Wenn eine Fast-Food-Kette ihr Angebot vorstellt und die Hauptfigur das Label seiner Getränkeflasche in die Kamera hält …
Produktplatzierungen in Filmen und Serien sind ein notwendiges Übel und daher nicht vollauf zu verurteilen. So, nun habe ich bereits die puristischsten Seelen in meiner Leserschaft vergrault. Klasse, dann kann ich ja nuanciert über diese im Volksmund nicht ganz zutreffend "Schleichwerbung" genannte Masche argumentieren. Statt andauernd das über-idealistische "Aber Filme sollten nie, nie, nie an das Finanzielle denken"-Argument fallen zu lassen, mit dem die Kinowelt wohl nie solche filmische Unterhaltungsgiganten wie die James-Bond-Reihe (endlose Produkte), «Paddington» (Oreos) oder «E.T.» (Reese's Pieces) zu Gesicht bekommen hätte.
Damit sind wir schon bei Punkt eins der wohl nie enden wollenden Debatte über Produktplatzierungen angelangt: Nur, weil eine Firma Geld gezahlt hat, damit ihre Produkte in einem Film zu sehen sind, und nicht die Produkte anderer Hersteller, wird eine Serien- oder Kinoproduktion nicht automatisch schlecht. Ob E.T. eine Spur aus Reese's Pieces, Skittles oder Snickers-Riegeln gelegt bekommt, ändert am Filmgenuss nichts. Doch wenn eine solche Partnerschaft zwischen Filmschaffenden und Externen darauf hinausläuft, dass sich der Film besser finanzieren lässt, hat
das Einfluss auf unser Seherlebnis. Was uns zu Erkenntnis Nummer zwei bringt: Subtile Produktplatzierung ist lobenswert.
Wenn in einer Filmsituation eh irgendein Produkt einer bestimmten Gattung genutzt werden muss, und durch einen Werbedeal die Wahl auf ein bestimmtes Produkt fiel, stört es nicht den Erzählfluss der Story. Ob Jason Statham in «The Transporter» nun einen Audi, einen BMW oder einen Ford fährt, ist für uns im Publikum erstmal irrelevant. Und so reißt uns die stattfindende Produktplatzierung nicht aus dem Film heraus – und lehnt uns daher nicht gegen die Filmschaffenden sowie die Werbetreibenden auf.
Ein Film, der aktuell auf der großen Leinwand sowohl vorführt, wie es geht, als auch, wie es nicht geht, ist die Actionkrimikomödie «Hot Dog». Torsten Künstlers von der Kritik weitestgehend verrissener Film (
unsere "Naja, geht so"-Rezension gehört zu den mildesten) umfasst bergeweise Produktplatzierungen. Manche davon folgen dem Branchenstandard und fallen daher nicht weiter negativ auf. So düsen Schweiger und Schweighöfer bei ihrer Rettungsmission mit einem Mercedes durch die Gegend. Das ist glaubwürdig und Autos sind eh ein sehr dankbares Produkt für solche Werbedeals in Filmen:
Sie gehören nun einmal zum modernen Stadtbild, und unsere Helden werden in den wenigen Stunden Handlungszeit wohl kaum Fahrzeuge von vier verschiedenen Marken fahren – und Autohersteller platzieren ihr Logo so prominent auf ihren Wagen, dass es viel auffälliger wäre, wenn die Filmemacher panisch um das Firmenlogo herumschneiden würden, als wenn sie es halt ab und zu zeigen.
Dass Schweighöfer in einer Szene eine kleine Flasche Schwip Schwap trinkt, ist derweil in der Grauzone zu verorten: Dass seine erwachsene, hochbegabte Rolle im spießig eingerichteten Wohnzimmer ihrer Eltern zwischen ihnen eingequetscht mit kindlichem Gesichtsausdruck an einer koffeinhaltigen Limonade nuckelt, ist zunächst einmal humoristische Charakterzeichnung. Und: Da mag jeder anders ticken, aber mir würde es stärker ins Auge stechen, würde Schweighöfer aus einer Flasche mit fiktionaler Limo trinken, am besten an einer mit einem unfassbar hässlichen Logo und generischem Namen. Filme machen sowas ab und zu, und ein "Orange x Cola"-Label in einer dämlichen Schriftart würde die Szene in meinen Augen eher verschlechtern. Dass Schweighöfer aber in nur einer einzigen Einstellung nicht das Label schön sauber, wie in einem Werbespot, gen Kamera hält, so dass man das Cola-Limo-Mischgetränk nicht nur wiedererkennt, sondern auch schön-mächtig entgegengeknallt bekommt, schwächt meine obigen Pro-Argumente für diese Filmsequenz arg.
Da finde ich es viel angenehmer, wie in einer späteren Szene während einer Kamerafahrt zwei Pepsi-Schränke im Quartier der GSG-10 zu sehen sind. Künstler und sein Kameramann Markus Nestroy ziehen die Aufnahme nicht so scharf, wie es in der berüchtigten Pepsi-Szene in «World War Z» der Fall ist. Niemand zischt sich genussvoll schmatzend eines der Cola-Getränke – und dass ein Getränkeautomat nur Produkte einer Firma anbietet, ist nun auch kein weltfremdes Konzept.
Eines der Hauptprobleme von «Hot Dog», zumindest in Sachen "Umgang mit Produktplatzierungen" ist allerdings eine sehr frühe Szene: Der Vorgesetzte von Schweigers schießwütiger Rolle Luke verpasst dem Dickkopf eine Standpauke. Die Tür zum Büro öffnet sich, ein Hermesbote steht in voller Hermes-Montur, ein Hermes-Paket haltend und mit breitem Grinsen im Bild: "Die Firma Hermes hat ein Paket für Sie!" Er wird verjagt, Werbepause zu Ende, die eigentliche Szene geht weiter. Visuelle Hermesüberreizung trifft eine völlig weltfremde Textzeile (mich hat noch nie irgendein Bote irgendeiner Firma begrüßt, indem er mir gesagt hat, für welchen Paketdienst er arbeitet) trifft auf den Werbeunterbrechungseffekt, dass der Bote nicht "natürlicher" Teil der Szene ist. Ein Handlungsdialog wurde für ihn pausiert. An der Szene stimmt einfach gar nichts.
In diesem Moment hat mich «Hot Dog» dermaßen mit seiner Werbemasche überrumpelt, dass ich hypersensibel auf jegliches Firmenlogo im Bild gesprungen bin und sämtliche Produktnennungen empfindlich mit meinen Lauschern aufgenommen habe – soll heißen: Selbst harmlose, alltägliche Produktplatzierungen gingen mir in «Hot Dog» auf den Senkel, weil ich der Hermes-Werbung sei Dank schon nach wenigen Filmminuten an Werbereizüberflutung litt. Und das war noch vor der "Wir fahren zum McDrive, listen mehrere Produkte auf und weisen dann noch auf die neuen Hot Dogs hin"-Szene. Die ulkigerweise im Abspann in besserer Form daherkommt: Im Film beißt Schweighöfer nach der ganzen McDonald's-Produktplatzierung noch hungrig und glücklich in den (nicht besonders köstlich aussehenden) Hot Dog. Im Abspann spielt Schweighöfer das Ganze in einem Outtake noch eine Spur übertriebener und schmatzt vor sich hin: "Ich liebe es", was Schweiger mit einem überraschten "Echt jetzt?"-Grinsen quittiert.
Das ist zwar das Gegenteil von subtil, aber wenigstens in seiner gepfefferten Ironie recht lustig – und hätte damit durchaus in eine Actionkrimikomödie gepasst. Frei nach «Paddington», wo sich zwei unfähige Sicherheitsbeamten einen Wettbewerb liefern, wer die Nährwertangaben von Oreos besser auswendig kennt. Aber gut, dass «Hot Dog» nicht solch einen Gag mit seinem titelgebenden McDonald's-Futter umsetzt, ist nun auch kein Schocker …