Die Kritiker: «Ku’damm 59»

Schöne Bilder, eine eindrucksvolle Zeitstudie und starke Frauenfiguren, aber nicht der große Wurf. Im ZDF-Dreiteiler kämpfen drei Schwestern in Westberlin 1959 um ihren Platz in der Gesellschaft.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sonja Gerhardt als Monika Schöllack
Claudia Michelsen als Caterina Schöllack
Maria Ehrich als Helga von Boost
Emilia Schüle als Eva Fassbender
Heino Ferch als Prof. Dr. Jürgen Fassbender
Ulrich Noethen als Kurt Moser
Sabin Tambrea als Joachim Frank
Trystan Pütter als Freddy Donath
u.v.m.

Hinter der Kamera:
Drehbuch: Annette Hess
Regie: Sven Bohse
Kamera: Michael Schreitel
Musik: Maurus Runner
Produktion: Ufa Fiction
Die 50er sind zurück – und mit ihr Caterina Schöllack und ihre Töchter. Fast exakt zwei Jahre nach «Ku’damm 56» setzt «Ku’damm 59» den erfolgreichen ZDF-Dreiteiler fort. Sowohl Cast als auch Crew haben sich kaum verändert. Erneut schrieb Annette Hess das Drehbuch, führte Sven Bohse Regie und war Michael Schreitel für die Kamera zuständig. Natürlich haben sich auch die strikten Konventionen und festen Rollenbilder der 50er Jahre nicht verändert, wohl aber die Prämissen der Reihe:

Monika (Sonja Gerhardt), Helga (Maria Ehrich) und Eva (Emilia Schüle) sind erwachsen geworden. Jede für sich ringt mit den Lebensumständen, in die sie hineingeworfen wurde, und sucht ihren Weg, sich in der starren Gesellschaft der späten 50er Jahre zurechtzufinden. Helga arbeitet hart daran, an der Seite ihres Mannes Wolfgang die perfekte Hausfrau und Mutter zu sein, während Wolfgang (August Wittgenstein) die Ehe durch eine gefährliche Affäre aufs Spiel setzt. Eva hingegen rebelliert gegen dieses Rollenbild. Sie leidet unter dem patriarchalen Verhalten ihres Mannes und versucht, sich ihm zu entziehen.
Monika wiederum scheint vordergründig einen selbstbestimmten Weg zu gehen, da sie gemeinsam mit Freddy (Trystan Pütter) im Show-Business Fuß fasst. Mutter Caterina (Claudia Michelsen) begleitet die beiden als deren Managerin, immer auf die Einhaltung gesellschaftlicher Konventionen bedacht. Glücklich ist Monika dabei jedoch nicht. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sie das Sorgerecht für ihre uneheliche Tochter Dorli zurück gewinnt, die bei ihrer Schwester Helga aufwächst.

Das Frauenbild der 50er Jahre wird also ebenso wie im Vorgänger in unterschiedlichen Facetten und Lebensumständen beleuchtet – und ebenso schonungslos wie treffend dargestellt. Nach der damals vorherrschenden Meinung haben Frauen nichts hinter dem Steuer eines Autos verloren und Sex keinesfalls aus Vergnügen, sondern nur um Kinder zu werfen. Sie haben gefälligst von einer Familie und einem Leben im Dienste des Gatten zu träumen und Selbstverwirklichung findet höchstens hinter dem Herd statt.

So handelt es sich bei den ausgefochtenen Kämpfen keineswegs nur um Akte einer abgeschlossenen Emanzipation – der Kampf um Gleichberechtigung ist schließlich noch in vollem Gange. Dass die gezeigten Szenen auch heute noch auf traurig-unangenehme Weise aktuell sind, beweist unter anderem die Darstellung einer sexuellen Belästigung im Umfeld des Filmgeschäfts explizit. Die Machtposition gegenüber der jungen Schauspielerin wird als vermeintlicher Freibrief verstanden – #metoo lässt grüßen.

„In Wahrheit haben die gar kein Interesse an Frauenfiguren, die selbstständig denken können“, beschwert sich ein Buchautor über die Filmindustrie. Das Zitat darf ruhig als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden. Die weiblichen Charaktere des Dreiteilers können hingegen sehr wohl selbstständig denken und gehen alle auf individuelle Art mit den Problemen der damaligen Zeit um. Starke Figuren, gespielt von einem gut aufgelegten und namhaften Schauspiel-Ensemble.

Zu den miteinander verwobenen Handlungssträngen der drei Schwestern gesellen sich weitere Nebenhandlungsstränge, aufgrund der Entzerrung auf drei Teile wirkt die Geschichte allerdings nicht überladen. Das Drehbuch neigt aber ab und an zur Melodramatik im Allgemeinen und überdramatisierten Dialogen im Speziellen. Dafür bekommt der Zuschauer in unregelmäßigen Abständen gut sitzende Pointen serviert, die die eigentlich ernste Story auflockern.

Zwar ist die Rolle der Frau das zentrale dargestellte gesellschaftliche Thema, bei weitem jedoch nicht das einzige. Homosexualität ist zu dieser Zeit ein Tabu und als Schwuler führt man eine Vernunftehe und trifft sich offiziell nicht etwa mit anderen Männern, sondern geht zum „Jura-Club“. Zudem sind die düsteren Zeiten des Nationalsozialismus lediglich 14 Jahre her und sind in der jungen Bundesrepublik omnipräsent. Während der Alzheimer-kranke Rüstungsgeschäftsmann dem „Führer“ noch ein Glückwunschschreiben zum Geburtstag schickt und vom „Endsieg“ fantasiert, wird ein ehemaliger KZ-Häftling immer noch wegen seiner jüdischen Herkunft diskriminiert. Zwölf Jahre Indoktrination hinterlassen Spuren und wer in ihnen aufwuchs wird nicht mal eben entnazifiziert. Dankenswerterweise wird das Märchen von der BRD als Deutschlands sauberer Neuanfang nicht bedient. Hinzu kommt die Darstellung der damaligen Kindererziehung, die wohl so manchem modernen Pädagogen die Haare zu Berge stehen lassen würde.

Leider will diese wichtige Kritik an der damaligen Gesellschaftsordnung nicht wirklich zur opulenten Optik des Dreiteilers passen, weshalb sie etwas in den Hintergrund rückt. Die durchweg ansprechende Ästhetik ist somit nicht nur Segen. Dennoch sieht «Ku’damm 59» über weite Strecken fantastisch aus und die Requisite lässt die späten 50er Jahre zwischen konservativem Biedermaier und Aufbruch glaubwürdig aufleben. Dazu trägt auch die einprägsame Musik bei, die zwar eine großartige Mischung aus damaligen Rock-'n'-Roll- und Schlager-Liedern bietet, jedoch etwas dezenter hätte eingesetzt werden dürfen.

Das ZDF zeigt «Ku’damm 59» am 18., 19. und 21. März, jeweils ab 20.15 Uhr.
16.03.2018 11:00 Uhr  •  Christopher Schmitt Kurz-URL: qmde.de/99693