Ohne Cristina do Regos kleine Schwester würde sich «Pastewka»-Quälgeist Kim wohl anders verhalten, wie die Schauspielerin im Interview verrät. Außerdem spricht sie über die Veränderungen an ihrer Rolle in der neuen Staffel und die Bedeutung von Social Media.
Zur Person
- Die deutsch-brasilianische Schauspielerin ist seit 2005 in der Rolle der motzigen Kim in «Pastewka» zu sehen
- Die 1986 geborene Mimin war auch Teil des «Türkisch für Anfänger»-Ensembles und ist in einer wiederkehrenden Rolle mit an Bord der «Schnitzel»-Reihe
- Sie hatte auch eine Gastrolle bei «Club der roten Bänder»
Zum Einstieg möchte ich aus dem Nähkästchen plaudern. Wann immer irgendwo eine Rolle auftaucht, die der Hauptfigur auf die Nerven geht, die wir aber nicht etwa nervig finden, sondern in ihrer Aufgabe als kleinen Quälgeist mögen, dann nennen meine Kollegin Antje Wessels und ich das immer "eine Kim" …
(lacht) Das ist ja toll! Vielen Dank für das Kompliment, wow. Und jetzt lautet die Frage: "Frau do Rego … Wie haben Sie das geschafft?" (lacht)
So in der Art.
Ach, das ist überhaupt nicht mein Verdienst. Das machen allein die Autoren. Die Drehbücher sind einfach hervorragend, das macht meine Arbeit natürlich leichter. Aber interessant, dass die Figur sich so in den Köpfen festgesetzt hat. Mir hat mal jemand verraten, dass es bei einem Casting für eine nervige, aber sympathische Figur hieß: "Wir suchen eine Art Kim." Cool, wie das so die Runde macht. Trotzdem, finde ich nicht, dass nur ich allein was dafür kann. (lacht)
„
Bei allem, was ich mache, muss ich ein instinktives Gefühl für die Figur entwickeln, sonst kann ich den Part nicht übernehmen. Und in den frühen Staffeln habe ich vieles von Kim beim Verhalten meiner kleinen Schwester abgeguckt.
”
Cristina do Rego
Ihre Bescheidenheit in Ehren, aber ich würde dennoch behaupten, dass man die Kim-Dialogstellen nehmen und total anstrengend spielen könnte. Dass Kim die Figur Pastewka nervt, aber nicht uns als Zuschauende, muss also schon etwas mit Ihrer Art zu tun haben, die Rolle zu spielen.
Darüber habe ich ehrlich gesagt nie nachgedacht. Ich habe keine klassische Schauspielausbildung, weshalb ich immer aus dem Bauch heraus spiele. Das heißt, dass ich bei allem, was ich mache, ein instinktives Gefühl für die Figur entwickeln muss, sonst kann ich den Part nicht übernehmen. Und in den frühen Staffeln habe ich vieles von Kim beim Verhalten meiner kleinen Schwester abgeguckt. Sie ist fünf Jahre jünger als ich, und als ich die Anfrage für Kim bekommen habe, war sie sehr pubertär. (schmunzelt) Sie war damit meine erste Inspiration für Kim. Diese Form der "Motzigkeit", die Kim immer zur Schau gestellt hat, habe ich zum Beispiel von ihr.
Ich hingegen war eher ein harmloser Teenager. Diese Grundrotzigkeit und all das, was dazugehört konnte ich dann durch Kim ausleben. Hinzu kamen der Fatsuit und die ganzen künstlichen Pickel und so entwickelte sich auch allmählich die Rolle. Ich weiß nicht, ob meine Schwester es so lustig findet, dass alles nun zu erfahren. (lacht)
Naja, sie diente wenigstens als Grundlage für eine liebenswerte Nervensäge, es gibt schlimmeres …
Das stimmt schon. Lustigerweise ist meine Schwester erst seit Kurzem Fan von «Pastewka».Ich glaube sie hat erst vor zwei Jahren die erste Folge gesehen. (lacht)
„
Für die achte Staffel war unser Gedanke nun einmal: Es sind vier Jahre vergangen, wir müssen nun eine erwachsenere Kim erzählen. Daher habe ich mit Maske, Regie und Kostüm gesprochen, wie wir das umsetzen können. Wir waren uns alle relativ einig, dass Kim nicht wieder fettige Haare und Pickel haben kann.
Also haben wir uns dafür entschieden, dass sie ist jetzt als eine erwachsenere Frau auftritt. Und für mich war schon immer klar, dass das in ihr steckt.
”
Cristina do Rego
Während die meisten Figuren ja keine größeren äußeren Änderungen durchgemacht haben, hat sich Kim im Laufe der Serie ja mehrmals verändert – zwischen Staffel sieben und der neuen Staffel ganz besonders. Wer entscheidet über diese Entwicklung der Rolle?
Das ist immer eine Gemeinschaftsentscheidung. So gab es ja zum Beispiel die Folge "Die Schönheits-OP", in der ich blond bin. Das war ursprünglich nicht so geschrieben, jedoch habe ich zu der Zeit auch für «Die Welle» gedreht und die blonden Haare waren für den Dreh so vorgesehen. Also musste man in den Büchern darauf Rücksicht nehmen und dies szenisch auch einsetzen. Für die achte Staffel war unser Gedanke nun einmal: Es sind vier Jahre vergangen, wir müssen nun eine erwachsenere Kim erzählen. Daher habe ich mit Maske, Regie und Kostüm gesprochen, wie wir das umsetzen können. Wir waren uns alle relativ einig, dass Kim nicht wieder fettige Haare und Pickel haben kann.
Also haben wir uns dafür entschieden, dass sie ist jetzt als eine erwachsenere Frau auftritt. Und für mich war schon immer klar, dass das in ihr steckt. Sie war nur, auf gewisse Weise, zu klug dafür. Kim wollte keine Energie dafür verschleudern, zu gefallen. Selbst, wenn sie es dann manchmal übertrieben hat. Aber jetzt will sie eine Musikkarriere starten und hatte vier Jahre Zeit, reifer zu werden – daher tritt sie nun gepflegter auf, ohne sich zu verraten. Ich finde, das passt einfach zu der Figur.
© Brainpool / Amazon
Kim hat sich verwandelt: Aus der rotzig-frechen, übellaunigen Pastewka-Nichte, die sich nicht darum schert, wie sie auf andere wirkt, ist eine entspannte, junge Frau geworden, die es im Musikgeschäft schaffen könnte.
„
Mir persönlich gefällt die horizontale Erzählweise beim Seriengucken, weil ich es schön finde, Figuren über einen längeren Zeitraum zu begleiten.
”
Cristina do Rego
Ich finde die Entwicklung ja interessant, dass Kim nicht etwa zu einer "Bruck Junior" geworden ist, sondern sich von der Freundin ihres Vaters hinweg entwickelt hat. Ich weiß nicht, ob das so gezielt geplant war, aber insofern passt Kims neues Auftreten auch zu ihrem Verhalten in der Staffelpremiere, wo sie mit Bastian gemeinsame Sache gegen die Bruck macht. Der früheren Kim hätte ich ja beides zutrauen können: Braver werden oder sich von ihrem alternativen Stil ausgehend zur Bruck aufsehen und so wie sie werden …
Aus erzählerischer Sicht hätte sich das nicht gelohnt, denn wir haben ja schon eine geniale Bruck. Die Kim, die wir jetzt erzählen, finde ich tatsächlich auch viel konsequenter aus der Figur entwickelt. Ja, Kim hat ihre pampige Seite, doch es gab auch einige Momente in denen sie sich wünschte hübscher zu sein oder sich um einen Freund bemühte. Sie hatte also ihre kleinen Versuche, ruhiger und ansprechender zu werden. Daher finde ich das Kim eine schöne Entwicklung durchlaufen hat.
Und ich bin total gespannt, ob das jetzt auch bei den Fans ankommt. Genauso wie die generelle Veränderung in unserer Erzählhaltung. Mir persönlich gefällt die horizontale Erzählweise beim Seriengucken, weil ich es schön finde, Figuren über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Es wird also interessant, zu sehen wie die Reaktion der Zuschauer ausfällt.
„
In den vier Jahren seit der siebten Staffel waren wir alle in ständigem Kontakt miteinander und stets stand die Frage im Raum: "Wann geht's weiter?" Es gab Zeiten, da schien selbst Bastian nicht zu wissen, ob es überhaupt weitergeht, doch der Wille war bei uns allen stets gegeben.
”
Cristina do Rego
Apropos Reaktion: Sind Sie froh, nicht mehr im Wochentakt die Quoten zu erfahren oder werden Sie es vermissen?
Ich habe früher ja nur ganz selten nach den Quoten geschaut. Allerdings wurden wir natürlich von der Produktion immer auf dem Laufenden gehalten, wie's lief. Erst, als ich etwas älter wurde, und verstärkt mitbekommen habe, welch enormer Druck hinter so einer Serienproduktion steckt, wurde ich neugieriger und habe ab und zu Mal von alleine die Zahlen nachgeschaut. Dennoch war es für mich viel spannender, wie die jeweiligen Folgen bei den Fans ankommen, die die Serie auch gezielt schauen. Da haben mir später ja die Kinotouren erst so wirklich die Augen geöffnet, wie sehr die Leute die Serie verinnerlichen und wie sehr sie sich die Zitate einprägen. Insofern bin ich jetzt auch am meisten gespannt, wie die neuen Folgen bei genau dieser Fangemeinde ankommen.
Ob ich die wöchentlichen Quoteninfos vermissen werde? Das weiß ich noch nicht. Das kann ich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt verraten. Ich kann nur sagen, dass ich sehr hoffe, dass wir von Amazon auch mal einen Zwischenstand gesagt bekommen, damit wir nicht völlig ahnungslos dastehen.
Wann wurden Sie eigentlich gefragt, ob Sie für eine achte «Pastewka»-Staffel zurückkehren wollen?
Ich musste gar nicht gefragt werden. In den vier Jahren seit der siebten Staffel waren wir alle in ständigem Kontakt miteinander und stets stand die Frage im Raum: "Wann geht's weiter?" Es gab Zeiten, da schien selbst Bastian nicht zu wissen, ob es überhaupt weitergeht, doch der Wille war bei uns allen stets gegeben. Das waren vier Jahre des neugierigen Austauschs und gebannten Wartens, dass eine neue Staffel das Okay erhält.
In früheren Interviews sind mir Schauspieler begegnet, die sagen: Man muss in diesem Beruf dringend vermeiden, in eine Schublade zu gelangen. Andere meinen, die Schublade kann sogar eine Chance sein. Welcher der beiden Schulen würden Sie sich zuordnen?
Meine Schule ist mein Bauchgefühl. Es kommt bei jeder potentiellen Rolle neu darauf an, ob ich ein gutes Gefühl für sie entwickle oder nicht. Zumal ich nicht den Eindruck habe, dass wir als Schauspieler beeinflussen können, ob wir in eine Schublade gelangen oder nicht. Das liegt stärker an den Besetzern. Natürlich kann man kategorisch nur eine bestimmte Art von Figur annehmen beziehungsweise nach jeder Rolle gezielt etwas ganz anderes suchen, aber ob man mit der Taktik weiter kommt ...? Es kommt ja immer noch darauf an, welche Angebote man überhaupt erhält, und wenn man dann nicht nur schaut, was einem gefällt, sondern auch noch taktiert, kann das, glaube ich, schnell schiefgehen.
Ich habe mir jedenfalls nie Gedanken darum gemacht, ob ich in einer Schublade bin. Ich habe neben Kim noch einige weitere rotzige Töchter gespielt und hatte nie den Eindruck, deshalb darauf beschränkt zu werden. Allerdings hatte ich vielleicht auch das Glück, dass Kim früher so ganz anders aussah als ich selbst, was dazu führte, dass mich nie jemand wiedererkannt hat (lacht).
„
Die Bedeutung von Social Media ist enorm gestiegen. Es ist ja nun mehr ein offenes Geheimnis, dass auch nach Reichweite besetzt wird. Ich habe mir noch immer kein konkretes Bild davon gemacht und bin da etwas unentschlossen. Ich finde es jedoch ärgerlich, wann immer es der künstlerischen Seite schadet: Ich habe auch schon mal eine Rolle nicht bekommen, weil jemand anderes unter den Bewerbern weit mehr Follower als ich hatte.
”
Cristina do Rego
Achtung, Mordsüberleitung: Seit den ersten «Pastewka»-Folgen hat sich nicht nur Kim verändert, sondern auch unsere Medienwelt. Social Media spielte damals für Schauspieler auf Rollensuche praktisch gar keine Rolle, mittlerweile ist es dagegen nahezu unvermeidlich geworden …
Ja, die Bedeutung von Social Media ist enorm gestiegen. Es ist ja nun mehr ein offenes Geheimnis, dass auch nach Reichweite besetzt wird. Ich habe mir noch immer kein konkretes Bild davon gemacht und bin da etwas unentschlossen. Ich finde es jedoch ärgerlich, wann immer es der künstlerischen Seite schadet: Ich habe auch schon mal eine Rolle nicht bekommen, weil jemand anderes unter den Bewerbern weit mehr Follower als ich hatte.
Es liegt mir nicht, meine Kraft und Zeit alleinig in meine Reichweite zu investieren. Ich poste gerne auf meinen Accounts, wenn mir danach ist, und freue mich auch über die Reaktionen meiner Follower. Aber mein Beruf als Schauspielerin ist meine Priorität. Gleichzeitig ist ja nicht alles durch die "Social-Media-Hörigkeit" schlimmer geworden. Wenn jemand sehr gut schauspielern kann, dadurch viele Follower hat und damit der Produktion etwas Gratispromo verschafft – wieso nicht? Ein sehr schönes Beispiel, wie sich durch Social Media Dinge sogar gebessert haben, sind Kollegen, die wegen ihrer ethnischen Wurzeln Riesenprobleme hatten, besetzt zu werden, nun aber in den sozialen Netzwerken sehr beliebt sind, und dadurch für verschiedenste Rollen interessant wurden. Wenn Social Media beim Casting auch solche Folgen haben kann, freut mich das sehr.
Ich bin kürzlich bei einem anderem Magazin über folgendes Zitat über Sie gestolpert: "Cristina do Rego ist wandelbar wie kaum eine Zweite. Und sie ist wohl definitiv der hübscheste Grund, sich immer und immer wieder «Pastewka» anzuschauen." Freut es Sie als Schauspielerin eigentlich, in Artikeln Anmerkungen über Ihr Aussehen zu finden, oder fällt das unter die Kategorie: "Was soll das? Das tut doch nichts zur Sache!"
Das ist interessant! Denn das war das erste Mal, das mir so etwas passiert ist. Ich wüsste nicht, dass ich jemals zuvor in den Medien als hübsch bezeichnet wurde. Daher habe ich mich sehr geschmeichelt gefühlt, und nicht etwa gedacht, dass man mich da auf mein Aussehen reduziert – zumal ich ja zuvor als wandelbar gelobt werde. Darüber habe ich mich übrigens noch mehr gefreut. Denn das passiert selten, und ich finde, ein solches Kompliment zeugt von Aufmerksamkeit: da hat offenbar jemand genau hingeschaut – ich spiele ja oft Nebenrollen, also bin ich ja erstmal nicht so auffällig. Aber klar, wenn ab sofort in jedem Artikel mein Äußeres im Vordergrund stünde – wer weiß, vielleicht würde ich das irgendwann auch anders sehen.
Besten Dank für das Gespräch.
Die neuen Folgen von «Pastewka» sind ab sofort bei Amazon verfügbar.