Ein britischer Kinderbuchklassiker wird zum sarkastisch-wilden Kinoabenteuer. Klingt nach Sakrileg, ist aber überraschend unterhaltsam, ohne an Herzlichkeit einzubüßen.
Filmfacts: «Peter Hase»
- Regie: Will Gluck
- Produktion: Will Gluck, Zareh Nalbandian
- Drehbuch: Rob Lieber, Will Gluck; basierend auf den Büchern von Beatrix Potter
- Darsteller: Rose Byrne, Domhnall Gleeson, Sam Neill
- Musik: Dominic Lewis
- Kamera: Peter Menzies Jr.
- Schnitt: Christian Gazal
- Laufzeit: 95 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Neben Michael Bonds höflichem Bären Paddington zählt der neugierige sowie unartige Peter Hase zu den bekanntesten tierischen Helden der britischen Kinderliteratur. Und nachdem schon der im Dufflecoat gekleidete Bär in Realfilmform Millionen von Menschen verzückt hat, stürmt nun auch das von Beatrix Potter erdachte Langohr auf die große Leinwand. Während aber die «Paddington»-Filme unter der Regie Paul Kings vollauf auf Warmherzigkeit setzen, präsentiert sich das Hasen-Kinoabenteuer deutlich frecher und überdrehter. Will Gluck, Regisseur hinter dem Emma-Stone-Vehikel «Einfach zu haben» und dem augenzwinkernden «Annie»-Remake, spickt seine Version von «Peter Hase» mit Selbstironie, frenetischem Slapstick und aufgedrehten Schnellfeuerdialogen.
Anders als solche mit CG-Trickfiguren ausgestattete Realfilme über Kindheitsfavoriten wie «Die Schlümpfe» oder die «Alvin und die Chipmunks»-Reihe, zielt «Peter Hase» aber nicht unter die Gürtellinie. Stattdessen bewahrt er sich eine gute Prise Herzlichkeit. Um noch einmal den Vergleich mit «Paddington» zu bemühen: «Peter Hase» ist so etwas wie "«Paddington» nach einem Liter Wodka Red Bull". Das große Herz von «Paddington» ist noch da, und süß ist das Ganze auch, aber dieser Pelzträger ist hibbeliger und besoffen-rotzig. Alle Filmbegeisterten, die sich bei dieser Beschreibung denken "Wow, okay,
das muss ich sehen" sind in «Peter Hase»-Vorführungen gut aufgehoben. Bei all jenen, bei denen dieser Vergleich dagegen Fluchtgedanken weckt, ist die Wahrscheinlichkeit indes recht hoch, dass dieser Film bei ihnen auf wenig Gegenliebe stoßen wird.
Aber der Reihe nach: Peter Hase, seine Drillingsschwestern Flopsi, Mopsi und Wuschelpuschel sowie ihr Cousin Benjamin leben in der englischen Provinz. Und für Peter gibt es nichts erfüllenderes, als in den Garten des alten McGregor zu steigen, um an Futter zu gelangen und den herrischen Besitzer eines geräumigen Landhauses so richtig zur Weißglut zu bringen. Als eine Hetzjagd mit dem Herzinfarkt des Senioren endet, wähnen sich die Hasenfamilie und ihre Waldfreunde als Gewinner und veranstalten ein Fressgelage im McGregor-Anwesen. Sie haben aber die Rechnung ohne McGregors Erben gemacht: Den auf höchste Ordentlichkeit achtenden, leidenschaftlichen Kaufhausmitarbeiter Thomas. Dieser will das Haus möglichst schnell zu einem guten Preis verkaufen, und da stören die rebellischen Nager selbstredend …
Doch Thomas wird in seinem Vorgehen gegen die tierische Chaostruppe ausgebremst – denn seine neue Nachbarin Bea hat ein großes Herz für Tiere. Und da Thomas in der superoptimistischen, freundlichen Bea etwas sieht, das ihm in seinem Leben fehlt, will er es sich nicht mit ihr verscherzen. Peter wiederum wird durch die warme Chemie zwischen Bea und Thomas nur noch weiter angespornt, Unfrieden zu stiften. Die Lage eskaliert schneller, als man wie hypnotisiert "Scheinwerfer …" sagen kann …
Regisseur/Autor Will Gluck und der ebenfalls am Skript beteiligte Rob Lieber etablieren früh den Tonfall ihres Films: Vöglein singen fröhlich von einer potentiellen Filmhandlung – und werden unachtsam von der Titelfigur niedergehoppelt, woraufhin sie sich hastig entschuldigt. Dies ist die erste von vielen Illusionsbrechungen in diesem Film. Im weiteren Verlauf richtet sich der Held gen Kamera, um sich dezent genervt für eine Aussage zu entschuldigen, die das Publikum beleidigen könnte, und aus dem Off wird über Montagesequenzen gescherzt, die auf einen vorhersehbaren Moment hinleiten.
Diese "«Ferris macht blau»/«Deadpool» light"-Elemente ergänzen den cartoonhaften Slapstick, in den Will Gluck manche Szenen ausarten lässt – wie etwa die immer weiter eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen Peter und Thomas. Gluck setzt in der Inszenierung dennoch auf Übersichtlichkeit – statt die Kamera den Figuren fast schon unter die Nase zu schieben, zeigt er viel häufiger einen groben Überblick über den Schauplatz und lässt sich die Figuren «Looney Tunes»-artig von A nach B raufen. Wie der besagte, frühe Gag aber schon voraus telegrafiert: Allem temporeichen Slapstick und den selbstironischen Frechheiten zum Trotz hat «Peter Hase» auch eine Seele, und ist kein rein-frenetischer Film/Filmheld.
Der von Christoph Maria Herbst launig gesprochene Peter ist ein Raufbold-Hase, der einerseits die sprichwörtlichen Ellenbogen ausfährt, weil er für seine Familie sorgen will – und andererseits, weil er den Nervenkitzel liebt. Trotzdem ist er fähig, einzusehen, wenn er Grenzen überschreitet – selbst wenn sein Talent im Entschuldigen eher gering ausfällt. Sein menschlicher Widersacher Thomas ist ebenfalls keine rein eindimensionale Figur: Domhnall Gleeson spielt zwar genüsslich-groß auf, legt Thomas jedoch nicht als kaltherziges Monstrum an, das Freude daran hat, Tiere zu quälen. Eigentlich will er nur seine Ruhe haben – und kabbelt sich daher mit einem besonders hartnäckigen Hasen. In den wenigen entspannten Szenen mit Rose Byrne, die ihm vergönnt sind, lässt Gleeson die sanftmütigere, vernünftigere Seite seiner Rolle aufblitzen.
Vielleicht liegt es auch an Byrnes Präsenz, doch«Peter Hase» weckt Erinnerungen an die «Bad Neighbors»-Filme, in denen ebenfalls beide Seiten eines Zaunkrieges irgendwie im Recht liegen und sich gleichzeitig mit ihren Übertreibungen lächerlich und angreifbar machen. Byrne ist in «Peter Hase» seltener Teil der Gagparade als in den «Bad Neighbors»-Filmen, trotzdem ist sie für einige Schmunzler zu haben und schafft es, die Rolle der freundlich-freigeistigen Künstlerin durch die eine oder andere, perfekt platzierte Schroffheit genügend zu erden, um kein Klischee darzustellen.
Klischeehaft fällt dagegen Glucks Einsatz von Popmusik aus: Einige Szenen werden völlig wahllos mit semi-aktueller Chartmusik untermalt, die sich nur selten so richtig in das Geschehen fügen will. Dieses Problem hat «Peter Hase» mit vielen Familienkomödien gemeinsam, was allerdings kaum einen Trost darstellt. Positiver fällt da die Integration der computeranimierten Tiere in die Realfilmbilder auf: An die «Paddington»-Filme reicht «Peter Hase» zwar nicht heran, trotzdem ist das Trickniveau hoch, erst recht für einen gerade einmal 50 Millionen Dollar teuren Film. Und wenn sich das unerzogene Langohr gegen Schluss auch mal in Demut übt, kommt dies dank der ausdrucksstarken Charakteranimation und der fähigen Bildkomposition auch als verdienter, gefühlvoller Filmmoment rüber, statt als erzählerisch unvermeidliche Etappe im Drehbuch. Rumgewitzelt wird daraufhin trotzdem – die Wirkung von Wodka Red Bull verfliegt halt so schnell nicht …
Fazit: Frech, überdreht-einfallsreich und voller Slapstick sowie ironischer Schnellfeuerdialoge – aber allem zum Trotz hat «Peter Hase» das Herz am rechten Fleck. Eine süß-verrückte Familienkinoüberraschung.
«Peter Hase» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.