VOX wird 25: Von «Canale Grande» über «CSI» bis «Sing meinen Song»

Der zuletzt wohl innovativste Sender unter den Großen feiert Geburtstag. VOX-Chefredakteur Kai Sturm begibt sich mit uns auf eine Reise durch 25 Jahre VOX. Angefangen als Info-Sender mit exklusiven Tennis-Rechten, weitergemacht als Abspielstation von Murdoch bis hin zu den Mega-Erfolgen wie Sing meinen Song. Manches aber, sagt Sturm, habe sich eigentlich von Anfang an nicht geändert.

„Die eigentliche Zahl 25 steht für uns gar nicht so im Mittelpunkt. Viel wichtiger ist die Entwicklung unseres Senders.“ – Kai Sturm
 
Bei VOX werden am Donnerstagmorgen 25 Kerzen angezündet und ausgeblasen. Der Kölner TV-Sender, der eigentlich schon seit Entstehung immer wieder Trendsetter war, feiert Geburtstag. Chefredakteur Kai Sturm, der seit nun mehr als zwölf Jahren den Bereich Non-Fiction des Privatsenders lenkt, nimmt uns mit auf eine Zeitreise, die im Januar 1993 beginnt.
 
VOX war damals als Informationssender gegründet worden und in einer Zeit gestartet, in der es noch keine klassischen Nachrichtensender gab und auch Das Erste in seiner Programmstruktur noch keine stündlichen Nachrichten hatte. Zum Programm des ersten Jahres gehörten also nicht nur zahlreiche Nachrichten und Specials, sondern auch Live-Sport. „VOX hatte damals im Schnitt 80 Prozent Live-Programm“, sagt Sturm, der die damalige Situation auch nur vom Hören-Sagen kennt. Beim Afrika-Gipfel seien damals um die 40 VOX-Mitarbeiter vor Ort gewesen – und somit eine weitaus größere Delegation als von der ARD. Mit ähnlich großem Team war man im Herbst 1993 bei den US-Open vor Ort. Die RTL-Gruppe hatte sich damals in einer Zeit kurz nach den großen Erfolgen von Boris Becker und Steffi Graf enorm im Tennis-Bereich engagiert und Bertelsmann hielt über die UFA VOX-Anteile. Teil der Sportredaktion von VOX damals war übrigens der heutige «auto mobil»-Chef Volker Groth.
 
„VOX hatte damals ein sehr innovatives Programm, das aber an der Zielgruppe vorbeigesendet hat“, sagt Kai Sturm. Die Marktanteile blieben im ersten Jahr mit 1,3 Prozent doch deutlich unter den Erwartungen. Die Süddeutsche Zeitung, damals Mit-Eigner, stieg schnell aus, andere wollten das teure Programm nicht mehr finanzieren – vor allem nicht nach einer Programmreform der ARD, die im Ersten deutlich mehr Nachrichtenstrecken vorsah. Ungeachtet dessen hatte VOX ein Format gestartet, das wie kaum ein anderes für die 90er Jahre stand.
 

«Canale Grande»


VOX wollte damals nicht nur Inhalte machen, sondern sich auch mit der eigenen Branche kritisch auseinandersetzen
VOX-Chefredakteur Kai Sturm
66 Folgen lang moderierte Dieter Moor die medienkritische Sendung, die nach dem Ende bei VOX zu Premiere wechselte. „VOX wollte damals nicht nur Inhalte machen, sondern sich auch mit der eigenen Branche kritisch auseinandersetzen. Als Zuschauer habe ich «Canale Grande» geliebt“, erinnert sich Sturm. Und auch an ein anderes Format der 90er erinnert er sich noch gut.
 

«Liebe Sünde»


1993 gestartet, lief «Liebe Sünde» rund ein Jahr lang bei VOX, wechselte dann gemeinsam mit Moderator Matthias Frings hinüber zu ProSieben. VOX machte mit Lilo Wanders und deren «Wa(h)re Liebe» weiter, das ab 1994 zehn Jahre lang Bestandteil des Kanals war. Die vermehrte Abwanderung von erotischen Inhalten ins Internet wurde dem kompletten Genre schließlich zum Verhängnis. „Zu Zeiten von «Liebe Sünde» gab es noch kein Internet, da war das Fernsehen noch die einfachste Möglichkeit, Erotik zu konsumieren. «Liebe Sünde» hatte nie etwas Schmieriges oder Anzügliches. Natürlich haben wir mal hinter die Kulissen von Porno-Drehs geschaut und Interviews mit den Darstellern geführt. Aber VOX ging es damals schon um die Wertschätzung dieser Personen. Entsprechend wurde nie von oben herab berichtet, sondern immer auf Augenhöhe.“
 

Murdoch kommt und mit ihm die US-Fiction


1994 geriet VOX in finanzielle Schwierigkeiten, außer dem Eigner Bertelsmann wollte zunächst niemand investieren. Es folgten Wochen, in denen quasi nur ein Notprogramm gesendet wurde. Es gibt Geschichten, wonach einige der Bänder sogar so abgegriffen, weil oft gespielt waren, dass die Bildqualität darunter litt. Es war Rupert Murdoch, der letztlich aushalf. Er übernahm Ende 1994 die Mehrheitsanteile an VOX und brachte zahlreiche Produktionen seines Studios FOX mit. „Das war die Rettung. VOX bekam Zugang zum Output seiner Fernsehstudios“, sagt Sturm. Murdoch brachte Formate mit, die sich als außerordentlich großer Hit erweisen sollten. «Ally McBeal» ist hier an erster Stelle genannt, aber auch Formate wie «Eine himmlische Familie» bestimmten über viele Jahre hinweg sehr erfolgreich das Nachmittags-Programm des Senders. Sie waren Wegbereiter für die goldene US-Serienzeit, die aber erst später einsetzen sollte.
 

VOX entdeckt das Kochen


Ende der 90er entdeckte VOX dann mit «Kochduell» das Thema Kochen für sich. Britta von Lojewski moderierte das Format von 1997 an knapp sieben Jahre lang. Kultig: Darin traten immer die Teams „Paprika“ gegen „Tomate“ an – ein Hobbykoch bruzzelte jeweils gemeinsam mit einem Profi-Koch. „Das Format basierte auf «Ready, steady, cook» und wurde schnell zum echten Hit. Wir hatten es auch in unterschiedlicher Länge im Programm: 30 Minuten, 45, 60 Minuten.“ Zum Ende der Sendung teste VOX ein weiteres Koch-Format und löste damit einen echten Trend aus. Der Sender hatte einen bis dahin weitgehend unbekannten Koch entdeckt, der auf den Namen Tim Mälzer hörte und dank sehr kurz geschorener Haare eine ungewöhnliche Erscheinung im Fernsehen war. „Manche Kollegen waren von Tims optischer Erscheinung anfangs etwas irritiert. Aber auch die Skeptiker konnte er mit seiner lustigen und authentischen Art – die ich bis heute sehr an ihm schätze – schnell überzeugen“, sagt Chefredakteur Kai Sturm heute. Vier Jahre lang überlebte die Sendung am VOX-Vorabend, wurde dann auch auf Wunsch von Mälzer beendet.
 

Ein Dauerbrenner: «Das perfekte Dinner


In den insgesamt über zwölf Jahren haben wir vom «Perfekten Dinner» genau sechs Wiederholungs-Wochen gezeigt, weil wir den Fans immer frische Folgen anbieten wollen. Das beweist auch: Wir machen wahrlich kein Controller-Fernsehen
VOX-Chefredakteur Kai Sturm
Ein gutes Jahr vor dem Ende von «Schmeckt nicht, gibt’s nicht» hatte VOX schon den nächsten Hit im Köcher. Gemeinsam mit Granada, das heute ITV Studios Germany heißt, brachte man eine Show ins Fernsehen, in der sich fünf Kandidaten an fünf Tagen gegenseitig bekochen und danach Bewertungen vornehmen. Ein Rezept, das mittlerweile auf viele andere Sendungen übertragen wurde. „Wir haben das Format 2005 getestet und dann 2006 regelmäßig ins Programm genommen. Kurz nach der Ausstrahlung der 3.000. Folge der Sendung kann ich sagen: In den insgesamt über zwölf Jahren haben wir vom «Perfekten Dinner» genau sechs Wiederholungs-Wochen gezeigt, weil wir den Fans immer frische Folgen anbieten wollen. Das beweist auch: Wir machen wahrlich kein Controller-Fernsehen“, sagt Sturm mit Stolz.
 

«Shopping Queen» und Co., das Dinner hat Folgen


Der herausragende Erfolg der 19-Uhr-Sendung machte auch andere aufmerksam. Nicht nur VOX setzte nachmittags – etwa in der erfolgreichen Sendung «Shopping Queen» - auf ein ähnliches Spielprinzip, auch Konkurrenzsender fanden in den letzten Jahren zunehmend Gefallen. „Ich habe in letzter Zeit öfter mal den Eindruck, dass die Konkurrenz auf uns schaut. Das ist schon etwas absurd. Es ist ja nicht so als würde es nicht noch viele andere Themen oder Herangehensweisen geben. Und das ist auch das, was mich etwas beunruhigt“, erklärt Kai Sturm.
 
Lesen Sie auf der nächsten Seite: VOX als Reisesender - damals & heute. Außerdem: Der US-Serien-Boom beginnt.

VOX, der Reisesender


Letztlich spielt das Genre Reisen auch heute noch eine Rolle bei uns. Ich glaube, dass Sendungen wie «Goodbye Deutschland» unter anderem deshalb so funktionieren, weil wir uns eine Reise-Kompetenz erarbeitet haben.
VOX-Chefredakteur Kai Sturm
Stilprägend waren für VOX in den 90ern auch noch zwei Reisesendungen, die es inzwischen aber längst nicht mehr gibt. «Voxtours», das seinen Blick auf bisher noch unentdeckte Flecken Erde richtete und «Wolkenlos», das sich eher touristischeren Gebieten widmete. „Letztlich spielt das Genre Reisen auch heute noch eine Rolle bei uns. Ich glaube, dass Sendungen wie «Goodbye Deutschland» unter anderem deshalb so funktionieren, weil wir uns eine Reise-Kompetenz erarbeitet haben. Das trifft auch ein Stück weit auf «Kitchen Impossible» zu“, sagt Sturm. Bekanntes Gesicht der VOX-Reisesendungen war übrigens Judith Adlhoch.
 

Der große Boom der US-Serien beginnt


Was mit dem großen Archiv der Murdochs begann, ließ auch nach dem Ausstieg von Newscorp bei VOX im Jahr 1999 nicht nach. In Amerika begann die Zeit der High-Class-Primetime-Serien und «CSI» war eines der Formate, die ganz besonders zogen. Zu Beginn hielt in Deutschland VOX die Ausstrahlungsrechte und musste sich zunächst mit mageren Quoten abfinden. „Kaum vorstellbar, dass die Serie zwei Jahre auf den großen Durchbruch warten musste“, erinnert sich Sturm. Erst die dritte Staffel «CSI» wurde zum durchschlagenden Erfolg. Das Ende der fünften Staffel, spektakulär inszeniert von Quentin Tarantino, ist mit mehr als 5,2 Millionen Zuschauern ab drei Jahren der bis heutige größte Reichweiten-Erfolg der Kölner. „Manchmal wird eine Sendung eben erst dann zum Hit, wenn das Timing stimmt und auch etwas Geduld mitgebracht wird“, sagt Sturm.
 

Die erste große VOX-Show hieß «X Factor»


2010 war der Casting-Show-Boom vollends entfacht. In dieser Zeit brachte Simon Cowell mit «X Factor» ein weiteres Musik-Castingshow-Format auf den internationalen Markt, an dem die RTL-Gruppe die Rechte erworben hatte: «X Factor», das damals mit knapp 16 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen einstartete und sich vom bisherigen Casting-Geschehen deutlich abhob. Kai Sturm verantwortete die insgesamt drei Staffeln und denkt gerne an die Zeit zurück. In der Jury saß unter anderem über alle drei Staffeln Sarah Connor und in zwei Staffeln Till Brönner, der sich erst kürzlich in einem SZ-Interview lobend an das Projekt erinnerte. „Die Sendung war damals ein großer Erfolg. Ich bereue keine Minute“, meint Kai Sturm. „Wir hätten niemals zu träumen gewagt, dass wir an ein solches Premium-Format herankommen. Natürlich mussten wir es ein bisschen an VOX anpassen. Die Show wurde bei uns ein bisschen intimer als in den USA. Aber wir hatten eine neue Ansprache – wir haben auf Augenhöhe agiert, jeden Kandidaten ernst genommen.“ So weit, so gut. „Und dann kam «The Voice»“, erinnert sich Kai Sturm. Ein Format, so der VOX-Chefredakteur, das er auch gerne gehabt hätte. Die dritte Staffel von «X Factor» lief nach der deutschen Premiere von «The Voice» und verlor damit das Alleinstellungsmerkmal, das der Show zugrunde lag. „Da haben wir uns durchaus schweren Herzens entschieden, das Geld in andere Projekte zu investieren.“ Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner ahnen, dass VOX ein Jahre später im Musikbereich einen Volltreffer landen sollte.
 

Die Shows der Jetzt-Zeit


Bei VOX haben wir eine Regel: Wenn Kollegen absolut für ein Format brennen, dann wiegen die Argumente dafür erst mal schwerer als die dagegen.
VOX-Chefredakteur Kai Sturm
Dieser Volltreffer hatte durchaus etwas mit «The Voice of Germany» gemein – nämlich die Produktionsfirma Talpa. 2014 startete VOX die erste Staffel «Sing meinen Song» – und viele, inklusive Quotenmeter – konnten sich nicht vorstellen, dass eine Sendung ohne letztlichen Gewinner und auch ohne bewertendes Element ein Erfolg werden könnte. Quoten von inzwischen teils über 20 Prozent haben das Gegenteil bewiesen. „Ich kenne alle Argumente der Zweifler. Bei VOX haben wir eine Regel: Wenn Kollegen absolut für ein Format brennen, dann wiegen die Argumente dafür erst mal schwerer als die dagegen.“ Ähnliches habe man auch bei «Club der roten Bänder», der ersten eigenproduzierten deutschen Serie des Senders, erlebt, die - entgegen aller vermeintlichen Regeln - zum Erfolg wurde.“
 
Nicht selten übrigens geht dem ein intensiver Prozess voraus. Immer wieder ordert Sturm auch zweite, dritte oder gar vierte Piloten einer neuen Idee. „Es gibt Formate, die lesen sich super, sind in der Umsetzung dann aber nicht optimal. Bei denen muss das ganze Potenzial dann nach und nach freigelegt werden.“
 
Das gelang nicht immer. Als einen der größten Fehler seiner Amtszeit bezeichnet Sturm heute ein Format, das quasi auf den Spuren des erfolgreichen und gut produzierten «Germany’s Next Topmodel» wandelte. «Das perfekte Model» lief 2012 dienstags und erreichte nach dem Start mit knapp acht Prozent nur noch magere Werte. „Da hatten wir gedacht, wir könnten es besser machen als das Original. Aber wir haben uns getäuscht“, sagt Sturm rückblickend.
 
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was plant VOX im Jahr 2018?

Das Jahr 2018


Für 2018 verspricht Sturm Investitionen in zahlreiche Programmschienen. Für den 18-Uhr-Slot ist ein neues Format vorgesehen, das eigentlich aus England kommt. «First Dates» hatte dort in der ersten Staffel noch Probleme, wurde während den Runden zwei und drei zum Top-Hit. In England läuft die Sendung wöchentlich am späten Abend, in Spanien täglich am Vorabend. Die spanische Version überzeugte auch VOX von der Sendung, die Kochen und Kuppeln verbindet. „Das Thema ist aus meiner Sicht ideal zwischen den Dokus «Zwischen Tüll und Tränen» und «Das perfekte Dinner» platziert“, sagt Sturm, der berichtet, dass die Spanier – nach dem erfolgreichen Start von «First Dates» – wieder die spanische «Dinner»-Version ins Programm nahmen und damit das gleiche Vorabend-Line-up haben wie VOX demnächst.
 
Stolz ist Sturm natürlich auch auf den Dienstagabend. Ende Januar startet die nach seiner Aussage wieder sehr gelungene dritte Staffel von «Ewige Helden», für das spätere Frühjahr sind gleich sechs Primetime-Ausgaben von «Hot oder Schrott» geplant. Zwölf Folgen umfasst die nächste Staffel von «Die Höhle der Löwen», und für den Spätherbst können Programmdirektorin Ladya von Eeden und ihr Team dann gleich auf mehrere Optionen zurückgreifen. Neben gänzlich neuen Ideen könnten hier auch die Erfolge «Die wunderbare Welt der Kinder» oder eine mögliche weitere Staffel von «6 Mütter» eine Rolle spielen. Beim letztgenannten Format steht eine Fortsetzung wegen Besetzungsfragen aber noch auf der Kippe.
 

VOX, der Trendsetter


Es bleibt weiter das Credo von VOX, zu versuchen, Trends so früh wie möglich zu erkenn und auch zu setzen. Sturm will für den Non-Fiction-Bereich bei VOX momentan vor allem zwei Felder gesehen haben. Zum einen sind das Erziehungssendungen, die zuletzt dienstags und auch um 14 Uhr am Nachmittag ganz prima funktionierten. „Das ist ein tolles Thema für uns, das gut und gerne zehn Prozent holen kann“, sagt er. Und zum anderen gehe es wieder mehr um Geschichten von ganz normalen Menschen und weg von Formaten, die mit C-, D- oder gar E-Prominenz arbeiten. „Das werden wir am Beispiel «First Dates» sehen“, sagt Sturm, der sich zudem im laufenden Jahr auch an der Programmfarbe Comedy probieren möchte, hier aber noch im ganz frühen Entwicklungsstadium ist.

Übrigens: Nicht alltäglich im deutschen Privatfernsehen ist auch die Kontinuität an der Spitze. Egal ob Kai Sturm, Programmdirektorin Ladya von Eeden oder die Geschäftsführer. So sind etwa die Vorgänger von Bernd Reichart, also Frank Hoffmann und Anke Schäferkordt, allesamt noch für die RTL-Gruppe tätig.
25.01.2018 09:30 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/98598