Ein kleiner Bär verbessert die Welt: «Paddington 2»

Nach dem herzerwärmenden ersten Teil kehrt der beliebte Bär im Dufflecoat in «Paddington 2» zurück auf die Leinwand und macht sein neuestes Abenteuer zu einem ganz und gar makellosen Erlebnis.

Filmfacts: «Paddington 2»

  • Kinostart: 23. November 2014
  • Genre: Komödie/Familienfilm
  • FSK: o.Al.
  • Laufzeit: 104 Min.
  • Kamera: Erik Wilson
  • Musik: Dario Marianelli
  • Buch: Paul King, Simon Farnaby
  • Regie: Paul King
  • Darsteller: Hugh Bonneville, Sally Hawkins, Hugh Grant, Julie Walters, Madeleine Harris, Samuel Joslin, Peter Capaldi
  • OT: Paddington 2 (UK/FR 2017)
2014 begeisterte die erste Realverfilmung zu den berühmten Kinderbüchern rund um Paddington Bär Kritiker wie Zuschauer und wurde ganz nebenbei auch noch so richtig erfolgreich (allein 1,2 Millionen Zuschauer tingelten in Deutschland in die Kinos). Wir ließen uns damals sogar zu dem Fazit hinreißen, «Paddington» sei „einer der hinreißendsten Familienfilme des Jahres“, was wir mittlerweile insofern revidieren würden, als dass er sich selbst in so kurzer Zeit längst zu einer Art Klassiker etabliert hat, der die letzten Jahre ganz prächtig überdauern konnte. Es ist kaum vorstellbar, dass sich ein solch zeitloses Stück Kino, an dem einfach alles stimmt, im Rahmen einer Fortsetzung wiederholen ließe – und doch übertrifft «Paddington 2» seinen Vorgänger noch einmal um ein paar Nuancen, wenngleich mit nahezu demselben Team vor und hinter der Kamera so ziemlich alles beim Alten bleibt. Regisseur Paul King und sein Co-Autor Simon Farnaby, der bereits im ersten «Paddington»-Film einen Gastauftritt als Aufpasser bei der Forschergilde innehatte, kreieren zwar auf den ersten Blick ein Sequel, das sich auf das „Höher, schneller, weiter“-Prinzip verlässt, doch auf den zweiten erkennt man, dass auch diesmal wieder nur eine Kleinigkeit (in Form eines Pop-Up-Buchs) im Mittelpunkt steht, wodurch die Ereignisse einmal mehr völlig aus dem Ruder laufen. Diesen Clash aus erzählerischer Zurückhaltung und inszenatorischem Spektakel meistert Paul King bravourös und präsentiert am Ende doch vor allem eine sämtliche Altersklassen abholende Geschichte über familiären Zusammenhalt.

Alles für ein Pop-Up-Buch


Der liebenswerte Bär Paddington (deutscher Sprecher: Elyas M’Barek) mit Schlapphut und Dufflecoat hat nicht nur bei Familie Brown ein Zuhause gefunden, er ist auch in der Nachbarschaft ein geschätztes Mitglied: Höflich, zuvorkommend und immer fröhlich – außerdem lieben alle seine Marmeladenbrote, ohne die er nie das Haus verlässt. Als der 100. Geburtstag von Tante Lucy ansteht, sucht Paddington nach einem geeigneten Geschenk. Fündig wird er im Antiquitäten-Laden des liebenswerten Mr. Gruber, das allerlei Schätze birgt: Ein einzigartiges Pop-up-Bilderbuch hat es Paddington angetan. Allerdings muss der kleine, tollpatschige Bär dafür ein paar Nebenjobs antreten – das Chaos ist vorprogrammiert. Und dann wird das Buch auch noch gestohlen! Paddington und die Browns folgen den Spuren des Diebs, der ein Meister der Verkleidung zu sein scheint…

Da das London im ersten Teil wie selbstverständlich damit umging, dass hier ein Bär in Kleidung herumläuft und die menschliche Sprache spricht, ließ sich neben einem klassischen Fish-Out-Of-Water-Abenteuer über einen einsamen Zeitgenossen in der Fremde noch wesentlich mehr erzählen: Die Zusammenfindungsgeschichte zwischen der Familie Brown und ihrem neuen Bewohner wurde nämlich gleichsam zu einem feurigen Appell an Toleranz und ein friedfertiges Miteinander, denn die von Nicole Kidman gespielte Schurkin hatte nichts Besseres im Sinn, als Paddington töten und auszustopfen zu wollen. So hatte «Paddington» vor allem eine Botschaft: Alle Lebewesen (und eben nicht bloß alle Menschen!) sind gleich; ein wenig idealisiert zwar, aber es funktionierte im Kontext, in dem immer wieder betont wurde, man würde mit dem felligen Gesellen ja nun nicht plötzlich anders umgehen, nur weil dieser eben kein Mensch, sondern ein Bär sei.

In «Paddington 2» ist Paddingtons Bärendasein nun kaum noch Thema; stattdessen muss sich der mit Dufflecoat und Schlapphut bekleidete Zeitgenosse um ganz alltägliche Probleme kümmern: Als er ein wertvolles Pop-Up-Buch entdeckt, das er unbedingt seiner Tante Lucy schicken und ihr so ein Erleben der Stadt London ermöglichen möchte, muss er erst einmal Geld auftreiben und versucht sich in allen möglichen und unmöglichen Branchen. Das fördert einige herausragende Slapstick-Sequenzen zutage – etwa eine Szene beim Friseur oder seine verzweifelten Versuche, sich als Fensterputzer zu verdingen. Trotzdem wird so direkt zu Beginn etabliert, dass Paddington seit den Ereignissen in Teil eins nichts von seiner hoffnungsvoll-optimistischen Einstellung verloren hat. Denn um seine Tante Lucy glücklich zu machen, würde er nun mal alles tun.

Als Paddington schließlich irrtümlich für einen Dieb gehalten und prompt ins Gefängnis gesteckt wird, geht Paul King einen Weg, der schnell hätte schief gehen können: Er trennt den Bär von seiner Familie und erzählt somit zwei Geschichten parallel, denn während die Browns fieberhaft nach dem wahren Dieb des plötzlich verschwundenen Pop-Up-Buches suchen, muss sich der Neu-Häftling hinter schwedischen Gardinen als tougher Knastbruder beweisen; doch Paddington wäre nicht Paddington (und der Film keine konsequente Fortführung des Auftaktes), würde er nicht versuchen, sich mithilfe von Nächstenliebe und Respekt Freundschaften zu erarbeiten, anstatt durch typisch-prolliges Knastgehabe. Da passt es auch, dass Paddingtons Mitgefangene, einschließlich des herausragend von Brendan Gleeson («Hampstead Park – Aussicht auf Liebe») verkörperten Kochs, allesamt Karikaturen typischer Insassen-Charaktere sind, vor denen auch die jüngsten Zuschauer zu keinem Zeitpunkt Angst haben müssen.

Ein Film, der die Welt ein klein wenig besser macht


Trotzdem funktioniert die vorsichtige Annäherung zwischen dem unbedarften Bären und seinen abgebrühten Kollegen gerade weil hier die wahrhaftige Herzlichkeit Paddingtons auf die überdreht dargebotene Abneigung der Schauspieler trifft; wie schon im ersten Teil reichen oft nur kurze Sätze und Erkenntnisse (oder eben Paddingtons berüchtigter Blick, wenn sein Gegenüber seine guten Manieren vergisst), um die vermeintlich herzlosen Männer von Paddingtons Warmherzigkeit zu überzeugen; und dann wäre da ja auch noch seine Orangenmarmelade…



Während Paddington aus dem tristen Gefängnis einen friedlichen Ort des Miteinanders macht (inklusive des regelmäßigen Vorlesens von Gute-Nacht-Geschichten und dem Einstudieren gemeinsamer Musical-Auftritte), schlägt sich die Familie Brown mit dem Bösewicht dieses Films herum: Hugh Grant («Florence Foster Jenkins»)!

Mit der vielleicht besten, vor allem aber selbstironischsten Performance seiner Karriere nimmt er nicht bloß sein Image des abgehalfterten Hollywoodidols genüsslich auf die Schippe, sondern bewahrt seine Figur des einstigen Schauspielstars Phoenix Buchannan (schon in seinem Namen steckt ein übergroßes Augenzwinkern!) davor, zur völligen Witzfigur zu werden. Denn während Grant auf der einen Seite die maßlose Arroganz und das noch viel größere Ego des schillernden Ex-Promis betont, sodass sich darüber vor allem die älteren Zuschauer ordentlich beömmeln werden, steht auf der anderen Seite sein Dasein als Bösewicht; und auch, wenn «Paddington 2» nicht über das klassische Whodunit-Prinzip funktioniert (dass nicht Paddington das Pop-Up-Buch gestohlen hat, sondern der in vielfacher Verkleidung auftretende Phoenix Buchannan, erfährt man sofort nach dem Diebstahl), so resultiert die auch für jüngere Zuschauer jederzeit aushaltbare Spannung doch vor allem daraus, zu erfahren, ob und wie man wohl dahinter kommen wird, wer der Dieb ist; denn so absurd-komisch dieser Phoenix auch ist, ist er gleichzeitig ein nicht zu unterschätzender Schurke.

Doch so egozentrisch Hugh Grant in «Paddington 2» auch auftritt, liegt es ihm dennoch völlig fern, seinen Kollegen die Show zu stehlen; im Gegenteil: So richtig zur Höchstform läuft das Ensemble auf, wenn hier möglichst viele Schauspieler in einer Szene zu sehen sind. Ein Einbruch von Henry (Hugh Bonneville) und Mary Brown (Sally Hawkins) bei Phoenix Buchannan zuhause wird mit jeder hinzukommenden Figur amüsanter, genauso wie gerade im Finale jeder Charakter seine ganz persönliche Stärke ins Geschehen mit einfließen lassen kann, um einen guten Ausgang der Geschichte zu sichern. Trotzdem bleibt das Herzstück des Films natürlich der titelgebende Bär, der sowohl in der englischen Originalfassung von Ben Whishaw («Ein Hologramm für den König»), als auch in der deutschen Fassung von Elyas M’Barek («Fack ju Göhte 3») mit viel Hingabe und Wärme gesprochen wird. Auch die technische Komponente präsentiert sich makellos: Zu keinem Zeitpunkt steht in Frage, ob hier wirklich mit einem echten Bären gedreht wurde – ein Trickeffekt, der sich vor dem Motion-Capture-Standard in einem «Planet der Affen: Survival» nicht zu verstecken braucht. Darüber hinaus steckt «Paddington 2» voller visueller Kabinettstückchen. Als Paddington und seine Tante Lucy zu Beginn des Films in einem zum Leben erwecktes Pop-Up-Buch durch London schlendern, wird einem bei so viel Schönheit direkt warm ums Herz. Ein Zustand, der sich bis zum Abspann nicht ändern wird.

Fazit


Paul King gelingt erneut ein Film, der dem Zuschauer von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und um sich im Hinblick auf unser Urteil zu Teil eins noch einmal zu steigern, genügt nur eine Erkenntnis: «Paddington 2» ist in jeder Hinsicht makellos!

«Paddington 2» ist ab dem 23. November bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen!
20.11.2017 10:30 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/97219