Die Netflix-Exklusivfilme hinkten 2017 weiterhin in Sachen Rezeption den Netflix-Originalserien hinterher.
Weitere Netflix-Filme des Jahres 2017
- «The Discovery», Sci-Fi mit Jason Segel, Rooney Mara und Robert Redford (43% bei Rottentomatoes, 6,3 Punkte bei IMDb)
- «Death Note», Horror-Film mit Willem Dafoe (40%, 4,6 Punkte)
- «Sandy Wexler», Komödie mit Adam Sandler, Jennifer Hudson und Kevin James (32%, 5,1 Punkte)
- «War Machine», Kriegssatire mit Brad Pitt (54%, 6,1 Punkte)
Netflix hat ein Problem. Vielleicht ist es für den Video-on-Demand-Anbieter ein Luxusproblem, auffällig bleibt es dennoch: Der Medienriese aus den USA ist mit seinen Exklusivserien deutlich stärker aufgestellt als mit seinen Originalfilmen. Während die Netflix-Serien bei den großen Branchenpreisen mitmischen und einige von ihnen die popkulturelle Debatte mitbestimmen, müssen Netflix-Filme noch immer den Vergleich mit klassischer Kinoware scheuen. Bisher wurde nicht ein einziger fiktionaler Netflix-Film für einen Oscar oder Golden Globe nominiert,
während Konkurrent Amazon sogar schon Preise für seine filmischen Eigenproduktionen einheimste. Und im Gegensatz zu den meisten Netflix-Serien sorgen die Filme kaum für digitales Echo.
So regte die aufgrund mangelnder Resonanz nach nur einer Staffel eingestellte Dramaserie «Gypsy» über 8.500 IMDb-User dazu an, eine Bewertung zu hinterlassen – eine überschaubare Beteiligung, die von mehreren Netflix-Filmen klar unterboten wird. So machten sich weniger als 2.200 Nutzerinnen und Nutzer des Portals die Mühe, eine Stimme für das mit Oscar-Preisträgerin Melissa Leo besetzte Drama «Amerikas meistgehasste Frau» zu hinterlassen, und Angelina Jolies «Der weite Weg der Hoffnung» kam beispielsweite auf etwas mehr als 4.900 Stimmen. Wenn also schon Netflix-Filme mit namhaften Beteiligten weniger Resonanz generieren als ein erklärter Serienflop aus dem Hause Netflix, so ist wohl was faul im Staate Los Gatos.
Gewiss, zahlreiche Netflix-Filme nehmen auch locker die Hürde von über 10.000 Votes, dessen ungeachtet fallen das mediale Echo sowie das Publikumsecho der Filmproduktionen geringer aus als bei den Netflix-Serien. Was vielleicht auch am Stigma liegt, das ihnen anhaftet: Während Netflix bei Serienfans einen guten Ruf genießt, rümpfen nicht wenige Filmliebhaber über den VOD-Anbieter die Nase –
so sehr, dass die Aufführung eines Netflix-Films während der Filmfestspiele in Cannes mit Buh-Rufen begrüßt wurde. Und womöglich steckt mehr dahinter als ein reines Vorurteil.
Medienanalyst Stephen Follows
errechnete im Frühjahr 2017, dass Netflix-Originalfilme bei IMDb mit 6,1 Punkten eine schwächere Durchschnittsbewertung erhalten als 'normale' Filme, die im Mittel auf 6,5 Punkte kommen. Rechnerisch ein überschaubarer Unterschied, bei IMDb liegen dazwischen aber Welten.
Vielleicht erklärt die kühle Rezeption auf Netflix-Filme, weshalb der VOD-Anbieter auf Filmfestivals zu einem aggressiven Lizenzkäufer von dort stark aufgenommenen Indie-Produktionen mutiert ist – fahren doch auch angesehene Labels wie Fox Searchlight und A24 diese Taktik. Mit diesem Vorgehen sicherte sich Netflix dieses Jahr unter anderem den auf Sundance preisgekrönten «Fremd in der Welt» (7,0 Punkte bei IMDb, 88% bei Rottentomatoes). Außerdem sicherte sich Netflix im April 2017, einige Monate nach seiner Fertigstellung, die weltweiten Rechte am neuen Film des Indie-Darlings Noah Baumbach – «The Meyerowitz Stories». Mit 93 Prozent bei Rottentomatoes holte der Film eine tolle Kritikerresonanz und mit 7,1 Punkten liegt er bei IMDb deutlich über dem Netflix-Schnitt. Ein weiterer Prestigeversuch war das Bulimiedrama «To The Bone» mit Lily Collins und Keanu Reeves, doch hier fiel die Rezeption zwiegespalten aus: Zwischen harschen Kritiken und hohem Lob reichte es letztlich für vorzeigbare, aber nicht überragende 69 Prozent bei Rottentomatoes sowie zu 6,9 Punkten bei IMDb.
Mit 7,4 Punkten bei IMDb (bei annähernd 50.000 Votes) und einem intensiven Presseecho ist jedoch das streitbare Highlight des Netflix-Filmjahres «Okja». Der neue Film von Bong Joon-ho wurde für mehrere Kritikerpreise nominiert,
ließ die Debatte darüber hochkochen, wie bedauerlich es ist, dass Netflix seine Filme relativ unzeremoniell auf den Markt knallt, während ausgewählte Serien vom VOD-Anbieter mit intensiver Werbekampagne begleitet werden und brachte es auf 86 Prozent bei Rottentomatoes. Zudem inspirierte die Freundschaftsgeschichte zwischen Mensch und Tier einen mittelgroßen Diskurs über ihr Genre: Ist sie ein Abenteuer, ein Actionfilm, Horror, ein modernes Märchen? Ist es für Familien gedacht oder eher kinderungeeignet? Das Internet hat genügend Essays zu diesem Thema zu bieten …
Das Jahr endete für Netflix wiederum mit einem weiteren Rückschlag: Der von «Suicide Squad»-Regisseur David Ayer inszenierte Fantasy-Polizeiactioner «Bright» mit Will Smith in der Hauptrolle wurde Ende Dezember von gepfefferten Verrissen begleitet. Die 30 Prozent bei Rottentomatoes wurden jedoch durch zum Schulternzucken einladende 6,5 Punkte bei IMDb aufgewogen. Eine Fortsetzung wurde bereits vor Filmveröffentlichung in Auftrag gegeben. Dennoch wurde ein Miniskandal hinterhergeworfen: Ein rund 60-köpfiges Effekt-Make-up-Team, das maßgeblich für den Look des Films mitverantwortlich war, wurde im Abspann ausgelassen – sehr unprofessionell …
Eine mögliche Erklärung, weshalb Netflix bei Filmen, von einzelnen Prestigeprojekten und -erwerbungen wie «Okja» oder «Fremd in der Welt» abgesehen, weniger Ambitionen zeigt als im Seriensektor: Als monatlich bei seiner Kundschaft abrechnender Dienst braucht Netflix dringender qualitativ hochwertige Serien als Einzelfilme.
Wer zu Monatswechsel noch drei angebrochene Netflix-Exklusivserien in seiner Liste stehen hat, kommt nicht so schnell auf die Idee, sein Abo zu kündigen, weil ja noch die ausstehenden Folgen geguckt werden wollen. Wer noch drei Filme in der Netflix-Liste geparkt hat, lässt sich von seinem Kontostand eher dazu umstimmen, die bislang unbekannten Geschichten einfach unbekannt bleiben zu lassen. Und die besagten, angefangenen Erzählungen üben dann, wenn eine neue Staffel ansteht, erneut eine verlockende Wirkung aus: Na gut, bleibt das Abo halt bestehen, man muss ja rausfinden, was noch alles passiert. Ein neuer Netflix-Film von rund zwei Stunden kann dagegen nur schwer ganz allein zweifelnde Kundschaft am Ball behalten. Doch ob das diese Nachlässigkeit in Sachen Qualität rechtfertigt ..?