Auch in seiner vierten Zusammenarbeit mit Regisseur Jaume-Collet Serra muss sich Liam Neeson wieder einer gewaltigen Verschwörung stellen. Im Actionthriller «The Commuter» ist ein Pendlerzug der Austragungsort eines gefährlichen Katz-und-Maus-Spiels
Filmfacts: «The Commuter»
- Kinostart: 11. Januar 2018
- Genre: Action/Thriller
- FSK: 12
- Laufzeit: 104 Min.
- Kamera: Paul Cameron
- Musik: Roque Baños
- Buch: Byron Willinger, Philip de Blasi, Ryan Engle
- Regie: Jaume Collet-Serra
- Schauspieler: Liam Neeson, Vera Farmiga, Patrick Wilson, Jonathan Banks, Sam Neil
- OT: The Commuter (UK/USA 2018)
Seit seinem neu eingeschlagenen, zweiten Karriereweg als Actionheld, hat Liam Neeson bereits dreimal mit Regisseur Jaume Collet-Serra zusammengearbeitet. Sowohl in «Unknown Identity», als auch für den Flugzeug-Thriller «Non-Stop» und „Run All Night“ hat sich der 65-jährige Oscar-Preisträger (1994 für «Schindlers Liste») als Idealbesetzung für die kernigen Adventures des gebürtigen Spaniers erwiesen, der seit 2005 einen kurzweiligen Blockbuster nach dem anderen dreht und damit immer eine Mindestanforderung an Entertainmentqualität, Ausstattung und Inszenierung erfüllt. Auch an den Kinokassen konnte sich die Schauspieler-Regisseur-Kollaboration immer sehen lassen: Spielte «Unknown Identity» bei einem Budget von 30 Millionen US-Dollar weltweit über 130 wieder ein, konnte «Non-Stop» sogar 222 Millionen Dollar (bei Produktionskosten von 50 Millionen) verbuchen. Der schwächste Vertreter – «Run All Night» – brachte es immerhin noch auf 71 Millionen US-Dollar im Vergleich zu einem 50-Millionen-Dollar-Budget. Collet-Serras letzter Film, der Hai-Thriller «The Shallows», wurde von der Kritik zwar durchaus skeptisch aufgenommen, seinem neuesten Projekt «The Commuter» – einer Art „«Non-Stop» im Pendlerzug“ – sollte die zwiespältige Resonanz aufgrund erneuter, achtbarer Kassenerfolge allerdings nicht im Wege stehen.
Und so nimmt sich der Regisseur einmal mehr seinen Lieblingsakteur, steckt ihn in ein bewährtes Szenario und heraus kommt ein nach bekannten Mechanismen des Genres funktionierender, aber erneut sehr unterhaltsamer Verschwörungsthriller, bei dem einem vieles bekannt vorkommt, was aufgrund der routinierten Inszenierung aber nur bedingt stört.
Bis zur nächsten Haltestelle
Seit 10 Jahren pendelt der Versicherungsmakler Michael MacCauley (Liam Neeson) jeden Tag aus seinem beschaulichen Vorort nach Manhattan und zurück. Doch als er nach einem harten Tag mal wieder in den ewig gleichen Zug einsteigt, ist alles anders. Die Fremde Joanna (Vera Farmiga) setzt sich zu ihm und verspricht ihm eine hohe Belohnung, wenn er für sie einen ganz bestimmten Passagier findet, der etwas sehr Wertvolles zu transportieren scheint. Michael erhält nur zwei Hinweise: Einen falschen Namen und den Zielbahnhof des Unbekannten. Als er zögert, macht Joanna ihm unmissverständlich klar: Sie hat nicht nur das Leben der Passagiere in ihrer Hand, sondern auch das von Michaels Familie. Michael ist Teil einer kriminellen Verschwörung geworden. Er kann nur mitspielen, oder einen Ausweg finden – und ihm bleibt nur eine Stunde Zeit.
Man muss gar nicht lang drumherum reden: Würde man die Drehbücher zu «Non-Stop» und «The Commuter» übereinander legen, würde man gerade innerhalb der ersten Hälfte beachtliche dramaturgische Überschneidungen feststellen. Mit 106 gegen 104 Minuten, sind die beiden Filme sogar fast gleich lang; Collet-Serra kann also nicht verschleiern, hier mit einer ganz ähnlichen Motivation an die Inszenierung herangegangen zu sein, zumal auch bei den Drehbuchautoren zu Wiederholungstätern gegriffen wird. Als Nachfolgewerk von «Non-Stop» schreit im Falle von «The Commuter» nun alles nach Abklatsch; und ein klein wenig bestätigt sich dieser Eindruck auch, denn erst in der zweiten Hälfte löst man sich ein wenig vom Trott des vermeintlichen Vorbilds.
Gleichzeitig besitzt der Genrespezialist Collet-Serra aber eine solche Routine im Schaffen von Suspense und einnehmender Atmosphäre, dass selbst ein eher abgegriffenes Ausgangsszenario immer noch von Grund auf spannend ist. Und zu guter Letzt greift der Regisseur auch nicht umsonst auf seinen liebsten Hauptdarsteller Liam Neeson zurück, der jede Szene noch einmal aufwertet, selbst wenn er auf die Rolle des knorrigen Ex-Cops (und Versicherungsmaklers!) mittlerweile ein Abo hat und der Kontrast zwischen den schießwütigen Eskapaden des Schauspielers und seinem gesetzten Alter kaum noch für Irritation und Eindruck sorgt.
Bewährte Mittel für bewährte Spannung
Auch auf Nebendarstellerseite begrüßt Jaume Collet-Serra alte Bekannte: Vera Farmiga und Patrick Wilson, die sich beide aus den «The Conjuring»-Filmen kennen, mimten schon im Horrordrama «Orphan – Das Waisenkind» ein Ehepaar, sind in «The Commuter» nun allerdings unabhängig voneinander zu sehen; gibt Farmiga die geheimnisumwitterte Fremde, die dem Protagonisten Michael ein verlockendes, wenngleich nicht minder zwielichtiges Angebot macht, gefällt Patrick Wilson als Michaels bester Kumpel, der ihm nach einer plötzlichen Kündigung mit Rat und Tat zur Seite steht. Die beiden sind dann auch direkt die einzigen Figuren, die einen Hauch von Charakterzeichnung besitzen. Der Rest des Casts ist Mittel zum Zweck in einem Katz-und-Maus-Spiel, das sich ohnehin voll und ganz auf Liam Neeson konzentriert. Auch wenn sich der Figurentypus der von ihm verkörperten Rollen immer häufiger ähnelt, bleibt es Neesons Paradedisziplin, dem abgewrackten Haudegen Sympathien und Zerbrechlichkeit zuzugestehen.
Das ist auch in «The Commuter» nicht anders, doch so solide der Schauspieler in seiner Paraderolle aufgeht, so selbstverständlich fungiert er hier als Identifikationsfigur – denn ob man all das Gezeigte schon mal gesehen hat oder nicht, spielt im Anbetracht der Inszenierung letztlich nur sekundär eine Rolle. Funktionieren tut es allemal; vor allem, weil Collet-Serra in der zweiten Hälfte mit ein paar netten Plottwists aufwartet, das ganze Szenario stimmig auflöst und auch die Liebhaber krachender Action halbwegs zufriedenstellen kann.
Es ist schon erstaunlich, wie sich Jaume Collet-Serra selbst in technischen Details treu bleibt: Waren in seinen bisherigen Filmen vor allem die Trickeffekte ein Problem (man denke nur an den brennenden Hai in «The Shallows» oder den lieblos animierten Flugzeugabsturz in «Non-Stop»), ist auch das einer der größten Kritikpunkte an «The Commuter». Kameramann Paul Cameron («Pirates of the Carribean: Salazars Rache») sorgt innerhalb des in der ersten Stunde dominierenden Kammerspiels zwar für beklemmende Hochglanzbilder und nutzt das alleinige Setting des Zuges optimal aus; Editor Nicolas De Toth («True Story – Spiel um Macht») sorgt mithilfe betont fließender Übergänge für zusätzliche Eleganz. Doch sobald Trickeffekte aus dem Computer stammen, verliert «The Commuter» schnell an Flair. Was in «Non-Stop» der Flugzeugabsturz war, ist hier ein optisch missratenes Zugunglück.
Dafür lassen einige bereits im Trailer angekündigte Actionszenen außerhalb des Zuges den Puls des Zuschauers punktuell ordentlich in die Höhe schnellen, doch so richtig stark geraten im Film vor allem die Nahkampfszenen zwischen Neeson und seinen Widersachern. Je weiter «The Commuter» voranschreitet, desto adrenalingeladener präsentiert sich der Film, was der Geschichte selbst nicht immer guttut. Besonders in der Anfangsphase, die sich in erster Linie mit dem von Vera Farmiga gestellten Rätsel befasst, funktioniert der Verschwörungsgedanke am besten.
Fazit
Nicht innovativ, aber effektiv – Mit «The Commuter» setzt Jaume Collet-Serra die Konstanz innerhalb seiner Arbeit fort und liefert einen zwar weitgehend generischen, dafür unterhaltsamen Actionthriller mit einem charismatisch aufspielenden Liam Neeson, einigen hübschen Twists, diversen falschen Fährten und einer chicen Optik.
«The Commuter» ist ab dem 11. Januar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.