren, aber dafür mit umso beachtlicherem Erfolg. Besonders interessant in der Rückbetrachtung: ProSieben selbst versuchte sich parallel dazu über eine lange, aber gar nicht mal allzu erfolgreiche Zeit hinweg mit Eigenproduktionen.
Früh bis spät: Wahnsinnswerte am Nachmittag waren gebongt
Los ging das Kapitel «Men» bei kabel eins am 5. Januar 2009, wo man zunächst erst einmal in Doppelfolgen gegen 13:20 Uhr an den Start ging. Nachdem man in den ersten Wochen noch zwischen knapp noch einstelligen und knapp schon zweistelligen Zielgruppen-Marktanteilen schwankte, entschied sich die Ausstrahlung schnell für letztgenannte Variante und verzeichnete etwa zwei Monate nach dem Präsentationsbeginn grandiose 17,4 Prozent der werberelevanten Zielgruppe, während beim Gesamtpublikum weitaus weniger spektakuläre, aber eben doch durchweg überzeugende rund sechs Prozent auf dem Papier standen. Da der Erfolg einfach nicht abreißen wollte und die über viele Jahre hinweg etablierten Formate «Eine schrecklich nette Familie» und «King of Queens» im Anschluss - trotz auch hier sehr guter Werte - in aller Regel problemlos übertroffen wurden, sahen die Programmverantwortlichen schon im Mai die Zeit gekommen, die Serie prominenter zu platzieren.
Und von nun an hielt man sich dann eben dreieinhalb Jahre lang im Nachmittagsaufgebot, wenngleich die Startzeiten immer wieder leicht zwischen 16 und 17 Uhr schwankten. Und auch hier funktionierte Charlie Sheen in seiner Paraderolle als Charlie Harper noch immer hervorragend: Anfang Juli wurden etwa grandiose 19,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen eingefangen, im Normalfall schnell um die 15 Prozent herum. Und das gelang von nun an wohlgemerkt über Monate und Jahre hinweg - selbst dann noch, als der Sender allmählich gierig wurde und zusätzlich Wiederholungen um 15 Uhr installierte. Im Laufe des Jahres 2011 orientierten sich die Werte zwar allmählich in Richtung zehn bis 14 Prozent, doch war man damit natürlich trotzdem noch immer über jeden Zweifel erhaben. Wer doch zweifelte, musste nur kurz auf die mit rund sechs Prozent meist sehr unspektakulären Werte von «What's Up, Dad?» blicken und entledigte sich sofort sämtlicher Fragezeichen ob der Programmierung.
«TaaHM»-Endphase: Große Gier ließ Quoten ein wenig schrumpfen
Doch wie in jedem noch so schönen Märchen kommt irgendwann der dramaturgische Wendepunkt, das konflikthafte Moment, in dem der Held aus seinem Schlaraffenland in die harte Realität zurückgeholt wird - und nicht selten ist ein auslösender Faktor die Gier. So auch im Falle der Verantwortlichen von kabel eins, die «Two and a Half Men» ab November 2011 gleich vierfach ab 15:50 Uhr auf Zuschauerjagd schickten und ihrem Superhit damit einiger Kräfte beraubten. Nur noch selten erreichte die Sitcom von nun an zweistellige Marktanteile, ja die beiden früheren Folgen eines jeden Tages - die übrigens seltsamerweise aus eben jenen Episoden bestanden, die am Vortag auf den beiden späteren Nachmittagsslots auf Zuschauerjagd gegangen waren, lagen sogar mit vier bis sieben Prozent meist im biederen Mittelmaß.
Das letzte halbe Jahr bestritt man dann wieder nur mit je zwei Episoden pro Nachmittag, doch die ganz großen Erfolge waren nun nicht mehr zu holen. Am 5. Oktober 2012 schließlich ging ab 16:40 Uhr die letzte «Men»-Doppelfolge über den Äther und lag mit 7,5 und 9,6 Prozent der 14- bis 49-Jährigen sogar deutlich oberhalb dessen, was zum Ende hin das Normalniveau darstellte. Von da an setzte kabel eins übrigens auf eine weitere Marke, die innerhalb der Sendergruppe ebenso bekannt wie beliebt ist: «Navy CIS». Und die Crime-Serie mitsamt weiterer Genre-Vertreter im Vorfeld sollte sich über viele weitere Jahre halten, ja ist genauer gesagt noch heute Bestandteil des Sender-Angebots.
Dann eben bei ProSieben: «Men» bleibt nachmittags gefragt
ProSieben-Historie um 16 Uhr
- bis Okt. 09: «Deine Chance!»
- bis Nov. 09: «Reality Affairs»
- bis Jan. 10: «We are Family!»
- Mär. bis Mai 10: «Die Jobretter»
- bis Sep. 10: «Entscheidung am Nachmittag»
- bis Mär. 11: «We are Family!»
- bis Mai 11: «Ghost Whisperer»
- bis Okt. 11: «Das Model und der Freak»
- bis Dez. 11: «Switch Reloaded»
Aufgebot von ProSieben zwischen 2009 und 2011 (jeweils montags bis freitags).
Und doch waren es sicherlich nicht die auf tollem Niveau nachgebenden Einschaltquoten, die zum Ende der Sitcom auf kabel eins führten - ganz im Gegenteil: Die große Schwester wollte ihre Serie ab Oktober 2012 nicht mehr nur im Abendprogramm ausstrahlen, sondern auch in der Daytime. Um dieses programmplanerische Phänomen zu verstehen, lohnt es, auch das Nachmittagsprogramm von ProSieben unter die Lupe zu nehmen. Das nämlich bestand zwischen 2009 und 2012 noch keineswegs aus dem Sitcom-Überfluss, mit dem der Privatsender heutzutage berühmt-berüchtigt ist. Bis Oktober 2009 zeigte man stattdessen um 16 Uhr noch die Dokusoap «Deine Chance! 3 Bewerber - 1 Job», die jedoch zum Ende hin immer seltener überhaupt zweistellige Marktanteile beim jungen Publikum verzeichnen konnte und schließlich von diversen weiteren Dokusoaps und Realitys abgelöst wurde (siehe Infobox).
Was aus diesem unübersichtlichen (und übrigens nicht vollständigen, da einige lediglich über wenige Wochen laufende Formate gar nicht in die Liste integriert wurden) Wust an Angeboten als Subtext zu verstehen gegeben werden sollte: ProSieben versuchte insbesondere im Reality-Bereich viel, ja versuchte bisweilen sogar mit Formaten wie «Ghost Whisperer» oder «Switch Reloaded» den so stark herbeigesehnten Erfolg zu erzwingen, doch mehr als biederes Mittelmaß war auf dem Sendeplatz vor dem Evergreen «taff» mit keinem dieser Angebote zu erreichen. Gleichwohl deutete sich mit «How I Met Your Mother», das zu früherer Stunde bereits tolle Marktanteile von nicht selten mehr als 15 Prozent der 14- bis 49-Jährigen eine mögliche Handlungsoption an, die man dann auch sehr erfolgreich ab Januar 2012 ergriff.
Und so ward der Sitcom-Overkill gewissermaßen geboren, der zunächst aus «Scrubs», «The Big Bang Theory» und eben «HIMYM» bestand, bis dann ab Oktober eben auch «Two and a Half Men» das Portfolio der Unterföhringer ergänzte. Jeweils in Doppelfolgen wurde dieses Quartett am Nachmittag über den Äther geschickt, das fortan bekanntermaßen viele, viele Jahre lang regelmäßig für Spitzenwerte über etliche Stunden hinweg garantierte. Erst in jüngster Vergangenheit mehren sich die Anzeichen, dass auch die Halbwertszeit dieser Marken nicht endlos ist - was zweifelsohne bitter für die Senderchefs ist, müssen diese doch auf einmal richtiggehend über ihr Nachmittagsprogramm nachdenken, das so lange als Selbstläufer agierte. Bei kabel eins wiederum kam man nachmittags nie wieder auf solch fantastische Werte, wie sie Charlie Harper einst vor sechs bis acht Jahren auf die Beine hatte stellen können - und doch laufen die Crime-Serien in der Regel gut genug, dass diese nicht akut gefährdet sind.