Ein Film, der nicht so recht weiß, was er mit sich anfangen soll, jedes narrative Potential links liegen lässt und stattdessen einen Krimi im Leerlauf erzählt. Nicht nur Walter Sittler sieht da etwas verloren aus...
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Walter Sittler als Robert Anders
Andy Gätjen als Thomas Wittberg
Inger Nilsson als Ewa Swensson
Jens Albinus als Lasse Wallin
Sanna Krepper als Ellie Wallin
Douglas Johansson als Ole Isaksson
Felicia Truedsson als Lucy Wallin
Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG
Drehbuch: Harald Göckeritz
Regie: Thomas Roth
Kamera: Arthuer W. Ahrweiler
Produzentin: Jutta Lieck-KlenkeEin sechsjähriges Mädchen kommt abhanden. Die aufgebrachten Eltern geben seiner Schwester Lucy (Felicia Truedsson) die Schuld: Sie habe am Strand nicht richtig auf es aufgepasst. Nachdem Robert Anders (Walter Sittler) und die örtliche Polizei das Gebiet großräumig abgesucht haben, steht fest: Das Kind ist nirgendwo auffindbar.
Bald finden sie jedoch die Leiche eines Mannes, der wohl die letzten Nächte in seinem verwahrlosten Wagen im Wald genächtigt hatte. Irgendwas muss er ausspioniert und geplant haben. Währenddessen trudelt bei der verzweifelten Familie ein Erpresserschreiben ein, das – ein erster Vorgriff auf das Symptom der uninspirierten Motive und Handlungsabrisse, an denen dieser Krimi scheitert – standesgemäß mit aus Zeitungen ausgeschnittenen Buchstaben verfasst worden ist. Die Forderung: eine riesige Summe Kronen als Lösegeld, und ja keine Polizei!
Gut, dass der Vater ein erfolgreicher Unternehmer ist und eine entsprechende Summe als Notgroschen auf den Firmenkonten geparkt hat, die sich prima als Lösegeld einsetzen ließe. Seine rechte Hand, ein Betriebswirt, der zudem ein enger Freund der Familie ist (und vor vielen Jahren auch einmal etwas mit der Frau seines besten Freundes hatte), unterstützt ihn bei dieser Idee vehement – und macht sich dabei in den Augen des Zuschauers natürlich ziemlich schnell verdächtig, etwas mit der Kindesentführung zu tun zu haben.
Das ist auch das vielleicht größte strukturelle Problem dieser „Tage der Angst“: Der Zuschauer hat von Anfang an den richtigen Riecher, und auch wenn sich sämtliche relevanten Nebenschauplätze nicht im Detail antizipieren lassen, so stimmt doch die Grundrichtung, die dieser Film zu vermuten einlädt. Eine sonderlich große Spannung kann er also nicht aufbauen. Das ist umso tragischer, da er kein anderes Element entwickelt, um den Zuschauer an sich zu binden.
Denn die Figuren sind zu beliebig, als dass man sich vollends auf sie einlassen könnte: Gutsituierte schwedische Familien auf dem Land versus schmierige, adipöse Tunichtgute, betrogene Freundschaften, junge Frauen, die sich in der familiären Krisensituation dem Wodka zuwenden, und natürlich betreibt die blonde Teenagerin auch noch einen Vlog.
Im Zuge dieser Allerweltsideen und Allerweltsfiguren fällt die narrative Inkonsequenz nur umso deutlicher auf: Ab der Mitte des Films wird (zumindest einer der) Täter offen geführt: Doch das wohl beabsichtigte Ziel – die Erweiterung des Themenspektrums um Betrug und Verrat, um die Diskrepanz aus alter Freundschaft und alter Abneigung – wird inhaltlich überhaupt nicht bearbeitet. Viel zu sehr beschäftigt sich «Der Kommissar und das Meer» auch in seiner neuen Folge mit allerhand Nebensächlichkeiten, mit den genregemäßen Was-haben-wir-bis-jetzts und Wo-waren-Sies, und sieht dabei all die Möglichkeiten nicht, die der Stoff eigentlich böte, und mit denen sich eine aufreibende, einnehmende Geschichte hätte erzählen lassen.
Das tut auch Hauptdarsteller Walter Sittler nicht gut, der das eher aufgesetzte Gemächliche und Gutmütige seiner Figur in eine gewisse Nahbarkeit zu spielen versteht, aber in all den inhaltlich leeren Momenten seltsam verloren am grauen schwedischen Strand steht und nicht so recht zu wissen scheint, was er hier eigentlich soll. Diese zahlreichen Szenen bemühen sich um das Atmosphärische, aber eine kohärente Atmosphäre lässt sich eben nicht durch das bloße Abfilmen einer beeindruckenden Landschaft konstruieren, sondern muss in den Geschichten und Figuren verwurzelt sein. Doch hier wird eben nichts von Belang erzählt, stattdessen nur: ein Krimi im Leerlauf.
Das ZDF zeigt «Der Kommissar und das Meer – Tage der Angst» am Samstag, den 16. Dezember um 20.15 Uhr.