Schafft ProSieben mit seinem Show-Neustart das «Ding des Jahres»?

Quotenmeter.de war bei einer der Aufzeichnungen zu «Das Ding des Jahres» in Köln vor Ort im Publikum. Vor dem TV-Start heute Abend verraten wir, was von der Raab-Sendung zu halten ist. Zwei Meinungen von zwei Redakteuren, die eigentlich ziemlich ähnlich ausfallen...

Erstaunlich launig bei erschreckend geringem Innovationsgrad

Auch wenn die Wirkung, die eine Sendung entfaltet, im Fernsehen gerne einmal von den Live-Eindrücken bei einer Aufzeichnung divergiert, blieben mir seit November vor allem zwei Gedankengänge in Erinnerung:
1. Das ist richtig kurzweilig und macht Spaß.
2. Also ohne das Abstimmungsgerät in meiner Hand wäre es wie «Die Höhle der Löwen» in Duell-Form.
Ob Ersteres auch noch nach sechs Folgen gilt, die ProSieben in typischer Privatsendermanier auf stattliche gut drei Stunden aufbläht, ist schwer zu sagen. Letzteres aber irritierte angesichts des Namens Stefan Raab zumindest mich schon sehr, da ich in seinem Fall eher von einer Präsenzkultur nach dem Motto "Für weniger als eine wegweisende Idee gebe ich meinen Namen nicht mehr her" ausgegangen wäre. Stattdessen aber gibt es Fernsehen zu sehen, das erstaunlich gut mit dem parallel laufenden «Big Bounce» zu vergleichen ist: Qualitativ wertig, personell (zumindest überwiegend) gut besetzt, aber eher ein Mitläufer als ein Trendsetter.
Kurz-Kritik von Manuel Nunez Sanchez, der im November der Aufzeichnung gemeinsam mit David Grzeschik beiwohnte.
Gelingt ProSieben heute Abend «Das Ding des Jahres»? Eine ganz ähnliche Frage stellte sich VOX-Löwe Frank Thelen bereits vor einigen Monaten in einem Interview mit dem Stern. Kann Stefan Raab eine gute Gründershow machen, obwohl er keine Erfahrung als Investor hat? Angesprochen auf «Das Ding des Jahres» sagte er in Richtung Raab: „Ich glaube nicht, dass er erfolgreich sein wird, weil er keine Ahnung von Start-ups hat.“ Klare Worte seitens des Löwen.

Klare Worte aber auch von der Konkurrenz: Dass «Die Höhle der Löwen» „so gar nicht“ seins sei, befand etwa Joko Winterscheidt, der ab heute Abend in der Jury von «Das Ding des Jahres» sitzt. „Das wäre mir zu Etat-getrieben. Da geht‘s nur darum, für wie viel Geld ich wie viel Prozent bekomme“, erklärte er im Oktober bei DWDL. Die kleinen Sticheleien dürften zweierlei zeigen: Zum einen, dass es ProSieben mit seinem Show-Neustart ernst ist. Zum anderen, dass auch VOX am Freitagabend gespannt nach Unterföhring blicken dürfte. Denn Fakt ist: Mit dem Start von «Das Ding des Jahres» bekommt «Die Höhle der Löwen» ihren ersten großen Konkurrenten im Genre der Gründer- und Erfindershows.

Erfolg oder Nicht-Erfolg dürfte einen ersten Hinweis darauf geben, ob der Markt noch Wachstum zulässt. Zudem ließe sich daraus eine leichte Tendenz für Carsten Maschmeyer ableiten, der demnächst in Sat.1 mit einem Gründerformat auf Sendung geht. Wir von Quotenmeter.de waren bereits im November des letzten Jahres bei einer der Aufzeichnungen von «Das Ding des Jahres» in Köln-Mülheim mit dabei – und verraten vor dem Auftakt im TV, wie gut die Raab-Show wirklich ist.

Wie läuft die Show ab?


In insgesamt vier Runden stellen jeweils zwei Erfinder - quasi in einem direkten Duell - ihre Produkte vor. Es ist eine Art Pitch, der durchaus denen in der «Höhle der Löwen» ähnelt. Die Jury fragt währenddessen munter nach und probiert die Erfindungen aus. Die Entscheidungsgewalt, welcher Erfinder bzw. welches Team jeweils weiterkommt, liegt allerdings beim Publikum. Aus acht Teilnehmern bleiben so vier Duell-Gewinner übrig, die zum Ende der Show noch einmal auf die Bühne dürfen. Das Studiopublikum bestimmt daraufhin seinen Favoriten des Abends – und auch die Jury, die die übrige Show über "nur" bewertet, kommt nun zum Zuge. Sie darf ebenfalls einen Erfinder bestimmen, der ins Finale einzieht.

Dieser kleine Kniff führt dazu, dass am Ende jeder Show ein oder auch zwei Produkte den Weg ins Finale finden können - je nachdem, ob sich Zuschauer und Jury in den unabhängig voneinander getroffenen Entscheidungen einig sind oder eben nicht. Das ist durchaus spannend, weil damit sowohl Jury als auch Publikum zum Taktieren angehalten werden, wenn sie wirklich zwei Erfinder erfolgreich in die nächste Runde befördern wollen. Für den Gewinner des Finals, das am 10. März live stattfindet, gibt es einen Werbe-Deal auf den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe. Er beläuft sich auf 2,5 Millionen Euro. Wer «Das Ding des Jahres» wird, dürfen die TV-Zuschauer vor den Bildschirmen via Telefon-Voting bestimmen. Wie mehrfach angekündigt, ist Stefan Raab übrigens nicht selbst vor der Kamera zu sehen, sondern nur im Hintergrund tätig.

Wie gut sind die Erfindungen?


Unsere ganze Welt lebt ja eigentlich nur von Innovationen und Verbesserungen. Sie kommen an neuen Erfindungen momentan nicht mehr vorbei. Ganz viele Tüftler sind in einem ständigen Wettbewerb und versuchen, Sachen besser zu machen und Neues auf den Markt zu bringen. Ich denke deshalb schon, dass unserer Sendung ein ganz spannendes Thema zu Grunde liegt, das alle begeistern kann.
Hans-Jürgen Moog
Von nützlich-naheliegenden Alltags-Gadgets bis hin zu kurios-komplexen Spezial-Entwicklungen präsentiert die Show verschiedenste Produkte. Seien es nun einklappbare Autoanhänger, designte Mehrzweck-Kleidungsstücke oder Cocktailmixer: Irgendwann dürfte in dieser Show für jeden etwas Spannendes dabei sein. Was die Nützlichkeit der präsentierten Produkte angeht, steht «Das Ding des Jahres» der «Höhle der Löwen» in nichts nach. Spannend und interessant sind die Erfindungen allemal.

Wohltuend ist zudem, dass das Publikum weder über „Mega-Produkte“ noch den nächsten „Super-Gründer“ abstimmen muss. Die schlichte Frage in jeder Runde lautet: „Was kann ich besser gebrauchen?“. Nach diesem Modus läuft jede Abstimmung ab. Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit dem Titel des Formats. «Das Ding des Jahres» – das ist ein durchaus selbstbewusstes Statement, das trotzdem irgendwie sympathisch und ein wenig ulkig daherkommt.

Wie schlagen sich die Akteure vor der Kamera?


Moderatorin der Sendung ist Janin Ullmann, die in ihrer Rolle kaum auffällt – weder besonders positiv noch ausgesprochen negativ. Das ist verkraftbar, da die Show ohnehin von den in Erscheinung tretenden Erfindern lebt. Positiv hervorzuheben und womöglich auch ein wenig mutig ist, dass man mit Hans-Jürgen Moog auf ein fernsehfremdes Gesicht vertraut. Als Einkaufschef von Rewe gelingt es ihm, die Rolle des Experten glaubwürdig zu vermitteln. Er ist zwar weniger der Unterhaltsame, dafür aber ein sachlicher Typ, der zudem authentisch wirkt und der Sendung eine gewisse Relevanz gibt.

Dass die Sendung stark auf Unterhaltung abzielt, beweisen dagegen die beiden anderen Gesichter. Immerhin: Eine sichere Bank ist Joko Winterscheidt. Er probiert die Produktentwicklungen der Gründer munter aus und ist der mit Abstand unterhaltsamste Akteur in der Sendung. Ohne ihn würde dem Format definitiv etwas fehlen. Wieso genau Lena Gercke in der Jury sitzt, scheint dagegen wenig schlüssig – ein zweiter Experte neben Moog wäre hier sicher nicht schlecht gewesen.

Wie innovativ ist die Sendung?


Klar ist, dass «Das Ding des Jahres» nicht automatisch eine zweite «Höhle der Löwen» ist. Es geht für die Erfinder nicht darum, Jurymitglieder als Investoren zu gewinnen - sondern einzig und allein um die Gunst des Studiopublikums. Und trotzdem sind die Parallelen nicht zu übersehen. „Das Einzige, was vergleichbar ist, ist dass man sich mit neuen ,Dingen' und deren Erfindungs- und Innovationsgrad auseinandersetzt“, verteidigte Jurymitglied Hans-Jürgen Moog im Interview mit Quotenmeter.de angesprochen auf die VOX-Gründershow. Das mag richtig sein – und trotzdem ist allein eben das doch schon eine ziemlich auffällige Parallele.

"Qualitativ wertig, personell (zumindest überwiegend) gut besetzt, aber eher ein Mitläufer als ein Trendsetter", fasst es der Kollege Manuel Nunez Sanchez treffend zusammen (seine Zweitmeinung lesen Sie am Anfang des Artikels in der Infobox). Wie «Das Ding des Jahres» im TV herüberkommen wird, bleibt gewiss abzuwarten. Positiv hervorzuheben ist dennoch, dass ProSieben mit der Raab-Kreation ein Format startet, das es so zumindest in der eigenen Sendergruppe noch nicht gibt. Es hat nichts zu tun mit den großen Samstagabendshows, die im Moment beim Sender laufen.

Unser Fazit


Was Stefan Raab angeht: Es stimmt natürlich, dass er das Privatfernsehen wie kaum ein Zweiter geprägt hat. Er hat Trends gesetzt und ProSieben über Jahre hinweg starke Quoten beschert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass «Das Ding des Jahres» eben keinen neuen Trend setzt. Trotz der guten Arbeit der Verantwortlichen bleibt der Eindruck, dass es die Sendung ohne den großartigen Erfolg der «Höhle der Löwen» nicht in der Form gegeben hätte. Die Parallelen zum VOX-Format sind unübersehbar.

Ein hohes Anfangsinteresse dürfte «Das Ding des Jahres» unterdessen sicher sein – allein schon wegen Raab. Auch ein genereller Quotenerfolg der ersten Staffel erscheint durchaus möglich; ordentlich produziert ist das Format zweifellos. Einen "Fail des Jahres" heraufzubeschwören, wie es die Kollegen von chip.de tun, wirkt deswegen voreilig und ist sicherlich nicht gerechtfertigt. Ob die Show andererseits als das große «Ding des Jahres» 2018 in die Geschichtsbücher eingehen wird? Vermutlich nicht. Aber vielleicht muss das ja gar nicht zwingend der Maßstab sein…

ProSieben startet «Das Ding des Jahres» am heutigen Freitagabend um 20.15 Uhr. Die zweite Folge wird bereits einen Tag später zu sehen sein, von da an läuft das Format dann auch immer samstags. Insgesamt sind sechs Folgen geplant.
09.02.2018 12:00 Uhr  •  David Grzeschik Kurz-URL: qmde.de/98902