Ulrich Matthes stapft durch die winterliche Einöde in den Bergen: Seine Figur hat alles verloren. Nun wird ihr ein weiterer Kampf aufgezwungen. Ein Kammerspiel mit Problemen...
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Ulrich Matthes als Arnold
Barbara Auer als Karen
Jördis Triebel als Anne
Lili Epply als Sandra
Johannes Gabl als Fremder
Felix von Bredow als Polizist
Samuel Schneider als Chris
Hinter der Kamera:
Produktion: Schiwago Film GmbH
Drehbuch: Hannah Hollinger
nach dem Roman "Krieg" von Jochen Rausch
Regie: Rick Ostermann
Kamera: Lea Striker
Produzent: Marcos KantisWie Arnold (Ulrich Matthes), bärtig, verschroben, mit einem irgendwie leidvollen, aber auch getriebenen Blick im Gesicht durch die verschneiten Berge um eine einsame Hütte stapft, merkt man schnell, dass dieser Mann alles verloren hat. Er hat sich mit seinem Hund in diese Einsamkeit geflüchtet, mit unklarem, bestenfalls vagem Ziel, wenn überhaupt. Er will zu sich kommen, zu dem, was von ihm noch übrig ist.
Was er genau verloren hat, ahnt man sehr lange, bevor der Film uns darüber letzte Gewissheit gibt: Vor einiger Zeit ist sein Sohn Chris (Samuel Schneider) als freiwilliger Bundeswehrsoldat nach Afghanistan in den Krieg gezogen. Für seine Eltern Arnold und Karen (Barbara Auer) ein fürchterlicher Schock: Beide sind überzeugte Pazifisten und lehnen Deutschlands Verteidigung am Hindukusch schon aus ideologischen Gründen ab. Von den fürchterlichen Monaten, die ihr Sohn nun in höchster Lebensgefahr zubringen wird, ganz zu schweigen.
Auf der zweiten Ebene, die immer wieder zwischen Arnolds Einsiedlerleben in der Tiroler Provinz geschnitten wird, bekommen wir ein Gefühl für diese bedrückende Zeit: Wenn Arnold routiniert Radiomeldungen aus Afghanistan wegdrückt, um seine Frau nicht noch mehr aus der Fassung zu bringen, wenn ihre partnerschaftliche Kommunikation immer weiter abnimmt, und wenn Chris immer grauseliger werdende Nachrichten vom Kriegsschauplatz schickt, von deren Arnold seiner Frau bestenfalls die Hälfte weitererzählt.
Jetzt, in der Tiroler Einsamkeit, nach dem verstörenden Tod seines Sohnes, wird Arnold in einen Konflikt gezogen. Ein seltsamer Fremder stellt ihm nach, bricht in seine Hütte ein, schießt einen Bolzen auf seinen geliebten Hund ab, sodass das Tier an einer Sepsis zu verenden droht. Arnold beginnt, dem Mann nachzustellen und aufzurüsten – für einen Kampf bis zu einem Ende, das er von Anfang an zu ahnen scheint.
Natürlich ist an «Fremder Feind» vieles untypisch für einen deutschen Fernsehfilm. Er ist künstlerischer, psychologischer, narrativ wie inszenatorisch interessant. Es ist durchaus erstaunlich, mit wie wenig Dialogen er auskommt, wie er sich Ulrich Matthes‘ starkes, aufrichtiges, filigranes Spiel zunutze macht, um in den vielen kammerspielartigen Passagen, in denen wenig Interaktion zwischen Charakteren stattfindet, die Spannung hochzuhalten. Natürlich – auch das ist ein kluger Zugang – geht es dabei nicht so sehr darum, wer nun der Mann ist, der Arnold nachstellt. Dieser Film interessiert sich vielmehr für die Konsequenzen, die sich aus diesem Umstand für seine Hauptfigur ergeben, die nun völlig zerrissen ist zwischen Pazifismus und der Notwendigkeit zur Verteidigung, vor dem Hintergrund des realen Krieges, der vielleicht geographisch weit weg sein mag, aber ihm doch das Allerschlimmste abverlangt hat.
Schade, dass es «Fremder Feind» nicht gelingt, diesen klugen, unaufgeregten und kunstvollen Duktus durchgehend aufrechtzuerhalten, und dass man sich vielmehr entschlossen hat, gerade in den emotional schwersten Momenten zu Motiven und Stilmitteln zu greifen, die diese Tragik unangenehm verwässern. Dies geht nicht nur eine stilistisch unnötige Dissonanz mit der Erzählhaltung des Rests des Films ein, sondern hinterlässt auch die unangenehme Vermutung, man wolle dem Zuschauer in letzter Konsequenz doch nicht allzu viel zumuten.
Trotz aller einnehmenden Passagen, trotz Matthes‘ durchwegs gelungener Tour de Force und trotz des großen Interesses, das der Hauptprotagonist von Anfang an weckt, bleiben die grundsätzlichen Themen und Motive leider doch recht vage und können trotz der unbestreitbar kunstvollen Erzählung nicht ganz die Erwartungen erfüllen, die ob der Ausrichtung dieses Stoffes wohl intendiert waren.
Das Erste zeigt «Fremder Feind» am Mittwoch, den 21. Februar um 20.15 Uhr.