Cooles ZDF: «Game of Thrones» meets «Mr. Robot» und «NSU». Einschalten!
Cast & Crew
- Darsteller: Ronald Zehrfeld, Birgit Minichmayr, Tom Wlaschiha, Rainer Bock, Götz Schubert, Leonard Lansink
- Buch (und Regie): Lars Kraume nach dem gleichnamigen Roman von Wolfgang Schorlau
- Kamera: Jens Harant
- Produzenten: Oliver Vogel, Raoul Reinert
- Produktion: Bavaria Fiction GmbH in Zusammenarbeit mit der Cuckoo Clock Entertainment
Wolfgang Schorlaus neuestes Buch schafft es ins Fernsehen – der achte Fall um BKA-Ermittler Dengler ist im TV sein dritter Einsatz. Im ZDF war er schon in „Die letzte Flucht“ (Buch Nummer 6) und „Am zwölften Tag“ (Buch Nummer 7) zu sehen. Es scheint also, als ob man die ersten fünf Einsätze des Ermittlers getrost ignoriert. Nun ja, um es positiv zu sehen. Sollte irgendwann akute Ideenarmut herrschen, es gäbe noch fünf Stoffe. Der neue Film „Die schützende Hand“ jedenfalls macht wahrlich Lust auf mehr. Sogar auf viel mehr.
Und er ist komplett anders als seine beiden Vorgänger. Ging es darin um die Pharmaindustrie und um die so genannte Intensivtierhaltung, behandelt „Am zwölften Tag“ die Geschehnisse um die real existierenden NSU-Morde. Für seinen Ansatz hat Autor Schorlau durchaus Prügel bezogen. In der Geschichte lässt sich Dengler geheime Akten vom BKA-Server besorgen. Er will ran an das, was über die NSU-Morde und speziell über die mutmaßlichen Täter Mundlos und Böhnhardt schriftlich hinterlegt ist. Die entscheidende Frage – und auch Ansatzpunkt der Kritik an der Geschichte: Haben die beiden Verbrecher gar nicht Selbstmord begangen, sondern sind eventuell von staatlicher Stelle gezielt getötet worden?
Dengler und seine Hacker-Aktivistin (herrlich gespielt von Birgit Minichmayr) müssen vorsichtig sein. Sie wissen, dass sie nicht weniger als ein Wespennest vor sich haben. Unterstützt werden sie von Tom Wlaschiha, der ein bisschen «Game of Thrones»-Flair in die Serie bringt, seine Rolle als LKA-Mann Bauer aber eindrucks und hingebungsvoll spielt. Schnell bekommt Denglers Ex-Chef Wind von dessen Ermittlungen und schickt einen Aufpasser nach Thüringen. Der wiederum hält Kontakt zu Harry Jäger. Jäger hatte die Neo-Nazi-Szene nicht nur geschützt, sondern auch finanziert. Klar, dass keinem gefällt, welche Fragen Dengler hier stellt.
Zurück aber zum zu Grunde liegenden Stoff: Autor Schorlau hat in den echten Akten umfassend und detailgenau recherchiert. Und ist in der Tat auf Ungereimtheiten gestoßen. Wieso sollen sich zwei bewaffnete Leute auf der Flucht, die eigentlich als furchtlos (und dumm?) galten, plötzlich umbringen? Wäre es zeitlich wirklich ausgegangen, in dem Wohnwagen ein Feuer zu legen? „Dass die deutschen Geheimdienste bis zur Halskrause in dieser braunen Brühe drinnen stecken, halte ich nach allem, was ich ans Tageslicht gezerrt habe, für bewiesen,“ sagt der Autor. All das bietet Verschwörungstheoretikern viel Futter. Für die genauen Hergänge bei der Tat hat Regisseur Lars Kraume, der auch den dritten «Dengler» zu verantworten hat, das einfache, aber wirksame Stilmittel der schwarz-weiß-Bilder gewählt. Den grundsätzlichen Tatort und weitere Hergänge lässt er die drei Ermittler in einer alten Fabrikhalle nachstellen. Das ist Nachhilfeunterricht für all die Zuschauer, die bis zum Ansehen des Films nicht auf dem allerneuesten Stand waren.
Dabei ist vor allem die von Tom Wlaschiha verkörperte Figur enorm wichtig – sie kommt in den bisherigen Betrachtungen des Stoffs ein bisschen zu kurz. Ohne Frage: Dengler spielt in dem Fall ganz klar die Rolle des Verschwörungstheoretikers. Der Ermittler trat ja zuvor schon als Kritiker des Systems auf, als Querkopf, teils sogar als Testosteron-Bombe. Im dritten Fall lässt er es zwar körperlich ruhig angehen, muss die Energie nun aber auf andere Weise loswerden. Bauer ist derweil sein steter Gegenpol. Er stellt fast alles und jeden infrage, sucht nach anderen Erklärungen und Lösungen.
Rund um den Konplex NSU gab es in Deutschland schon einen viel beachteten ARD-Dreiteiler, der die verschiedenen Thematiken sehr anschaulich darstellte. Der neue «Dengler»-Film ähnelt in gewisser Weise dem dritten Teil, der sich damals schon mit den Pannen und Unzulänglichkeiten der Ermittler befasste. «Dengler» geht nun deutlich mehr in die Tiefe, blendet dabei aber auch (unwichtiges?) aus. Der Film bewegt sich immer auf Messers Schneide und stellt ganz offen die Frage, ob Dengler, der an seine Version glaubt, überhaupt noch in der Lage ist, objektiv zu urteilen? Oder ist er so vernarrt in seine Idee, dass der Selbstmord der beiden nur vorgetäuscht ist, dass er andere Fakten nicht mehr sehen will. Das zeigt: Letztlich will der Stoff gar keine allumfassende und für immer stehende Antwort dieser Frage liefern. Er will nur zeigen, dass nicht alles wirklich in Stein gemeißelt ist, was in irgendwelchen Akten steht.
Das gelingt. Und genau das macht den dritten «Dengler» zum bisher besten der Reihe und obendrein zum wohl auch besten deutschen Polit-Thriller dieses Jahres.
Das ZDF zeigt «Dengler - Die schützende Hand» am Montag, 6. November 2017 um 20.15 Uhr.