«Winchester»: Fauler Zauber mit Helen Mirren

Die «Jigsaw»-Regisseure Peter und Michael Spierig machen mit ihrem Nachfolgewerk «Winchester - Das Haus der Verdammten» immerhin das lahme «Saw»-Sequel vergessen. Doch für einen guten Horrorthriller verschenkt ihr starbesetztes Gruselinferno einfach viel zu viel Potenzial.

Filmfacts: «Winchester»

  • Start: 15. März 2018
  • Genre: Horror/Thriller
  • Laufzeit: 99 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Ben Nott
  • Musik: Peter Spierig
  • Buch: Tom Vaughan, Michael Spierig, Peter Spierig
  • Regie: Michael & Peter Spierig
  • Schauspieler: Helen Mirren, Jason Clarke, Sarah Snook, Emm Wiseman, Tyler Coppin, Angus Sampson, Finn Scicluna-O'Prey
  • OT: Winchester (USA/AUS 2018)
Das Winchester-Haus gibt es wirklich. Es befindet sich im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien. Genauer: San Jose, wo es zu den meistgefragten Touristenattraktionen der Stadt gehört. Nicht nur von außen ist es mit seinen verschiedenen Bau- und Designstilen ein absoluter Hingucker. Auf früher insgesamt sieben, nach einem Erdbeben nur noch auf vier verschiedene Stockwerke verteilen sich 161 Zimmer, 47 Kamine, 17 Schornsteine, diverse Geheimgänge und mehr als 1000 Fenster. Darüber hinaus gibt es mehrere hundert Türen, von denen einige ins Nichts führen. Genauso wie Dutzende Treppen oder irrgartenähnliche Flure, die die Architektur des altehrwürdigen Anwesens allesamt bereichern. Doch ebenjene Architektur spiegelt nur zum Teil die Faszination der bis Anfang der Zwanzigerjahre das Gebäude bewohnenden Sarah Winchester wider; Gattin des weltberühmten Gewehrfabrikanten William Winchester. Der Grund für die absurde Bauweise des Hausinterieurs macht das Geheimnis rund um das Winchester-Anwesen erst perfekt: Angeblich wollte die Witwe durch den irrgartenähnlichen Aufbau des Hauses die Geister der durch ein Winchester-Gewehr umgekommenen Verstorbenen verwirren, sodass diese sie nicht im Schlaf heimsuchen könnten.

Eine tragische Geschichte, die mittlerweile sogar von der Hörspielserie «Die drei Fragezeichen» (Folge 131, «Das Haus des Schreckens») aufgegriffen wurde, sowie in ein Stephen-King-Drehbuch und die TV-Serie «Supernatural» miteinfloss. Nun greift erstmals ein ganzer Spielfilm ebenjene Story auf und bettet sie in einen leider viel zu gewöhnlichen Gruselhorrorfilm ein, der aus der spannenden Prämisse nicht viel herauszuholen weiß und sich lieber auf seine ebenfalls unterforderte Hauptdarstellerin Helen Mirren («Die Frau in Gold») verlässt.

Nach einer wahren Geschichte


In einer verlassenen Gegend von San Jose, 50 Meilen von San Francisco entfernt, lebt die Witwe Sarah Winchester (Helen Mirren) in ihrer monströsen Villa. Die Erbin des Waffen-Imperiums von William Winchester lässt in jahrzehntelanger, ununterbrochener Bautätigkeit ein gigantisches und unübersichtliches Anwesen mit über 500 Zimmern errichten – voller Irrwege, falscher Türen und im Nirgendwo endender Treppen. Auf die Außenwelt wirkt das Gebäude wie das exzentrische Denkmal einer wahnsinnigen Frau. Der bekannte Psychologe Dr. Eric Price (Jason Clarke) wird damit beauftragt, den Geisteszustand der Millionenerbin zu untersuchen. Denn Sarah Winchester ist davon überzeugt, ein Gefängnis für Hunderte rachsüchtige Geister und gequälte Seelen zu errichten, die durch Winchester-Waffen zu Tode kamen und nun Vergeltung suchen. Der Arzt stellt bald fest, dass es in der Villa tatsächlich nicht mit rechten Dingen zugeht: Gefangen im größten Geisterhaus der Welt müssen Sarah und Dr. Price einen Ausweg finden, um die Verdammten des Winchester-Hauses zu erlösen.

inen Film über ein sagenumwobenes Spukhaus zu drehen, das tatsächlich ein reales Vorbild besitzt und noch dazu für Jedermann erreichbar ist, muss eigentlich direkt vor Ort gedreht werden. Zumindest wäre das eine von wenigen Möglichkeiten gewesen, der ansonsten recht traditionell und schematisch aufgebauten Gruselgeschichte eine Extraportion Authentizität beizufügen, doch für ausführliche Dreharbeiten bot sich das echte Winchester House leider nicht an. Wenngleich die Regisseure Michael und Peter Spierig («Jigsaw») für einige Einzelaufnahmen in und um das Gebäude filmen durften, mussten für die allermeisten Aufnahmen Teile der Kulisse in einem Filmstudio nachgebaut werden; zu eng und zu verwinkelt, ja, schlicht filmunfreundlich, gestaltete sich das Haus für die Filmcrew. Und so meint man beim Schauen von «Winchester – Das Haus der Verdammten» direkt zu erkennen, welche Szenen vor Ort und welche im Studiosetting entstanden sind.

Manche Kamerafahrt (Ben Nott) führt uns die Besonderheit der Kulisse nämlich ziemlich deutlich vor Augen, etwa wenn von Oben die in sich verschlungenen Treppenstufen oder aus der Froschperspektive die ins Nichts führenden Türen gezeigt werden. Das Innere der diversen Zimmer ist dann allerdings Horrorfilmstandard. Ein paar Spinnweben hier, ein wenig gruselige Dekoration dort und fertig ist ein Horrorhaus, das in Ausstattung und Optik nicht anders ist, als jedes andere Horrorhaus auch.

Potenzial komplett verschenkt


Atmosphärisch ist «Winchester» über weite Teile trotzdem. Michael und Peter Spierig, die vor ihrem grandios gescheiterten «Saw»-Sequel «Jigsaw» unter Anderem den sehr gelungenen Zeitreise-Thriller «Predestination» abgeliefert haben, spielen sehr souverän auf der Klaviatur des Horrorkinos, lassen Schatten erscheinen, Vorhänge wehen und liefern in schöner Regelmäßigkeit allzu offensichtliche Jumpscares ab, sodass man in der ersten Hälfte sogar kurz daran zu zweifeln beginnt, ob das Regieduo diesen recht billigen Gruselschabernack überhaupt ernst meint. Doch je weiter ihr Film voranschreitet, desto mehr verdichtet sich die aufgebaute Spannung und gewinnt durch einige Dramaanleihen zusätzlich an Ernsthaftigkeit. Wenngleich die Macher nicht alle Aspekte der Winchester-Legende aufgreifen, halten sie an den wichtigsten Gegebenheiten fest und betonen somit die eigentliche Tragik dahinter. Auch die Verpflichtung von Schauspiel-Grande-Dame Helen Mirren kommt «Winchester» zu Gute: T

rotz sichtbarer Unterforderung gelingt es ihr, aus Sarah Winchester zu gleichen Teilen das bedauernswerte Opfer, sowie eine toughe Frau zu machen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt und sich sogar von hasserfüllten Geistern nicht ins Bockshorn jagen lässt. Mirrens Performance ist sehenswert und erdet die mitunter hanebüchenen Schocksequenzen, die vor allem im Finale in eine anstrengend-hysterische Austauschbarkeit abdriften. Doch in der ansonsten eher unterdurchschnittlichen Aufmachung dürfte ihr das Herausstechen ohnehin nicht schwer fallen.

Dass die hier auch als Drehbuchautoren tätigen Spierig-Brüder, gemeinsam mit Co-Schreiber Tom Vaughan («Unstoppable»), auch eine gehörige Portion Kritik am allgegenwärtigen Waffengebrauch unterzubringen versuchen, ist im Anbetracht der Prämisse gar keine große Anstrengung. Leider können sich die Verantwortlichen nicht entscheiden, ob sie die selbstverständliche Erkenntnis, dass Waffengewalt nun mal töten kann, völlig für sich arbeiten lassen, oder sie durch explizites Aufgreifen zusätzlich unterfüttern. Fakt ist: «Winchester – Das Haus der Verdammten» basiert von vornherein darauf, dass schon das Bauen von Gewehren den Tod hervorrufen kann. Ohne diese Tatsache würden die Ereignisse im Film gar nicht erst in Schwung kommen. Trotzdem stecken im Skript zusätzlich diverse plakative Dialoge über diese Thematik, die das Ende schließlich komplett ad absurdum führt, wenn Waffen eben doch einmal mehr in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt werden.

«Winchester» ist hier unentschlossen, verkauft sich manchmal zu ambitioniert und dann wieder völlig unter Wert. Auch Hauptdarsteller Jason Clarke («Everest») changiert irgendwo zwischen ernsthaft ergriffenem Spiel und ironischer Überzeichnung. Eine Feststellung, mit der sich «Winchester» perfekt in die bisherige Vita der Spierig-Brothers einreiht. Denn von richtig gut bis richtig schlecht haben diese schließlich nun auch wirklich jede Qualitätsstufe einmal durch. Vielleicht gehören sie dadurch auch zu den spannendsten Filmemachern unserer Zeit.

Fazit


Mit «Winchester – Das Haus der verdammten» gelingt den Spierig-Brüdern eine altmodische Gruselstory vor interessanter Kulisse, werden der spannenden Hintergrundgeschichte, die auf gleichermaßen wahren wie schockierenden Ereignissen beruht, allerdings zu keinem Zeitpunkt gerecht.

«Winchester – Das Haus der Verdammten» ist ab dem 15. März in den deutschen Kinos zu sehen.
14.03.2018 15:35 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/99661