Mit seinem Remake von «Ein Mann sieht rot» kämpfen sich Regisseur Eli Roth und Schauspieler Bruce Willis zurück auf die Leinwand. Weshalb das ausgerechnet bei «Death Wish» der Fall ist, ist unverständlich.
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Am Ende fehlt eigentlich nur noch die Texttafel, die darauf verweist, wie viele Menschen jährlich, stündlich, vielleicht sogar minütlich durch Schusswaffengebrauch in den Vereinigten Staaten ums Leben kommen. Das hätte Eli Roths Versuch, seinem «Ein Mann sieht rot»-Remake irgendeine Form der Gesellschaftskritik abzugewinnen, die Krone aufgesetzt. Denn natürlich Funktioniert «Death Wish» zu keinem Zeitpunkt als eine solche. Stattdessen stellt sich die ausführliche Einführung ins Geschehen, die die später eskalierende Action heiligen soll, als großes Hindernis heraus. Dabei ist das Bestreben Roths durchaus ersichtlich: Ein Film mit Rachethematik braucht den entsprechenden Background, um das moralisch zweifelhafte Verhalten zu begründen. Doch wie zuletzt schon Mel Gibson, der die Gewalt in seinem patriotischen Kriegsactioner «Hacksaw Ridge» einfach viel zu sehr zelebrierte, um die Anti-Gewalt-Botschaft glaubhaft an das Publikum heranzutragen, ist auch Eli Roth nicht dazu in der Lage, die brutalen Exzesse als Veranschaulichung dessen zu verwenden, was im waffenvernarrten Amerika alles schief läuft. So weit zu dem, was in «Death Wish» nicht funktioniert. Als absurd-überhöhtes Rächer-Porträt mit einigen herrlich fiesen Splatter-Einlagen ist der hierzulande berechtigterweise ab 18 freigegebene Actionthriller dann nämlich doch ganz unterhaltsam.
Seine Sprache ist Rache
Der Chirurg Dr. Paul Kersey (Bruce Willis) erlebt die Folgen der Gewalt auf den Straßen Chicagos jeden Tag in der Notaufnahme – bis seine Frau (Elisabeth Shue) und seine Tochter (Camila Morrone) in den eigenen vier Wänden brutal attackiert werden. Da die örtliche Polizei die Ermittlungen nicht vorantreibt und generell von der Verbrechensflut in der Stadt überfordert scheint, beschließt Paul das Gesetz kurzerhand selbst in die Hand zu nehmen. Er begibt sich auf nächtliche Streifzüge und bringt gnadenlos einen Kriminellen nach dem anderen zur Strecke – bis er eines Tages in den Fokus der Medien gerät und sich die Öffentlichkeit zu fragen beginnt, wer eigentlich hinter dem unbekannten Racheengel steckt…
«Death Wish» beginnt mit etwas, das wie eine Verfolgungsjagd aussieht und den Zuschauer im Glauben lässt, hier direkt ins Geschehen geworfen zu werden. Doch in Wirklichkeit steckt dahinter der verzweifelte Versuch eines Polizisten, seinen angeschossenen Kollegen rechtzeitig in eine Klinik zu fahren, um ihn hier von niemand Geringerem als Bruce Willis («Stirb langsam») behandeln zu lassen. Eli Roth («Green Inferno») weiß genau, wie absurd es mittlerweile anmuten muss, den zuletzt vorwiegend in B- und C-Ware zu sehenden Haudegen in einer solchen Rolle zu sehen; entsprechend inszeniert der Regisseur den Moment, in dem das Publikum Willis hinter seiner Atemmaske erkennt, als Pointe. Auch wenn der Hauptdarsteller später reichlich unglaubwürdig mit einer Waffe hantiert, als hätte er eine solche vorher noch nie in den Händen gehabt, kann man sich das Lachen als Zuschauer nur schwer verkneifen, wenn man bedenkt, in wie vielen Actionfilmen der mittlerweile 62-Jährige schon gekonnt um sich geballert hat.
Roth dürfte das wenig stören. Die von ihm in Szene gesetzten Killer-Eskapaden sind nach einer gewissen Zeit nämlich nicht bloß beeindruckend brutal, sondern auch ziemlich kreativ – da kommt einem kaum mehr in den Sinn, all das wirklich ernst zu nehmen. Da wird ein Auto zur Mordwaffe zweckentfremdet, Willis‘ Shootouts werden stets von einem staubtrockenen Spruch auf den Lippen eingeleitet und für den aller letzten Kill greift Roth so richtig in die Pointen-Trickkiste und präsentiert einen Gag, den wir jetzt schon zu den besten – da unvorhergesehensten – des Jahres zählen wollen.
Zäher Anfang, lahme Story, spaßiges Finale
Bis es zu all dem kommt, wofür vermutlich auch ein Großteil der interessierten Kinozuschauer ein Kinoticket lösen dürfte, ist in «Death Wish» allerdings erst einmal Warten angesagt. Und das über einen so langen, knapp einstündigen Zeitraum, dass dem Zuschauer die Lust an der Eskalation bis dahin durchaus schon vergangen sein könnte. Die harmonische Familiensituation ließe sich auch binnen fünf Minuten etablieren. Genauso wie Bruce Willis die Verzweiflung seiner Figur ob des Verlusts der geliebten Ehefrau ohnehin nur andeutet und den Schmerz dahinter kaum spürbar macht. Lediglich vereinzelte, ironische Einschübe – etwa ein arg satirisch aufgezogener Ausflug in ein Waffengeschäft – machen in den ersten sechzig Minuten ein wenig Tempo. Alles andere ist in die Länge gezogener, Alibi-Drama-Genrestandard, wodurch Eli Roth erst recht den Eindruck erweckt, hinter seinem Film stecke noch so etwas wie eine ernst zu nehmende Ebene. Ein Glück, dass der exzentrische Regisseur diesen Gedanken später selbst ad absurdum führt; sonst ließe sich «Death Wish» – auch aufgrund des Konsequenzen vermeidenden Endes – womöglich tatsächlich noch so lesen, als würden die Macher Selbstjustiz befürworten.
Auch wenn sich die Freude an Eli Roths exzessiven Spielereien erst spät einstellt, macht es Spaß, Bruce Willis wieder einmal auf der großen Leinwand erleben zu dürfen. Wenngleich darstellerisch nicht groß gefordert, nimmt man ihm die diebische Freude am Spiel des von den Medien „Grim Reaper“ getauften Kapuzenmannes, der mordend durch die finstersten Straßen Chicagos zieht, jederzeit ab und meint sogar, in seiner alles andere als starren Mimik zu erkennen, dass Bruce Willis selbst nur am besten weiß, wie wenig Ernsthaftigkeit hinter dem Projekt steckt. Schade ist nur, dass Drehbuchautor Joe Carnahan («The Grey») die medienentlarvenden Möglichkeiten seiner Geschichte nicht ausreizt. Stattdessen bleibt es bei kurzen Erwähnungen in Radiosendungen, oder der Veranschaulichung, was sich mit den Bildern der Grim-Reaper-Morde für lustige Memes erstellen lassen.
Das Schurkenensemble dagegen spielt so auf, wie man es von überzeichneten Bösewichten im klassischen Actionkino gewohnt ist; gleichwohl geht Willis‘ Figur hier und da mit einer derartigen Härte vor, dass man beginnt, selbst mit dem widerlichsten Gewalttäter für einen kurzen Moment so etwas wie Mitleid zu entwickeln (Stichwort: Bremsflüssigkeit). Elisabeth Shue («Battle of the Sexes») und Newcomerin Camila Morrone («Bukowski») überzeugen in den wenigen Momenten ihres Auftritts als liebenswürdiges Damen-Duo, während Dean Norris («The Book of Henry») als Hauptermittler hinter den Grim-Reaper-Morden einmal mehr sich selbst spielt.
Fazit
Als ernstgemeinter Kommentar auf die Waffenvernarrtheit der US-Amerikaner scheitert Eli Roths «Ein Mann sieht rot»-Remake erwartungsgemäß grandios. Doch wenn man sich erst einmal durch die zähe erste Stunde gekämpft hat, macht «Death Wish» dank absurder Gewalteskapaden, viel schwarzem Humor und einem gut aufgelegten Bruce Willis überraschend viel Spaß.
«Death Wish» ist ab dem 8. März in den deutschen Kinos zu sehen.