Immer mehr TV-Serien ließen ihre Protagonisten in der jüngeren Vergangenheit die Schulbank drücken. Was hat es mit dem Highschool-Hype auf sich & was haben die Formate gemeinsam?
Hach ja, Schule. Die Erinnerung an die Schulzeit löst je nach Person ganz unterschiedliche Assoziationen und Gefühle aus. Jeder von uns hat die Schule besucht, für viele bedeutet die Schulzeit einerseits eine unbeschwerte Zeit, andererseits wurde sie begleitet vom Lernen, der Pubertät und Teenie-Sorgen. Auch wenn die Schulzeit objektiv betrachtet nicht die schönste Zeit des Lebens war, der Mensch ist stets geneigt, seine Vergangenheit nostalgisch zu verklären. Und tatsächlich entwickelte die Schulzeit doch ihren ganz eigenen Charme: Die stylischen College-Jacken, die rüpelhaften Sportler um den Quarterback der Football-Mannschaft, die epische, ins Chaos ausgeartete Hausparty und nicht zu vergessen der Abschlussball. Moment mal, mit dem deutschen Schulleben haben all diese Dinge doch überhaupt nichts gemein. Viel mehr stellen diese Facetten typische Klischees des Highschool-Genres dar, das sich über Jahrzehnte im Fernsehen manifestierte.
Die Highschool-Klassiker & ihre Themen
Die Klassiker unter den Highschool-Serien
«Degrassi Junior High» (1898-1991), CBC
«Beverly Hills, 90210» (1990-2000), Fox
«My So-Called Life» (1994-1995), ABC
«Dawson's Creek» (1998-2003), The WB
«Voll daneben, voll im Leben» (1999-2000), NBC
«One Tree Hill» (2003-2012), The WB, The CW
«Gossip Girl» (2007-2012), The CW
Run & Sender
Highschool-Serien verfügen fast über ein so hohes Alter wie das Fernsehen selbst, einige davon entwickelten sich im Laufe ihres Runs sogar zu echten Klassikern. Das erste richtige Hoch erfuhr das Genre jedoch in den 90er Jahren. «Beverly Hills, 90210» stellt dabei so etwas wie den Archetyp des modernen Highschool-Dramas dar, bediente jedoch auch die Extreme. Die Kinder der Superreichen mussten mit Essstörungen, Suiziden, Schwangerschaften, Abtreibungen, Antisemitismus, AIDS oder verletzten Tierrechten umgehen. Schon einige Jahre davor befasste sich «Degrassi Junior High» mit dem Leben einiger Schüler einer städtischen Highschool und rutschte einige Male in die Gangart von Seifenopern ab, als die Serie tragische Vorfälle darstellte, etwa Querschnittslähmungen der Basketballspieler oder Amokläufe, aber auch klassischere Highschool-Narrative wie Trennungen, endende Freundschaften oder die Sorge, ob man den Rest seines Lebens eine Jungfrau bleiben muss.
Auch einige Jahre später brach «My So-Called Life» einige Tabus und schaffte es trotzdem, innerhalb einer Staffel zum Klassiker zu avancieren. Die ABC-Serie mit Claire Danes und Jared Leto behandelte etwa Homophobie und Obdachlosigkeit unter Teenagern. Auf ebenfalls nur eine Staffel, allerdings auf eine, die in der Zwischenzeit zum Kult reifte, blickt «Voll daneben, voll im Leben» (im engl. Original: «Freaks and Geeks») zurück. Die Serie, für die unter anderem Judd Apatow schrieb und die Stars wie Seth Rogen, James Franco oder Jason Segel schuf, fing den Highschool-Geist wohl am besten ein, sorgte für einige Lacher, aber auch für schmerzhafte Erinnerungen an die eigenen, rückblickend unangenehmen Verhaltensweisen in der Schulzeit. Letztlich hatte «Freaks and Geeks» viel gemeinsam mit den klassischen Erfahrungen in der Schulzeit: Sie bringt dich zum Lachen, versetzt dir einige Schläge in die Magengrube, aber sobald sie zu Ende ist, hat man das Gefühl, sie endete viel zu früh.
Philosophischer ging es ein Jahr vor «Freaks and Geeks» mit den Figuren von «Dawson’s Creek» bei The WB zu. Kurzweilig unterhaltende Vorfälle wie Affären mit Lehrern, Übernachtungen bei Schulkameraden und Affären mit der Ex des besten Freundes standen genauso an der Tagesordnung wie reichlich Teenie-Depressionen und Herzschmerz. The WB, aus dem später The CW hervorging, tat sich in Sachen Highschool-Serien wohl am meisten hervor und adaptierte ab 2008 beispielsweise «Beverly Hills, 90210». Obwohl bei «Veronica Mars», «Smallville», «The Vampire Diaries» oder «Gilmore Girls» Highschool-Erfahrungen nicht im Zentrum standen, gewährten alle Formate einen Blick auf das US-Schulleben. Deutlich mehr in die Tiefe gingen unterdessen «Gossip Girl» (Foto) um die reichen und schönen Kids der Upper-East Side in New York und deren Prada-Kleider, exklusiven Parties – und Gerichtsverfahren, Überdosen und Morddrohungen. «One Tree Hill» wandelte sich einige Jahre zuvor beim gleichen Sender von einem Format um Teenager und Basketball zu einer Coming-of-Age-Geschichte zweier Halbbrüder, die um das selbe Mädchen kämpfen.
Die nächste Generation der Highschool-Serien
Die jüngsten Hits unter den Highschool-Serien
«Glee» (2009-2015), FOX
«Pretty Little Liars» (2010-2017), ABC Family, Freeform
«Awkward» (2011-2016), MTV
«Teen Wolf» (seit 2011), MTV
«Riverdale» (seit 2017), The CW
«13 Reasons Why» (seit 2017), Netflix
«Atypical» (seit 2017), Netflix
«American Vandal» (seit 2017), NetflixZugegeben, mit der rasant steigenden Anzahl fiktionaler Serien, wirkt es zunächst logisch, dass auch immer mehr Highschool-Serien den Markt fluten. Während das Highschool-Leben in einigen genannten Formaten jedoch nur einen Randaspekt darstellte, das Formaten ein Setting verlieh, scheinen das eigentliche US-Schulleben und dessen Eigenarten immer mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Die vergangenen Jahre brachten Fans des Genres Formate wie FOX‘ «Glee», MTVs «Awkward» und «Teen Wolf», The CWs «Riverdale», mit «13 Reasons Why», «Atypical» und «American Vandal» gleich drei neue Netflix-Formate im Jahr 2017 und ABC Familys «Pretty Little Liars» – um nur die bekanntesten Genrevertreter zu nennen.
Die genannten Formate erreichten dabei zuweilen eine erstaunliche Popularität. Das kürzlich beendete «Pretty Little Liars» rangierte unter den Top 50 der Formate mit den meisten Facebook-Likes, obwohl das Format nur auf einem kleinen Sender im US-Kabelfernsehen lief. Unterdessen entwickelte sich Netflix «13 Reasons Why» vielleicht zur größten Serien-Überraschung des Jahres und zog ein ungemein hohes Medieninteresse nach sich. Warum werden Highschool-Serien, ein Subgenre der Teen-Dramas, immer beliebter?
Extrem & Larger-than-Life: Die Schule ist nicht genug
Man könnte meinen, der Grund für die steigende Popularität der zu großen Teilen in Highschools verorteten Serien, liegt in der Nostalgie, in der Zuschauer bei der Ansicht schwelgen können. Wirft man jedoch einen genauen Blick auf die Themen und Geschichten der Formate, das sollte bei der vorangegangen Beschreibung einiger Genrevertreter ersichtlich geworden sein, bedienen bekannte Highschool-Serien in den seltensten Fällen Geschichten, die einen Vergleich mit der eigenen Schulvergangenheit zulassen. Highschool-Serien sind meist zu soapy und widmen sich den Extremen.
Anderer Meinung? Blicken wir auf die Formate der jüngeren Vergangenheit: Lediglich «Glee» bildete Highschool wohl einigermaßen authentisch ab und verstrickte sich nicht in hanebüchene Entwicklungen oder schwer vorstellbare, schockierende Wendungen. «Awkward» machte unterdessen seinem Namen alle Ehre und enthielt eine unrealistische Unzahl an Fettnäpfchen und Peinlichkeiten für seine Hauptfigur, «Teen Wolf» handelt von einem, nun ja, Teenie-Werwolf, «Riverdale» von einer Gruppe viel zu hübscher und talentierter Schüler, die das Geheimnis um den Mord an einem Mitschüler aufzudecken versuchen. Im Netflix-Trio «13 Reasons Why», «Atypical» und «American Vandal» finden sich ein Mobbing- und Suizid-Drama, die Leidensgeschichte eines autistischen Jungen und eine Satire über einen Problemschüler, der mehrere Dutzend Autos mit Graffiti-Penissen verschandelt haben soll. Fangen wir mit «Pretty Little Liars», dem beliebtesten der Formate, gar nicht erst an. Zuschauer, die mit der Serie bekannt sind, werden wissen, wie haarsträubend viele Geschichten im Zuge der sieben Serien-Staffeln daherkamen.
Pause von der Realität
Der Grund für den Erfolg des Genres liegt also nicht an der Authentizität der Formate, die Zuschauer Nostalgie-Gefühle beschert, sondern wohl am ungemein hohen Eskapismus-Faktor. Highschool-Serien und Teen-Dramen verschreiben sich nicht bloß der gleichen Machart und ähnlichen Geschichten wie in Seifenopern, sondern liegen aufgrund der klischeebehafteten Highschool-Kultur und der oft weltfremden und überzeichneten Charaktere häufig noch weiter von der Lebenswirklichkeit entfernt als andere Drama-Serien. Fernsehen kennzeichnet nach wie vor einen Ort, wo Zuschauer Orte erkunden, die so gar nichts mit dem eigenen Leben zu tun haben. Das wollen viele Fernsehende nicht missen und ist dies doch der Fall und die Serie authentisch, wie beispielsweise «Voll daneben, voll im Leben», kann die Serie im schlimmsten Fall eine rasche Absetzung ereilen.
Obwohl die Geschichten in Highschool-Serien häufig so gar nichts mit dem realen Leben gemein haben, greifen die Formate aber doch häufig auf die gleichen Klischees zurück und ähneln sich so stark im Setting. Dies äußert sich etwa in den Figuren – dem fiesen Lehrer, den arroganten Sportlern, dem gehänselten Nerd oder den weiblichen, unnahbaren Schulschönheiten. Oder aber an den Schauplätzen – den Spind-Reihen im Schulflur, dem Footballfeld oder der Basketballhalle, den lichtdurchfluteten Klassenräumen oder der Schulmensa. Obwohl Figurentypen und Schauplätze dem Publikum also bekannt sind, wollen Highschool-Serien mit zwischenmenschlichen Entwicklungen überraschen und entzücken und damit vom echten Leben bestmöglich ablenken. Die wirklich wichtigen, komplexen Themen des Alltagslebens oder der Lage der Welt können Zuschauer dabei hintenanstellen. Und sich stattdessen der Frage stellen, ob Veronica Lodge und Archie Andrews in «Riverdale» sich wirklich nach dem Flaschendrehen im Kleiderschrank geküsst haben. In turbulenten Zeiten wie diesen sind Highschool-Serien deshalb also gefragt wie nie.