Mal wieder was Neues wagen: Nach dem gescheiterten Talk-Test mit Detlef Soost steigt der Privatsender nun ins direkte «Trödel-Duell» mit Horst Lichter. Doch nach dem ersten Drittel spricht vieles für eine weitere böse Klatsche - vor allem das ältere Publikum gibt sich betont desinteressiert.
Die Revitalisierungsbestrebungen des Daily-Talks hatten sich zuletzt als schmerzlicher Fehlgriff für RTL II herausgestellt, weshalb man das Projekt Mitte Oktober nach einem Monat wieder einstampfte. Doch statt sich in der eigenen Larmoyanz zu suhlen und in eine mehrmonatige Selbstfindungsphase zu begeben, während man nach außen hin vielsagend «Hilf mir!» hinausposaunt, gab der Privatsender schon kurz nach seinem Schlussstrich unter «Detlef Soost» bekannt, es gleich in der ersten kompletten November-Woche mit
«Das Trödel-Duell» versuchen zu wollen. Auch hier ist der Titel durchaus Programm, denn um 15 Uhr wagt man den direkten Wettbewerb mit dem aktuellen Übervater der Daytime-Unterhaltung, dem nicht selten mehr als drei Millionen Zuschauer starken «Bares für Rares». Das Publikum jedoch hat für Davids Ambitionen, den Trödel-Goliath herauszufordern, bislang nur ein müdes Lächeln übrig.
Besonders dramatisch fallen die Quoten-Divergenzen bislang beim Gesamtpublikum aus. Denn während Horst Lichter für sein Format zum Wochenauftakt einmal mehr fantastische 3,02 Millionen Interessenten mobilisierte, kam die erste Folge des «Trödel-Duells» auf gerade einmal 0,12 Millionen. Nein, kein Tippfehler, es lagen wirklich fast drei Millionen Zuschauer zwischen den beiden Formaten, wobei auch die absolute 15-Uhr-Speerspitze mit dem mit weitem Abstand schwächsten der acht großen Sender auf diesem Slot verglichen wird. Kein Wunder also, dass sich auch hinsichtlich der Marktanteile dramatische Divergenzen ergeben: Hier grandiose 24,6 Prozent, dort erschütternd schreckliche 1,0 Prozent, die auf der Flughöhe eines besseren, ja gar nicht mal überragenden Spartenkanals unterwegs sind.
Am Dienstag und Mittwoch hätte sich eine minimale Annäherung ergeben können, schließlich kam «Das Trödel-Duell» hier beide Male auf 0,16 Millionen sowie 1,4 Prozent des Gesamtpublikums. Doch zugleich ließ Lichter die Muskeln spielen und steigerte sich auf zunächst 3,08 und anschließend gar 3,20 Millionen Fernsehende, was am dritten Tag der Woche unglaublichen 26,6 Prozent und dem stärksten Marktanteil seit drei Monaten entsprach. Also war RTL II noch am ehesten am Donnerstag auf "Schlagdistanz", was selbst in Anführungszeichen gesetzt aber geradezu putzig anmutet, vergleicht man lausige 0,15 Millionen und 1,2 Prozent mit 3,01 Millionen bzw. 24,8 Prozent. Die Höchststrafe hatte sich das ZDF aber für Freitag aufgehoben, denn hier erzielte die Trödelshow mit 3,63 Millionen sogar die beste Zuschauerzahl aller Zeiten fernab der drei Primetime-Ausgaben. Immerhin: Auch die Alternative erreichte mit 0,18 Millionen ihre bislang höchste Zuschauerzahl, kam aber nur auf 1,3 statt 26,2 Prozent aller Fernsehenden.
In der Zielgruppe: Nur Kontinente trennen die Formate, keine Welten
Etwas weniger nach einem Zweikampf zwischen einem Kieselstein und dem Mount Everest sieht es dagegen aus, wenn man die Daten in der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen vergleicht. Zwar legte «Das Trödel-Duell» hier mit 2,4 Prozent bei 0,07 Millionen ebenfalls einen klassischen Fehlstart hin, ließ mit einer (Quasi-)Verdopplung auf 4,5 Prozent bei 0,14 Millionen am Dienstag aber zumindest kurz aufhorchen, bevor die Folgen drei bis fünf wieder auf Werte zwischen 3,7 und 3,9 Prozent zurückfielen. Mit alles in allem nicht einmal vier Prozent im Wochenmittel steht hier auch keine Zwischenbilanz zu Buche, die irgendeinen Anlass zu gesteigertem Selbstvertrauen geben. Doch die Lage erscheint noch nicht aussichtslos, der Senderschnitt von gut fünf Prozent eher wie der Gipfel der Zugspitze denn jener des Mount Everest oder K2.
Und «Bares für Rares»? Das sonnte sich über weite Strecken wieder in der Zweistelligkeit und schaute cocktailschlürfend zu, wie sich das Quoten-Prekariat mühsam jede Stelle hinter dem Komma hart erarbeiten musste. Nach einem mit 8,3 Prozent bei 0,26 Millionen vergleichsweise verhaltenen Wochenauftakt erarbeitete man sich am Dienstag bockstarke 11,3 Prozent bei 0,35 Millionen, bevor am Freitag sogar unglaubliche 13,7 Prozent bei 0,52 Millionen auf dem Papier standen - in beiden Fällen kein neuer Daytime-Rekord, die Reichweite aber war tagsüber zuvor nur mit "Lieblingsstücke"-Ausgaben am Sonntag höher, niemals unter der Woche. Damit war der Trödelshow am letzten Tag der klassischen Arbeitswoche die Marktführung nicht zu nehmen, an den anderen Tagen rangen hingegen die Scripted-Formate «Verdachtsfälle» und «Auf Streife», während das Schlusslicht Tag für Tag verlässlich in der Hand von RTL II war.
Du als RTL-II-Programmplaner: Was würdest du um 15 Uhr zeigen?
Zwischenfazit für RTL II? Misslungen.
Man muss also nicht groß drumherum reden: Die Auftaktwoche des RTL-II-Neustarts kann man blumig bestenfalls mit dem Adjektiv "schwierig" umschreiben, wer mehr auf klare Kante steht, ist mit "komplett misslungen" gut bedient. Beim Gesamtpublikum läuft es bislang tendenziell noch eine Idee schlechter als zuvor mit «Hilf mir!», das hier immerhin ab und an mal die zwei Prozent streifen konnte. Und in der Zielgruppe bestätigten sich zwar die grausigen 2,4 Prozent vom Montag nicht, doch selbst viereinhalb Prozent sind eher noch etwas zu wenig für die Ansprüche des Senders, der hier zuletzt mit seiner Helpsoap immerhin an sehr guten Tagen mehr als fünf Prozent erreichte. Zugegebenermaßen fielen aber auch immerhin drei der jüngsten zehn «Hilf mir!»-Ausgaben auf unter drei Prozent, es mangelt der Sendung also ein wenig an Konsistenz bei der Zuschauerakquise.
«Bares für Rares» wiederum muss sich zunächst einmal überhaupt keine Sorgen dahingehend machen, von einem neuen Genre-Vertreter ernsthaft angegriffen zu werden. Genauer gesagt hat die Trödelshow sogar eine ihrer stärksten Wochen überhaupt hinter sich, wobei natürlich die Rekordwerte am Freitag das Tüpfelchen über dem "I" waren. Und so dient sie vielleicht eher als Vorbild denn als unmittelbar angreifbares Objekt senderstrategischer Fantasmen, denn auch die Show brauchte viele, viele Monate Zeit, um zu dem prachtvollen Quoten-Gestüt heranzuwachsen, das inzwischen dem Markt längst enteilt ist. 15 Folgen, die für «Das Trödel-Duell» angesetzt sind, wären dagegen ein viel zu enges Korsett für die Formatentwicklung gewesen - zum schrittweisen Aufbau des Quiz-Sendeplatzes um 18 Uhr im Ersten lässt sich Ähnliches sagen. Ob RTL II aber so gut beraten ist, ausgerechnet um 15 Uhr eine Trödelsendung etablieren zu wollen, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Die Programmverantwortlichen selbst sehen trotz der schlechten Zwischenbilanz großes Potenzial in diesem Themenbereich und wollen ab Ende November dann mit «Dein Krempel oder ich» ein inhaltlich ähnlich gelagertes Format austesten (
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