Der deutschen Politik eilte – besonders im vergangenen Sommer – der Ruf voraus, eintönig und langweilig zu sein. Dagegen kämpfte die neu in den Bundestag eingezogene AfD zuletzt mit teils unrühmlichen Mitteln an. Die Partei machte vor allem im Wahlkampf Schlagzeile um Schlagzeile. Aber auch die gestandenen Parteien sorgten in den vergangenen Monaten dafür, dass es alles andere als langweilig wird. Das politische Interesse jedenfalls steigt wieder. Rund vier Wochen lang, von Ende August bis Ende September, gab es im Fernsehen den klassischen TV-Wahlkampf.
Etliche Sondersendungen, die meisten davon im Ersten oder dem ZDF, wurden ausgestrahlt. Aber auch RTL und Sat.1 versuchten sich zaghaft an Polit-Debatten. RTL etwa zeigte an zwei Sonntagen so genannte Town-Hall-Meetings mit Kanzlerin Merkel und Herausforderer Martin Schulz.
«An einem Tisch mit Angela Merkel» landete dabei bei 9,1 Prozent Marktanteil der Jungen und 1,45 Millionen Zuschauer, Martin Schulz kam in dem Format auf gerade einmal 6,7 Prozent. 1,10 Millionen Menschen sahen die Debatte mit dem SPD-Spitzenmann.
Sat.1 hatte sich Ende August derweil die Spitzen der vier kleinen Parteien eingeladen – und ließ sie in einer durchaus kontrovers diskutierten Wahlshow mit Claus Strunz sprechen. An einem Mittwoch ab 22.30 Uhr kam das Format mit dem langen wie sperrigen Titel
«Wahl 2017: Die 10 wichtigsten Fragen der Deutschen. Klartext mit Claus Strunz» nur auf 5,9 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen. 0,64 Millionen Leute schauten zu. Deutlich gefragter war dann am ersten September-Sonntag freilich das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz, das allein im Ersten auf 9,33 Millionen Zuschauer kam. 3,72 Millionen Menschen sahen die rund eineinhalbstündige Debatte obendrein im ZDF. Rechnet man auch die Zuseher hinzu, die die Produktion bei RTL und in Sat.1 sahen, verfolgten im Schnitt 16,11 Millionen Leute ab drei Jahren die politische Debatte.
Die ARD-Talkshow
«Anne Will» kam an diesem Abend mit einer Reichweite von 7,47 Millionen Zusehern sogar auf den besten Wert aller Zeiten. Den bisherigen Rekord (aufgestellt ebenfalls nach einem TV-Duell im September 2009) toppte die Talkshow um 1,02 Millionen. Der televisionäre Wahlkampf ging aber noch weiter: Auch Das Erste bot, 24 Stunden nach dem großen TV-Duell, einen Fünfkampf an, in dem auch die kleineren Parteien zu Wort kamen. Mit rund viereinhalb Millionen Sehern und an die 15 Prozent Marktanteil war die Primetime-Produktion ein Erfolg. Schön anzusehen für die ARD-Chefs dürften zudem auch die fast zwölf Prozent beim jungen Volk gewesen sein.
Kurz vor Ende des Wahlkampfes, am Donnerstag, 21. September, holte dann die
«Schlussrunde» im Ersten und im ZDF gemeinsam noch 4,37 Millionen Leute vor die Bildschirme. Dann wurde gewählt – und zwar nicht so, wie die Parteien es hofften. Verluste für die GroKo-Parteien, Gewinne für die kleineren und eine sehr starke AfD waren das Ergebnis. Weil die SPD einen Einstieg in eine Große Koalition verweigerte, war ein Richtungswechsel nicht mehr ausgeschlossen. 5,77 Millionen Menschen informierten sich am Wahlabend selbst im Ersten über die ersten Hochrechungen und Ergebnisse. Die «Tagesschau» holte am Wahlabend 9,60 Millionen Menschen, die «Berliner Runde» mit einem seltsam aufgelegten Verlierer Martin Schulz wurde von 7,05 Millionen Leuten verfolgt.
«Anne Will» punktete im weiteren Verlauf des Abends noch mit sehr starken 6,36 Millionen Zuschauern – dem zweitbesten Ergebnis dieses Herbstes. In den Folgewochen entspannte sich die politische Lage etwas; «Anne Will» machte sogar drei Wochen Herbst-Ferien, meldete sich aber rechtzeitig zum Jamaika-Knall zurück. Prompt stiegen auch die Zuschauerzahlen wieder. Am Abend des Scheiterns der Sonderierungen (das Aus wurde zwar erst nach Ende der Sendung bekannt, hatte sich vorher aber leise angedeutet), kam die einstündige Debatte auf 4,41 Millionen Zuschauer und 15 Prozent.
Und 2018? Das kommende Jahr wird mal kein Superwahl-Jahr. 2016 gab es gleich fünf große Wahlen – zählt man auch Kreistage und Ortsräte hinzu, kam man 2016 sogar auf sieben. Im Jahr 2017 wurden vier Landtage und eben der Bundestag neu gewählt. Im nächsten Jahr nun ist Ruhe: Schleswig-Holstein wählt im Mai Kreistage, Stadtvertretungen und Gemeindevertretungen. Landtagswahlen stehen erst im Herbst wieder an; dann allerdings keine Unwichtigen. An die Wahl-Urne gerufen sind dann Bürger in Bayern und Hessen.
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