RTL-Sportchef Manfred Loppe: ‚Neue Ansätze für die Rolle eines Experten finden‘

Mit dem Grand Prix in Australien startet die neue Formel1-Saison. Nach dem Sky-Ausstieg laufen die Rennen nun exklusiv bei RTL. Und auch dort hat sich etwas getan, nachdem Niki Lauda seinen Expertenjob nach vielen Jahren nicht fortsetzen wollte. Mit Sportchef Manfred Loppe sprechen wir zudem über den Fußball: Die RTL-Gruppe wird ab Herbst die Europa League übertragen.

So ändert sich die Formel 1

  • Ab 2018 wird das Halo-System als Cockpitschutz eingesetzt. Dadurch steigert sich das Mindestgewicht eines Boliden von 728 auf 733 kg.
  • Künftig können Teams und Fahrern auf sieben statt wie bislang auf fünf Trockenreifen-Mischungen zurückgreifen. Die neuen Hypersofts und den Superhards verbreitern das Spektrum zum Taktieren – das dürfte zu mehr Boxenstopps und damit noch mehr Spannung führen. Weiterhin gilt, dass pro Rennwochenende nur drei verschiedene Reifenmischungen eingesetzt werden dürfen.
  • Die auffälligen Finnen an der Motorabdeckung, die zusätzlichen Flügel am Ende der Motorabdeckung und der Zusatzflügel über den Auspuffendrohren, werden verboten.
  • Die Anzahl der pro Saison erlaubten Power-Units – also Komponenten der Antriebseinheiten – schrumpft auf drei – eine Folge davon könnten noch mehr Strafen sein.
  • Die Regeln zur Erkennung eines Frühstarts wurden durch die FIA noch einmal konkretisiert. Jeder Fahrer muss dafür sorgen, dass das hierzu eingesetzte technische System das Fahrzeug erfassen kann.
  • Die Grid-Girls haben ausgedient, an ihrer Stelle sollen mit den Grid-Kids mögliche Stars von morgen Rennatmosphäre schnuppern dürfen.
Text: RTL
Herr Loppe, es wurde ja viel spekuliert über die TV-Zukunft der Formel 1. Um im Bild zu bleiben: RTL ist in Verfolgerposition ins Rennen gestartet, dann wurden dem Boliden Reifenprobleme und wenig Siegchancen zugesprochen und am Ende hat man aber doch Platz eins geholt?
Um im Bild zu bleiben: wie auf der Strecke ist in den Verhandlungen die Long Run – Performance nicht zu unterschätzen. Und wenn man dann zum richtigen Zeitpunkt die Reifen wechselt, mehr Grip und Geschwindigkeit auf die Straße bringt, dann gewinnt mal schon mal ein Rennen oder in unserem Fall eine Ausschreibung! Respekt, Gelassenheit und Diskretion sind bei Verhandlungen zudem ganz gute Begleiter. Wir waren und sind mit dem Lizenzgeber immer in regelmäßigem, offenem Austausch. Ob in der Ecclestone-Ära oder auch jetzt mit den neuen Eigentümern von Liberty Media. Dabei hat sich sehr schnell das Bild verdichtet, dass RTL eine sehr gute Adresse für die Formel 1 in Deutschland ist. Deutschland ist ein Markt mit hoher Strahlkraft und Signalwirkung. Man schätzt unsere hohe Intensität, Kreativität und Leidenschaft.

Dass die Ära Niki Lauda nun vergangenen Spätherbst bei Ihnen zu Ende ging, hat Sie aber auch ein bisschen überrascht? Und bei aller Trauer darüber: Der Moment der Bekanntgabe war letztlich großes Fernsehen, weil er es einfach so rausgehauen hat.
Natürlich. Das war auch eine typische Lauda-Entscheidung. Niki war so, er ist so und wird auch immer so bleiben. Überraschend anders und dass ist auch gut so!

Jetzt gibt es aber auch durchaus Stimmen, die sich eine Erneuerung der Formel1 bei RTL wünschen. Die kommt jetzt mit dem Team Rosberg/Glock. Wie reibungslos läuft die Terminabsprache?
Aktuell fix ist, dass Nico Rosberg sechs Vor-Ort-Termine macht, Timo Glock zehn. Nico Rosberg wird ein bis zwei Rennen zudem abseits der Rennstrecke begleiten. Da werden wir ihn dazu schalten. Vielleicht von sich zu Hause – ich könnte mir das spannend vorstellen: Er ist dann eine Art „Zuschauer-Experte.“ Vielleicht können wir hier für die Rolle eines Experten neue Ansätze finden. Es ist hier aber noch nichts in Stein gemeißelt, möglich, dass noch Termine frei werden.

Auf welche neuen Inhalte bei den Rahmenberichten darf man sich freuen?
Wir sind der Meinung, dass wir sehr gut aufgestellt sind. Wir begleiten unsere Sendungen immer auch mit umfangreicher Medien-Forschung. Wir sehen aktuell keinen Anlass, grundsätzliche Änderungen vorzunehmen. Sicherlich werden wir mit Timo und Nico als Experten mal andere Schwerpunkte setzen. Timo ist aktiver DTM-Pilot, Nico Rosberg hat schon beim Saisonfinale 2017 gezeigt, wie nah er am und im Thema ist. Er kann Erlebtes ungemein lebendig erzählen, von exklusiven Erfahrungen erzählen und ins aktuelle Geschehen einordnen.. Wie fühlt sich jemand, der kurz davor ist, Weltmeister zu werden? Sind die Fahrer sind wirklich immer so cool und beherrscht? Wie viel Emotion, Angst, sonstige Gefühle nehmen im Cockpit Platz…oder auch nicht!

Erwarten Sie eigentlich signifikante Reichweitensteigerungen? Einer Milchmädchenrechnung zufolge müssten ja die rund 500.000 Sky-Zuschauer nun bei Ihnen drauf kommen…
Es wäre zu schön, wenn diese Rechnung aufginge. Fernsehen und das Werben um und das Binden von Zuschauern funktioniert dann aber doch nicht so einfach. Prognosen helfen nicht wirklich, sondern Tatsachen. Fakt ist auf jeden Fall: Bei Sky haben die Formel 1 Fans Eintritt zahlen müssen, bei uns gibt es alles gratis – eigentlich doch ein gutes Argument unsererseits, oder? Wir sehen das natürlich als Chance, wissen aber auch, dass sich der Alltag, die Freizeit, die TV-Nutzung und vieles mehr gewandelt hat und auch weiterhin verändern wird. Wir werden versuchen, mit Vollgas viele Menschen abzuholen!

Dafür wird es Gründe geben. Einer ist wohl, dass das Free-TV so stark ist. Wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut, kann man sagen, dass 90 Prozent bei uns schauten. Ob Kosten und Nutzen im vertretbaren Verhältnis stehen, kann ich nur für uns beantworten.
RTL-Sportchef Manfred Loppe
Erstaunt es Sie eigentlich, dass es neben Sky dann keinen anderen Anbieter gab, der sich die Pay-TV-Rechte gesichert hat?
Dafür wird es Gründe geben. Einer ist wohl, dass das Free-TV so stark ist. Wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut, kann man sagen, dass 90 Prozent bei uns schauten. Ob Kosten und Nutzen im vertretbaren Verhältnis stehen, kann ich nur für uns beantworten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie steht Manfred Loppe den geplanten Änderungen in der Formel1 gegenüber? Und was hält er vom Trend Augmented Reality?


Die Formel 1 ist zur Zeit sehr umtriebig: Tiefere Kamerapositionen, ein neues Logo, neue Grafik-Elemente, keine Grid-Girls. Wie gefährlich ist das rege Treiben?
Das ist ja ein deutsches Phänomen, sich zunächst einmal Sorgen zu machen. Es ist doch gut, dass etwas passiert. Und wissen Sie was: Die Zuschauer entscheiden ja unmittelbar, ob ihnen etwas Neues gefällt. Entsprechend kann man dann wieder reagieren. Ich erinnere mich noch gut zurück, als wir ab 2000 Skispringen übertragen und ebenfalls Neuerungen eingeführt haben. Bei jenem Neujahrsspringen wurde der Untergang des Abendlandes herbeigeredet und wenige Wochen später erhielten wir begeisternden Applaus. Wenn die Formel 1 die Geschwindigkeit besser abbilden will und kann, dann ist das großartig. Die Jungs fahren in Monza mit gut 350 km/h über die Gerade, im TV ist dieser „Wahnsinn“ bisher nur ansatzweise zu vermitteln. Im Fußball kribbelt es bei mir, wenn es durch bessere Mikrofonierung gelingt, das Stollenklappern beim Verlassen der Kabine zu hören. Wenn die Formel 1 u.a. den Sound verstärkt in die Wohnzimmer bringen will, ist das doch wunderbar.

Geändert wurden auch die Startzeiten – um 15.10 Uhr geht’s los. Spielt das Ihnen in die Karten und wie sieht der RTL-Sendeplan künftig aus?
Wir starten unsere Vorberichte künftig in der Regel um 14.15 Uhr. Wir haben unsere Erfahrung gemacht, dass wir in der Sendezeit nicht länger werden müssen. Es gab Zeiten, da waren wir 75 Minuten vorher On Air, haben aber erkennen müssen, dass die Dosis zu hoch war, auch weil sich die Nutzung zunehmend verändert hat. Wir wollen kompakt, emotional und inhaltlich stark auftreten.

Wortweiser Augmented Reality

Der Begriff bezeichnet das Verschwimmen zwischen Animation und Realität. Zu den gängigen AR-Anwendungen zählt neben Google Glass etwa auch moderne TV-Technik, die etwa Freistoßentfernungen, Statistiken oder ganze Spieler in ein Umfeld projiziert.
Ein Trend in der Sportberichterstattung ist ja der Einsatz von Augmented Reality – das nutzen Sie ja im Fußball schon. Wo macht das für Sie Sinn?
Ja, und dennoch bleibe ich dabei: Real bleibt Real. Reale Emotionen sind immer die Stärksten, intensive Bildsequenzen sind große Erlebnisse. Im Live-Betrieb lassen sich Leidenschaft, Intensität und Gefühle am besten über normale Kamerasysteme erzeugen., wobei normal für hochklassig steht. Augmented Reality sehe ich als einen ergänzenden Spaßfaktor an, den man sich im Einzelfall erlauben kann. Unbestritten ist aber der hohe Darstellungswert von Augmented Reality.

Ehe wir die Formel1 verlassen, wer wird Weltmeister?
Da kann ich mich nicht festlegen. Die Testfahrten waren überschaubar. Mercedes bleibt zunächst das Maß aller Teams und somit wohl auch Lewis Hamilton. Aber wie es aussieht, ist Red Bull stark unterwegs. Mercedes hat angeblich Respekt. Für eine Einschätzung sollten wir drei Rennen ins Land gehen lassen.

Die RTL-Gruppe hat ab Herbst ein großes Europa League-Rechtepaket eingekauft. Die Planungen dürften schon begonnen haben. Kommentator Marco Hagemann arbeitet ja auch noch für DAZN, am Wochenende für Eurosport. Es wird immer wichtiger, solche Stimmen auch frühzeitig zu binden?
Wir sehen uns gut aufgestellt. Ich will noch ausstehenden Gesprächen nicht vorgreifen. Sollte sich Bedarf auftun, haben wir noch Zeit, aktiv zu werden. Für die kommenden Fußball-Übertragungen bei RTL haben wir schon Ideen, keine Frage. Aber es ist zu früh, ins Detail zu gehen.

Und auf der nächsten Seite lesen Sie: Wie steht Manfred Loppe dem Thema Co-Kommentar bei Fußball-Spielen gegenüber, findet er die laufende Bundesliga-Saison langweilig und hat sein Sender Interesse am DFB-Pokal?

Ausführliche Expertisen über „hochstehender Blöcke“ oder „vertikaloperierende Mannschaftsteile “ sind nicht mein Ding!
RTL-Sportchef Manfred Loppe
DAZN macht – sicher vor kleinem Publikum – den Co-Kommentator serienreif. Sie verzichten darauf. Kommt da momentan etwas in Bewegung?
Ich denke nicht. Das ist der Entschluss eines Senders, sich von der Konkurrenz abzuheben. Bei Sky sieht man Modifikationen bei den Vor- und Nachberichten. Ich denke, dass es in dieser Frage nie ein abschließendes Bild gibt, weil immer alles im Fluss ist. Persönlich halte ich einen starken Einzelkommentator aber für die beste Lösung. Wenn zu viel geredet wird, während der Ball rollt, steigert das nicht die Lust am Geschehen auf dem Rasen. Fußball ist mittlerweile so athletisch, so intensiv und schnell geworden, dass es mir reicht, mit wenigen Worten viel zu erfahren bzw. vermittelt zu bekommen. Fußball kann nach wie vor so schön einfach sein. Ausführliche Expertisen über „hochstehender Blöcke“ oder „vertikaloperierende Mannschaftsteile “ sind nicht mein Ding!

Sie produzieren künftig dann auch die Europa League. Wohin gehen da die Trends? Vielleicht sogar weg von 20 bis 30 Kameras, weg von Spider-Cam und Super-Slow-Mo. Ist weniger wieder mehr?
Wenn man Fußballspiele mit 30 Kameras überträgt, dann sollte man sie auch alle nutzen. Und das gehört schon zu den ganz großen Herausforderungen. Mit 16 bis 20 Kameras ist man bereits exzellent aufgestellt. Natürlich sind ungewöhnliche Kamerapositionen und Perspektiven nach wie vor das A und O. Mir selbst gefällt die Spider-Cam, viele Slowmo-Positionen und flache Perspektiven. Ideen gibt es noch viele, aber verständlicherweise sollten weder das Spiel noch Sicherheitsaspekte berührt werden.

Wie bewerten Sie momentan die Attraktivität der Bundesliga, an der Nitro ja Highlight-Rechte hält?
Die Bundesliga ist für mich ein Phänomen. Die Stadien sind voll, Sky hat gute Quoten, die «Sportschau» ebenso. Obwohl zunehmend gemeckert wird, dass Bayern sowieso Meister wird oder schon fast ist! Die Bundesliga hat einen unglaublichen Stellenwert in Deutschland. Das Stadion ist mehr denn je zum Pilgerort geworden, das fasziniert mich. Fußball ist für viele Menschen, und nicht nur für Hardcore–Fans, ein großer und intensiver Lebensinhalt, das Stadion vielleicht eine der letzten Erlebniswelten. Hier wird die lautlose Smartphone –Gesellschaft wieder revitalisiert, es lebe die Emotion.

Aber «100% Bundesliga» läuft ein bisschen unterhalb der Erwartungen. Hat man es da als neuer Anbieter auf ungewohntem Sendeplatz auch einfach ein bisschen schwer zu Beginn?
Wir sind neu am Markt, da braucht man Ausdauer. Das wussten wir. Live-Übertragungen sind immer einfacher, Highlights tun sich schwerer. Auch der Sendetermin, montags um 22.15 Uhr, ist nicht einfach. Man ist eigentlich sportlich mit allem durch, am Montag passiert nicht so viel. Umso mehr haben uns nun montags die Erstliga-Spiele geholfen. Um 23 Uhr auf 400.000 Zuschauer und mehr zu kommen, das ist schon gut.

Wie interessant ist eigentlich der DFB-Pokal für Sie?
Dass wir uns solche Unterlagen anschauen, ist für uns selbstverständlich. Ansonsten will ich da nicht ins Detail gehen. Wir haben hier im Haus die Vereinbarung, dass wir solche Vorgänge nicht kommentieren.

Danke für das Gespräch.

23.03.2018 16:00 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/99793