Netflix für deutsche Inhalte?

Amazon und Netflix sind seit Jahren in aller Munde, aber mit TVnow und 7TV haben viele User Vorbehalte.

Seit dreieinhalb Jahren ist der amerikanische Streaming-Anbieter Netflix auf dem deutschen Markt. Seither hat es sich eingebürgert, dass man nicht mehr DVDs oder Blu-Rays kauft, sondern Inhalte streamt. Viele junge Menschen besitzen heute neben einem Netflix-Abo auch ein einen Zugang zu den Amazon-Inhalten gegen Gebühren. Für weniger als die monatliche Haushaltsabgabe für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender bekommt der Abonnent eine riesige Auswahl an fantastischer Hollywoodware.

Auch die deutschen TV-Sender bieten Mediatheken um, sodass man «Germany’s Next Topmodel» oder «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus» per Abruf schauen kann. Mit der 7TV-App oder TVnow der RTL-Gruppe werden auch Festplattenrecorder überflüssig gemacht. Hinzu kommt, dass beispielsweise die Mediengruppe RTL Deutschland Aufnahmen bei Entertain und im Kabel bei Vodafone im hochauflösenden Format unterbindet.

Die Lösung ist inzwischen recht einfach: Ein Abo für TVnow. Es mag sich unmoralisch anhören, dass man für «Take me Out» & Co. zahlt, obwohl die Inhalte kostenfrei im Fernsehen angeboten werden. Auch die Aufrufe über den Computer innerhalb sieben Tage sind bei TVnow und 7TV kostenfrei, jedoch ist der Komfort nicht so hoch. Für die Hälfte eines Netflix-Abos bietet unter anderem die RTL-Gruppe ein riesiges Angebot an. Ob «First Dates», «4 Hochzeiten und eine Traumreise» oder «Let’s Dance» - endlich gibt es die Inhalte im HD-Format und ohne Werbungen. Mit Hilfe der Apps ist das Spulen auf dem Receiver überflüssig, selbst nervige Gewinnspiele oder Werbepausen-Überleitungen werden herausgeschnitten.

Inzwischen machen nicht nur ProSiebenSat.1 und Discovery Communications gemeinsame Sache, die Unternehmen arbeiten nun auch mit Sport1 und der Welt-Gruppe zusammen. Die 7TV-App besitzt derzeit die Inhalte von zehn Sendern, künftig werden es 13 Stück sein. Bislang sind noch alle Inhalte kostenfrei, aber auch die ProSieben-Gruppe braucht sich nicht schämen, eine Gebühr zu erheben – sofern die Inhalte dann in High Definition und ohne Werbung ausgespielt werden.

Christof Wahl, Digitalvorstand und Group COO ProSiebenSat.1: „Die Zusammenarbeit mit Discovery im Digitalbereich ist ein wichtiger Schritt auf zwei Ebenen: Erstens werden wir gemeinsam eine Top-Technologie entwickeln. Zweitens können wir durch diese Technologie die Mandantenfähigkeit der App für zusätzliche Inhalte öffnen. Am Ende profitieren unsere Nutzer von einem erweiterten, hochwertigen Content-Angebot.“

Die Mediengruppe RTL Deutschland erklärte gegenüber dem Medienmagazin Quotenmeter, dass man „bewusst den Mainstream-Geschmack einer sehr breiten Zielgruppe“ anspreche. Damit hat man auch Erfolg, denn im Februar 2018 verbuchte TVnow fast vier Millionen einzelne User, dies bedeutet ein Plus von fast 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit seriellen Eigenproduktionen wie «Saint Maik» oder «Beck is beck» macht sich das Unternehmen unabhängiger gegenüber Netflix und Amazon. Denn: Laut Goldmedia sind auch die fiktionalen Eigenproduktionen der amerikanischen Streaming-Angebote keine Straßenfeger. In den wöchentlichen Hitlisten dominiert seit Wochen die Sitcom «The Big Bang Theory», die man ohnehin sehr oft bei ProSieben zu sehen bekommt. Das unterstreicht RTL: Das erfolgreichste Format bei TVnow im Januar und Februar 2018 war ohnehin der recht erfolgreiche «Bachelor».

Aber wieso sollte man Geld für die Apps von ProSiebenSat.1 und der RTL-Gruppe ausgeben? Gerade Kunden von Kabelnetzbetreibern wie Vodafone erlebten in den vergangenen Monaten einen massiven Preissturz. Durch das eigene Angebot der Sender und neue Streaming-Unternehmen wie Freenet oder Waipu.TV sind die hohen Kosten unnötig geworden. Fraglich ist allerdings, ob man für den Empfang oder das Streamen von linearen Kanälen Geld ausgibt oder sich direkt die Inhalte vom Content-Anbieter holt. Im Fall der Bequemlichkeit sollte man also auf keine Insellösung setzen, sondern das beste Angebot auswählen.
22.03.2018 09:00 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/99816