Die Kritiker: «Beck is Back»

Alleinerziehender Vater von vier Kindern und Pflichtverteidiger an der juristischen Basis: Hannes Beck ist ein Mann von heute. Die neue RTL-Serie über ihn ist sicher eine der besten, die der Sender in den letzten Jahren produziert hat – doch sie könnte noch wesentlich mehr.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Bert Tischendorf als Hannes Beck
Andreja Schneider als Jasmina Božić
Annika Ernst als Kirsten Beck-Grammbach
Julia Dietze als Susanne Kolberg
René Steinke als Marius Wachta
Serkan Cetinkaya als Arslan Cetinkaya
Simon Licht als Richter Paulsen

Hinter der Kamera:
Produktion: UFA FICTION GmbH
Headautor: Tommy Wosch
Drehbuch: Annika Soisson, Dominik Moser, Thomas Rogel und Tommy Wosch
Regie: Ulli Baumann
Kamera: Sebastian Grau und Francisco Dominguez
Produzent: Tommy Wosch
Hannes Beck, eine Art Man’s Man von heute, fährt einen uralten, eklig grünen VW-Bus, vollgepackt mit seinen vier Kindern, die er als Stay-at-Home-Dad den ganzen Tag betreut. Er ist glücklich mit dieser Rolle und lässt seine Frau Kirsten (Annika Ernst) als erfolgreiche Anwältin Karriere machen. Dass er sich vor Jahren selbst einmal mit zwei Staatsexamina die Zulassung erkämpft hat, sie seitdem aber kaum nutzen konnte, stört ihn eigentlich nicht.

Als er seine Frau jedoch unverhofft bei ihrer Affäre mit dem Staatsanwalt erwischt, ist die Beziehung von einer Minute auf die andere gescheitert. Er trennt sich von Kirsten und zieht mit seinen Kindern in eine neue Wohnung. Weil er von seiner Frau finanziell unabhängig sein will, nimmt er nun seinen alten Beruf wieder auf: Hannes Beck is back. Als Pflichtverteidiger will er an der Seite der Unterprivilegierten stehen. Für ihn ist das Anwaltsdasein nicht nur Broterwerb, sondern vielmehr eine sinnstiftende Aufgabe. Als anzugtragenden Unternehmensanwalt könnte man sich den Mann auch schlecht vorstellen.

Bei seinen Mandanten muss er freilich erst einmal Überzeugungsarbeit leisten und ihnen beweisen, dass er nach einem guten Jahrzehnt Elternzeit auch die entlegeneren Gebiete der Strafprozessordnung noch draufhat – auch wenn er sich bei Anhörungen natürlich in Details verheddert, sehr zum Naserümpfen des zwar etwas schnöseligen, aber trotzdem eher gutmütigen Richters Paulsen (Simon Licht), und zum Entzücken des Staatsanwalts, mit dem seine Frau ihn betrogen hat und der in Personalunion nun noch als sein ständiger beruflicher Gegner fungiert.

Die dramaturgischen Zwänge eines solchen Formats, wie sie zumindest RTL auffasst, führen hier leider zu den ersten schwächeren Konstruktionen: So ist Hannes‘ Frau Kirsten für ihn nur fachlich eine würdige Gegnerin, nicht aber moralisch. Denn während sie in den ersten Minuten als eine zwar mit charakterlichen Fehlern behaftete, aber trotzdem nicht vollends unsympathische Figur vorgestellt wird, ist sie bereits am Ende des Piloten das Böse in Person: Um eine politische Karriere einschlagen zu können, will sie Hannes die Kinder wegnehmen, denen sie bereits eine Folge später einen stinklangweiligen Abend bei der Stiefschwester ihres neuen Boyfriends zumutet, um ihre ehrgeizigen Ziele weiter zu befeuern. Klar ist: Die familiären Bande sind für sie nur ein Mittel zum Zweck; ihre Eiseskälte, die Unfähigkeit zu jeglicher Empathie zu ihren Kindern und ihre manipulativen Winkelzüge zeigen in dieser Radikalität fast Züge des Psychopathischen. Sie ist eine Frau, die der Zuschauer immer rabiater hassen soll.

Das entwickelt schnell einen unangenehmen Beigeschmack, vor allem, weil sich «Beck is back» auch vor einer gewissen politischen Ambition nicht scheut: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, tönt die leichenblass geschminkte Profi-Politikerin beim Champagner mit Kirsten, sei ja ohnehin nur ein Schlagwort, mit dem ihre Partei auf Wählerfang geht, aber in der Realität natürlich vollkommen undurchführbar. Leider ist das einzige Beispiel für eine beruflich erfolgreiche Mutter, das die Serie vorstellt, diese eiskalte, berechnende Unsympathin Kirsten. Zumindest innerhalb dieser Narrative ist die krude These also bestätigt – und spätestens hier hätte man „Cui bono?“ fragen müssen. Denn eine anderweitige Antwort bleibt «Beck is back» schuldig.

Besonders sauer stößt diese Beobachtung auf, weil sich die Serie an anderer Stelle so progressiv gibt: Denn der Männlichkeit der Hauptfigur tut seine Eigenschaft als zu Hause bleibender Vater, der seiner Frau den Vortritt auf der Karriereleiter lässt, keinen Abbruch. Und auch wenn seine Beziehung zu Kirsten bald an ihrer Untreue und ihren egomanischen Zügen scheitert, bleibt er doch für andere Frauen ein sehr attraktiver Mann. Ebenso gefällt, dass er seine Maskulinität nicht durch chauvinistische Haltungen oder abstoßenden Proleten-Sprech untermauern muss. So zeichnet «Beck is back» ein modernes, aufgeklärtes Bild von Männlichkeit, das durchaus als Gegenentwurf zu all den misogynen Casanovas und gestrigen Proleten-Protzern in anderen deutschen Prime-Time-Serien verstanden werden darf.

Gleichsam fällt auf, dass die neue RTL-Serie den Justizalltag weit weniger unnötig von den realen Zuständen entfremdet als vergleichbare Produktionen: Sicherlich duldet Richter Paulsen gerade hinsichtlich der oft etwas kindischen privaten Streitereien zwischen Hannes Beck und dem schnöseligen Staatsanwalt weit mehr als wohl jeder ordentliche Richter in der Bundesrepublik. Aber trotz dieser (zum Zweck des Komödiantischen so entstandenen) Überzeichnungen ist diese Karikatur deutlich weniger weit vom tatsächlichen deutschen Gerichtsbetrieb an der juristischen Basis entfernt, als das in vielen anderen deutschen Fernsehfilmen und –serien gezeigt wird, die sich dann auch noch viel ernster nehmen als «Beck is back».

Auch in diesem Punkt kann man dem Format eine gewisse gesellschaftliche, vielleicht sogar politische Ambition nicht absprechen: Nämlich wenn Hannes Beck, eine authentische Figur mit aufrichtigen Bindungen an die unter Mittelschicht, anspricht, dass Staatsanwälte aus finanziell elitären Verhältnissen über alleinerziehende Mütter urteilen, deren deutlich knappere Ressourcen zu Situationen geführt haben, in denen sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Leider geschieht diese Auseinandersetzung aber natürlich viel zu didaktisch und viel zu oberflächlich.

Letztlich ist es vor allem dieser Oberflächlichkeit zuzuschreiben, warum «Beck is Back» nur eine Serie des gehobenen Mittelmaßes ist – und keine Serie, die durch ihre Erzählung oder ihre filmische Ambition besonders beeindrucken könnte. Diese Serie hat etwas zu sagen, aber sie sagt es viel schlechter als sie es tatsächlich könnte, zu leise, zu kurz, nicht prägnant genug. Und die Versatzstücke, mit denen sie sich stattdessen gerne und ausführlich beschäftigt – die alte Liebe zu einer Frau, die bei Hannes Beck wieder aufflackert, und eine ehemalige jugoslawische Richterin, die für ihn putzt und Akten sortiert, als Pausenclown – sind weder kreativ noch humoristisch treffsicher genug, um wirklich zu verfangen. «Beck is Back» ist wahrscheinlich eine der besten Serien, die RTL in den letzten Jahren produziert hat. Aber mit ein paar weniger bräsigen Balkanwitzen und dafür feinsinnigeren Beobachtungen hätte ein noch wesentlich besserer Eindruck entstehen können. Beim Sichten beschleicht einen der Eindruck, dass die Macher – vor wie hinter der Kamera – all das gekonnt hätten. Aber dass es leider nicht gewünscht war.

RTL zeigt zehn Folgen von «Beck is Back» ab Dienstag, den 30. Januar um 21.15 Uhr.
29.01.2018 10:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/98675