Immer wieder emotional diskutiert, selten mit Fakten unterlegt: Das Thema Werbeüberfluss am Show-Samstag ist im Bezug auf RTL und ProSieben seit Jahren ein Dauerbrenner. Überspannt ProSieben den Bogen bei seinen Quotengaranten wirklich so sehr? Wie sehr nutzt RTL seine etablierten Castingshows aus? Wir haben mal nachgerechnet.
Unser Vorgehen bei der Analyse
Wir haben die Quotendaten zu Rate gezogen, die uns tagesaktuell von Media Control übermittelt werden. Für die Quotenmessung der Privatsender werden nämlich bereits Werbeblöcke, Trailer und weitere Werbeformen herausgerechnet, sodass in der täglichen Quoten-Berichterstattung das Konsumverhalten während der Werbebreaks gar nicht mit abgebildet wird. Zur Primetime kann das durchaus schon mal bedeuten, dass die Brutto-Sendezeit eines Formats zwei Stunden umfasst, die letztlich ausgewiesene Einschaltquote aber nur die etwa anderthalb Stunden reines Programm umfasst.Dem deutschen Publikum steht ein knackiger Abend bevor, denn mit «Klein gegen Groß» (Das Erste), dem Finale des «Supertalents» (RTL) sowie der dritten Ausgabe «Schlag den Henssler» (ProSieben) buhlen gleich drei große Sender mit Shows um die Gunst des Publikums - und dann wären da noch das ZDF mit einem neuen Krimi sowie Sat.1 mit der Weihnachtskomödie «Alle Jahre wieder», die ebenfalls mit attraktiven Erstausstrahlungen aufwarten. Enttäuschungen sind also vorprogrammiert und angesichts der jüngeren Vergangenheit erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass ein weiteres Mal ProSieben nicht für seinen organisatorischen und monetären Aufwand entlohnt wird, den man zweifelsfrei in seinen Samstagabend investiert.
Weshalb die Unterföhriger zuletzt mit der XXL-Spielshow, aber auch weiteren großen Formaten wie «Die beste Show der Welt» oder «Beginner gegen Gewinner» nur noch knapp überhaupt zweistellige Zielgruppen-Marktanteile erzielt hatten, stand für einen nicht unerheblichen Teil des Publikums schnell fest: Der abendliche Werbewahnsinn mache den Konsum nahezu unmöglich, war zuletzt oft und gerne zu lesen - und als Elton im Rahmen der jüngsten «SdH»-Folge auch noch selbst via Facebook Fehler im Umgang mit der Platzierung der Reklame eingestanden hatte, ward der Sündenbock Werbeblock auserkoren.
Wir aber wollten es genauer wissen: Wie viel Werbung platzieren RTL und ProSieben eigentlich wirklich am traditionsreichen Samstagabend? Ist ProSieben wirklich der große Werbesünder oder leidet man gewissermaßen unter dem eigens aufgestellten Dogma, kaum mehr eine Show vor Mitternacht enden zu lassen? Nutzt RTL das Standing seiner etablierten Casting-Hits «DSDS» und «Das Supertalent» vielleicht in viel dreisterer Form aus, um Werbeeinnahmen zu generieren? Fragen über Fragen, denen man sich noch weitaus umfassender widmen könnte, als es der Rahmen eines solchen Artikels hergibt. Deshalb haben wir Beschränkungen vorgenommen: auf klassische Shows, die im Jahr 2017 am Samstagabend zwischen 20:15 Uhr und 0 Uhr auf RTL und ProSieben auf Sendung gingen.
Keine Mehrbelastung bei ProSieben
Nackideis größeres Werbegift als Dschungelcamp
- aus Sicht der Einschaltquoten ein Renner, doch bei den Werbepartnern kaum gefragt: Die beiden Samstagsausgaben von «Adam sucht Eva - Promis im Paradies» wurden trotz langer Sendezeit (jeweils von 22:15 Uhr bis 23:55 Uhr) lediglich mit rund zehn Minuten Werbung bestückt - mit Werbeanteilen von nur 11,1 und 10,1 Prozent kamen sie bei den Werbekunden schlechter weg als sämtliche anderen Abendausstrahlungen von RTL und ProSieben am Samstag
- deutlich freundlicher sah es dagegen für «Ich bin ein Star» im Januar aus, das samstags auf Werbeanteile von 18,5 bis 23,1 Prozent kam. Das Format hatte einst einen schlechten Ruf und verschreckte die Werbekunden trotz toller Werte, hat sein Image aber im Laufe der vergangenen Jahre merklich aufpolieren können
Das wichtigste Ergebnis zuerst: Im direkten Vergleich der beiden Privatsender ist ProSieben keineswegs der größere Werbesünder, was den durchschnittlichen Werbeanteil am Samstagabend angeht. An den 15 Abenden des Kalenderjahres, an denen beide Sender auf lange Show-Strecken setzten, übertraf der prozentuale Werbeanteil von RTL jenen von ProSieben zehnmal - zum Teil deutlich, zum Teil nur knapp. Durchaus üppig ist das Werbevolumen aber hüben wie drüben und liegt im Regelfall bei 20 bis 25 Prozent der Brutto-Zeit. Überdies ist es nicht unproblematisch, die Anteile beider Sender 1:1 zu vergleichen, denn während die Kölner meist zwischen 23 und 0 Uhr mit der Präsentation frischer Show-Angebote aufhören, gibt es bei den Kollegen aus Unterföhring nicht selten noch bis 0:30 Uhr oder gar 1 Uhr frische Inhalte zu sehen - wodurch der prozentuale Werbeanteil natürlich sinkt, da zu später Stunde kaum ein großer Werbepartner mehr allzu erpicht darauf ist, auf der Mattscheibe vertreten zu sein.
Dass aber eine frühere Ausstrahlung wiederum nicht zwangsläufig mit einem höheren Werbeanteil einhergehen muss, zeigt sich im direkten Vergleich der beiden traditionellen RTL-Showslots am Samstag. Diese lassen sich vereinfacht dergestalt zusammenfassen, dass um 20:15 Uhr ein Bohlen-Casting auf Sendung geht, das irgendwann zwischen 22:15 Uhr und 23:15 Uhr endet und von einem Einstünder («Take Me Out», «Willkommen bei Mario Barth» oder «Big Music Quiz») abgelöst wird. Die Annahme, dass der Bärenanteil an Werbeminuten bei der Suche nach dem neuesten Supersternchentalent anfällt, entspricht allerdings nicht den Tatsachen - ebenso wenig lässt sich aber auch ein konsistentes Mehr an Werbung in der Late-Prime herausarbeiten, zumindest nicht in Zeiten der immer währenden Suche nach neuen Talenten. Etwas anders verhielt es sich im Sommerprogramm, wo Buschis «The Wall» durchgängig mit geringeren Werbeanteilen (zwischen 21,0 und 23,9 Prozent) aufwartete als die anschließenden Shows (zwischen 24,1 und 26,2 Prozent).
Die größten Werbesünder: «Das Supertalent» geizt selten, Joko hat die längsten
Shows mit den höchsten Werbeanteilen
- «Beginner gegen Gewinner» (2 Folgen): 25,1%
- «Das Supertalent» (13): 24,8%
- «Ninja Warrior Germany» (5): 23,6%
Durchschnittlicher Werbeanteil an der Brutto-Sendezeit bei allen Samstagabend-Shows von RTL und ProSieben mit mindestens zwei Folgen.
Beim Blick auf die Primetime-Shows beider Sender, die in diesem Jahr an mindestens zwei Samstagabenden auf Sendung gingen, sticht diejenige besonders stark heraus, die mit immerhin noch rund vier Millionen Fernsehenden auch die höchsten Reichweiten erzielt: «Das Supertalent». Die 13 bereits ausgestrahlten Folgen der aktuellen Staffel kamen im Schnitt auf einen stattlichen Werbepausenanteil von 24,8 Prozent, in der Spitze wurde Ende Oktober sogar 27,7 Prozent der zweistündigen Brutto-Laufzeit mit Reklame vollgepumpt (also immerhin 33 Minuten). Deutlich zurückhaltender agierte man lediglich zum Staffelauftakt mit moderaten 21,2 Prozent - wohl in erster Linie, um sich die Rückanbindung des Publikums zu sichern, denn bis auf die eher auf ein älteres Publikum abzielende Oktoberfestshow «Dirndl! Fertig! Los!» im Ersten existierte an besagtem Abend keine nennenswerte Genre-Konkurrenz.
Bei «DSDS» agierte der Sender hingegen weit zurückhaltender bei der Platzierung von Werbeblöcken und kam an den 18 Samstagabenden nur auf einen gemittelten Werbeanteil von 21,7 Prozent. Das hängt vor allem mit den revitalisierten Liveshows am Ende der Staffel zusammen, in deren Zuge man teilweise bei weit mehr als drei Stunden Gesamt-Sendezeit gerade einmal rund eine halbe Stunde Werbung zeigte und so zwischenzeitlich auf nur noch auf einen Reklame-Anteil von 17 Prozent kam, während die quotenstarken und etablierten Castings zum Teil auf saftige 27 Prozent kamen.
Den höchsten Werbeanteil aller Primetime-Shows hat aber ProSieben vorzuweisen, das nicht etwa im Zuge seiner altgedienten Shows so richtig in die Vollen ging, sondern unbegreiflicherweise sein Publikum bei der Auftaktfolge von «Beginner gegen Gewinner» derart mit Unterbrechungen penetrierte, dass diese auch unsererseits als
regelrechte Tortur empfunden worden waren - was zum Einen daran lag, dass man schon in der ersten Dreiviertelstunde zwei lange Pausen einpflegte, doch auch der Gesamt-Werbeanteil von 28,3 Prozent fiel äußerst üppig aus. Bis Mitternacht bekamen die treuen Zuschauer somit mehr als eine Stunde reines Werbeunglück zu sehen. Üppig bestückt war auch die dritte «Die beste Show der Welt»-Ausgabe mit einem Anteil von 26,5 Prozent, davon abgesehen jedoch lagen die bekannten Formate stets unter der Marke von 23 Prozent - und damit auf einem durchaus moderaten Niveau.
Gefühlter Werbegraus bei realem Werbesegen: Das Paradoxon «Schlag den...»
Shows mit den niedrigsten Werbeanteilen
- «Schlag den Henssler» (2 Folgen): 18,4%
- «Schlag den Star» (4): 19,5%
- «Wollen wir wetten?!» (2): 20,1%
Durchschnittlicher Werbeanteil an der Brutto-Sendezeit bei allen Samstagabend-Shows von RTL und ProSieben mit mindestens zwei Folgen.
Eine große Überraschung tut sich dagegen auf, wenn man die beiden einzigen Primetime-Shows herausarbeitet, die im Schnitt weniger als ein Fünftel ihrer Sendezeit mit Werbung bestücken: Es sind tatsächlich «Schlag den Star» und «Schlag den Henssler» und damit ein Franchise, das mit am härtesten für seine vermeintliche Zügellosigkeit bei der Platzierung von Werbeunterbrechungen angegangen wird. Wie das sein kann? Einerseits zieht die Länge der Show den prozentualen Werbeanteil massiv nach unten, immerhin endeten nur zwei der bisherigen sechs Liveshows in diesem Kalenderjahr vor 1 Uhr nachts - und nach Mitternacht zeigt ProSieben traditionell kaum mehr Werbung, dafür in den ersten Stunden der Show deutlich mehr.
Darüber hinaus aber haben die Verantwortlichen des Senders im Laufe der vergangenen Jahre zunehmend Gefallen an Werbeformen gefunden, die als besonders "hart" und publikumsunfreundlich gelten: Diverse kurze statt weniger, aber dafür sehr langer Werbestrecken sorgen für häufigen Frust und machen es dem Zuschauer schwer, wirklich in das Format reinzufinden. Zudem sind Unterbrechungen innerhalb eines Spiels inzwischen längst kein No-Go mehr für die Programmverantwortlichen, erschweren allerdings das Seherlebnis zusätzlich. So lange die Quoten stimmen, kann ProSieben gegenüber potenziellen Werbepartnern stolz darauf verweisen, hiermit dem Zuschauer das allgegenwärtige Wegzappen während der Unterbrechungen deutlich zu erschweren, doch mittlerweile stimmen eben die Quoten immer häufiger nicht mehr. Und angesichts immer aggressiverer Strategien ist auch an dem Vorwurf etwas dran, dass die Sendeanstalt das unter Fernsehfreunden legendäre Live-Feeling wie zu besten «Schlag den Raab»-Zeiten kaum mehr zulässt - kaum kommt wirklich mal Spannung auf, schon nervt Elton gezwungenermaßen wieder mit seinem Gewinnspiel inklusive Krabbelgruppen-Frage und anschließender Werbepause.
Übrigens: Während «Schlag den Star» stets einen Werbeanteil zwischen 18,9 und 20,1 Prozent vorzuweisen hatte, ist der Nachfolger mit Steffen Henssler bislang für die beiden Extrema verantwortlich: Die brutto mehr als fünfstündige Auftaktfolge kam mit nur 45 Minuten Werbung aus, sodass der damit verbundene Werbeanteil von nur 14,8 Prozent der mit Abstand geringste sämtlicher Samstags-Primetime-Shows der beiden Sender im Jahr 2017 war, die zweite Ausgabe drehte dann massiv an der Werbeschraube, ging "nur" bis 0:35 Uhr, warb dafür aber gleich 59 Minuten lang - und kommt somit auf einen Anteil von 22,6 Prozent. Für sich genommen noch immer kein wirklich hoher Wert, doch aufgrund der unsanften Darbietungsform mit dem Holzhammer ein garantiertes Ärgernis bei Publikum und sogar Moderator. Bleibt also zu hoffen, dass man bei ProSiebenSat.1 wirklich einmal den Konsumenten verstanden hat - und in ihm nicht einmal mehr den übergewichtigen Armen sieht, dem nach dem Motto "Friss oder stirb!" zu begegnen ist.