Liebe Nerds, so entschädigt «Young Sheldon» für die Fehler «The Big Bang Theorys»

«The Big Bang Theory» zählt zu den beliebtesten Serien aller Zeiten, echte Nerds können die Serie jedoch nicht ausstehen. Warum das Spin-Off «Young Sheldon» die bessere Serie darstellt.

So erfolgreich ist «The Big Bang Theory»

  • Awards (insgesamt): 54
  • Nominierungen (insgesamt) 216
  • Golden Globes: 1
  • Primetime Emmy Awards: 9
  • People's Choice Awards: 10
  • Durchschnittliche Reichweite (Staffel 10): 18,99 Mio.
  • Durchschnittlicher Marktanteil (18-49, Staffel 10): 19 Prozent
Den außerordentlichen Erfolg kann «The Big Bang Theory» keiner absprechen. Nicht nur in den USA kennzeichnet das CBS-Format um die Nerd-Wohngemeinschaft das erfolgreichste Comedy-Format der vergangenen Jahre, auch in Deutschland findet die Warner Bros.-Produktion großen Anklang und steht an der Spitze der populärsten Serien im Fernsehen. Serienschöpfer Chuck Lorre, der bereits mit «Two and a Half Men» einen Mega-Erfolg für CBS erdachte, traf mit dem Format einen Nerv, als sich der Typus Nerd gerade in der Popkultur manifestiert hatte. Mit «The Big Bang Theory» rückte Lorre die Sonderlinge, die zwar in Spezialinteressen bewandert sind, in Sachen sozialer Kompetenz aber oft gewaltig hinterherhängen, ins Zentrum einer eigenen Serie, die ihren Erfolg aus der charmanten Eigentümlichkeit seiner Protagonisten ziehen sollte.

Mittlerweile elf Staffeln und zahlreiche Quotenrekorde zeigen, dass die Rechnung aufgegangen ist und das Format es geschafft hat, eine für Fernsehmacher fast schon mythische Kreatur mit der Serie zu ködern: Den herkömmlichen Zielgruppen-Zuschauer, der scheinbar herzhaft über die Eskapaden von Sheldon, Leonard und Co. lachen kann. Im vergangenen Herbst zog «The Big Bang Theory» mit «Young Sheldon» sogar das erste Spin-Off nach sich, das jüngst auch hierzulande startete.

Warum Nerds «The Big Bang Theory» nicht ausstehen können


Doch «The Big Bang Theory» hat nicht nur leidenschaftliche Fans, sondern auch leidenschaftliche Feinde. Ironischerweise finden sich diese ausgerechnet in ‚echten‘ Nerds. Mit der steigenden Popularität des Begriffs Nerd stieg nach der Jahrtausendwende auch die Anzahl an Personen rasant, die sich mit dem Begriff identifizieren. Und die Nerd-Kultur fühlt sich durch Thai-Food essende Physiker, die an White Boards Formeln aufkritzeln und dabei mit Comicbuch-Referenzen um sich schmeißen nicht adäquat repräsentiert. Oft sind es nur Details, die wirklichen Nerds aufstoßen, weil diese zu unsauber recherchiert sind, sich unecht anfühlen oder für unwissende Zuschauer schmerzhaft übererklärt werden. Andere Darstellungen sorgen aber sogar für Wut.

Der Unmut mancher Zuschauer geht sogar so weit, die Inszenierung des Typus Nerd in «The Big Bang Theory» mit dem als rassistisch angeprangerten Blackfacing zu vergleichen, bei dem sich Menschen weißer Hautfarbe dunkel schminken, um dadurch, meist unter der Zurschaustellung von Stereotypen, Lacher zu generieren. Äquivalent dazu behandle «The Big Bang Theory» die Nerd-Kultur als lachhafte Ansammlung an Klischees, während viele Leute selbige tatsächlich als integralen Teil ihres Lebens ansehen. «The Big Bang Theory» mache nicht Nerd-Themen zum Mittelpunkt seiner Witze, wie es etwa «Community» oder «South Park» schaffte, sondern Nerds selbst, so die Kritik vieler Beobachter.

Einigen geht der Vergleich zum Blackfacing vielleicht zu weit, doch man stelle sich den Shitstorm vor, den eine Serie über eine von Afroamerikanern geprägte Subkultur auslösen wurde, die von dem bloß auf massentaugliche Formelhaftigkeit bemühten Chuck Lorre stammt. Würde die Öffentlichkeit ähnlich unsensible Darstellungen von Autoren, die sich zugunsten von schnellen Lachern kaum um die Lebenswirklichkeit ihrer Protagonisten scheren, in diesem Fall durchgehen lassen? Unwahrscheinlich. «The Big Bang Theory» macht sich neben Nerds auch über ganz andere Stereotype auf fragwürdige Weise lustig. Über indische Einwanderer (Charakter Raj), über antiquierte jüdische Klischees (Howard) und über Autisten (Sheldon), wie kritische Beobachter schon häufiger bemängelten.

Manche Kritiker gehen sogar noch einen Schritt weiter und verweisen auf die häufig harte Kindheit von Sonderlingen, die heute in Grundschule oder weiterführender Schule wohl neudeutsch als Nerds bezeichnet würden. Diese Kinder, die häufig dem Mobbing ihrer Mitschüler zum Opfer fielen, könnten sich gut und gerne zu den Personen entwickelt haben, die «The Big Bang Theory» in den Mittelpunkt rückt. Ist «The Big Bang Theory» daher eventuell sogar eine Serie, die genau diese Schulrüpel von damals ansprechen soll, damit diese sich noch einmal lustig machen können?

Wie «Young Sheldon» die Verfehlungen von «The Big Bang Theory» wiedergutmacht


Zwischenbilanz von «Young Sheldon» (USA)

  • Episodenzahl (Stand 17. Januar): 11
  • Höchste Reichweite: 17,21 Millionen (25. September 2017)
  • Niedrigste Reichweite: 11,32 Millionen (21. Dezember 2017)
  • Durchschnittliche Reichweite: 13,03 Millionen
  • Durchschnittliche Quote: 9 Prozent
Zuschauer ab 2 / Quote 18-49
Dass der einzige Golden Globe, den «The Big Bang Theory» bislang gewann, an Sheldon Cooper-Darsteller Jim Parsons ging, ist zumindest dahingehend gerechtfertigt, dass der Schauspieler es schaffte, die gleichen Gags über mehr als hundert Episoden irgendwie so auszuführen, dass den Zuschauern die Einfallslosigkeit darin gar nicht auffällt. Sein Charakter Sheldon, der sich zur mit Abstand populärsten Figur der Serie entwickelt hat, erhielt im vergangenen Herbst schließlich auch das erste «The Big Bang Theory»-Spin-Off, von dem sich CBS langfristig erhofft, das vermutlich bald endende Mutterformat quotentechnisch einigermaßen gleichwertig zu ersetzen.

Die ersten Zahlen des Serien-Ablegers, der zu Beginn des Jahres auch in Deutschland startete, lesen sich zwar vielversprechend, noch kommen die Zahlen aber an das Original nicht heran. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass «Young Sheldon», welches die Kindheit von Sheldon Cooper behandelt, das um Welten bessere Format darstellt. Das kommt auch daher, dass «Young Sheldon» nicht allzu viel mit «The Big Bang Theory» gemein hat und ein Publikum verdient, das über die Fanbase der Nerd-WG hinausgeht. Und obwohl «Young Sheldon» die düsterere, emotionalere Serie darstellt, kennzeichnet sie auch die lustigere der beiden.

Natürlich, die Gagdichte in «The Big Bang Theory», einer Sitcom durch und durch, liegt weitaus höher. Die Witze in «Young Sheldon» werden aber sauberer gesetzt, sind weniger beleidigend und entfalten eine stärkere Wirkung aufgrund der Tatsache, dass sie im emotionalen Herzschlag der jeweiligen Szenen verankert sind. Ein Fehler, den «The Big Bang Theory» häufig begeht, besteht darin, aus Szenen fast zwanghaft Lacher herauszuziehen, egal in welche Richtung die Geschichte der Figuren gerade gelenkt wird. Geht es den Charakteren gut oder schlecht? Egal, wen interessiert, was vor sich geht, Hauptsache die Leute lachen! Diesen Fehler muss sich «Young Sheldon» keineswegs vorwerfen lassen.

Eigentlich müsste es verwundern, dass «Young Sheldon», welches in den USA montags zunächst auf «The Big Bang Theory» folgte, so viele Zuschauer seines Mutterformats halten kann, denn eigentlich stellt erstgenannte Serie die Antithesis zu letzterer dar. «The Big Bang Theory» verschreibt sich der Maxime nicht immer lustig sein zu müssen, sondern aufgrund einer hohen Dichte an Punchlines und eingespielter Lacher nur so wirken zu müssen. Unterdessen überzeugt «Young Sheldon» mit einer altbewährten Mischung aus Humor und Herz, erfordert die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer und bietet emotionale Momente, die immer öfter in geschmackvollem Humor kulminieren. Und trotzdem ist «Young Sheldon» auch als Kind schon ein Sonderling und entdeckt allmählich die (Nerd-)Themen, die ihn bis ins Erwachsenenalter beschäftigen zu scheinen, ohne dass Klischees bemüht werden. Liebe Nerds, aus «The Big Bang Theory» könnte also doch noch ein Format entstanden sein, in dem ihr euch wiederfindet und über das ihr lachen könnt!
18.01.2018 11:04 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/98391