'Entweder sind wir alle wichtig, oder wir sind alle unwichtig'

Anlässlich des Kinostarts von «Verpiss Dich, Schneewittchen!» hatte Quotenmeter.de die Gelegenheit, Comedian Bülent Ceylan zum Interview zu treffen und mit ihm über seinen Werdegang und seinen ersten Kinofilm zu sprechen.

Zur Person:

Bülent Ceylan wurde am 4. Januar 1976 als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters in Mannheim geboren. Nach dem Abitur absolvierte er unter Anderem ein Praktikant bei dem TV-Sender VIVA, eh er nach einem (schließlich abgebrochenen) Studium begann, als Stand-Up-Comedian zu touren. Er führt nicht nur regelmäßig Soloprogramme auf, sondern ist auch häufig zu Gast in TV-Shows.2009 gewann er den deutschen Comedypreis als bester Newcomer, mehrere seiner Programme erhielten als CD die Goldene Schallplatte.
Heute geht es um Deinen neuen und ersten Film «Verpiss Dich, Schneewittchen!». Da liegt die erste Frage nah: Wie bist Du zu diesem ungewöhnlichen Projekt gekommen?
Es war so, dass Constantin Film vor einigen Jahren auf mich zukam. Man wollte gern einen Kinofilm mit mir machen, doch es musste natürlich auch zu mir passen. Es hat echt lange gedauert, bis wir ein passendes Konzept gefunden haben: Da ist einer, der möchte Rockstar werden – okay, das ist erst einmal cool, aber es muss natürlich passen. Dann kam irgendwann dieses Drehbuch, in das ich noch einen meiner eigenen Autoren reinbringen konnte, der auch sehr witzig schreiben kann – Rainer Bender. Cüneyt Kaya, der Regisseur, hatte darüber hinaus auch Ideen, wie man das alles zusammenbringen kann. Und jetzt ist der Film fertig, er kommt Ende März endlich raus. Ich hoffe, dass er die Leute neugierig macht und in die Kinos zieht. Und ich würde mir wünschen, dass die Leute lachen und anschließend sagen: Würde der Bülent wieder einen Film machen, dann würde ich wieder reingehen. Das wäre natürlich schön (lächelt).

Also würdest Du bei einem neuen Projekt wieder gern eine lustige Rolle übernehmen, oder würdest Du auch gern einmal etwas Ernstes in Angriff nehmen?
Ich weiß es nicht. Klar, ich bin Comedian und würde daher erstmal gern wieder einen witzigen Film machen, sofern sich das anbietet. Aber ich kann mir auch vorstellen, ernstere Sachen zu spielen.

Auch den Bösen?
Das kommt immer drauf an: Ich glaube, so richtig böse kann ich gar nicht spielen. Ich kann auf der Bühne schon mal ein wenig böse spielen – so wie meine Hausmeisterrolle zum Beispiel. Und selbst da lacht man dann drüber. Aber so richtig böse würden mir die Leute vermutlich auch gar nicht abnehmen. Ich bin so ein Charakterschauspieler. Ich glaube, ich kann emotional spielen – das habe ich auch so ein wenig in «Verpiss Dich, Schneewittchen!» bewiesen. Aber ich weiß gar nicht, ob ich so richtig böse überhaupt sein will (lacht). Ich habe zum Beispiel auch schon mal eine Rolle angeboten bekommen, den Teufel zu spielen – aber selbst die war witzig.

Welche Freiheit hast Du eigentlich, wenn Du die Rolle spielst? Darfst Du eigene Ideen mit reinbringen, oder musst Du Dich streng ans Drehbuch halten?
Dadurch dass es ja mein Film ist und ich nicht bloß als Schauspieler für eine gewisse Rolle eingekauft wurde, konnte ich da wirklich viel zu beitragen und auch improvisieren. Und das ist das Gute. Ich habe vor Ort einen Schauspielcoach gehabt, der mir dabei geholfen hat, mich in den jeweiligen Moment hineinzuversetzen. Man muss den Moment nämlich leben und die Leute müssen verstehen, dass du den Moment gerade wirklich erlebst. Sie müssen erkennen können, wenn du zum Beispiel frustriert bist, oder lachst, oder dich freust und so weiter. Das muss man auch authentisch spielen können und das ist nicht so einfach. Vor allem, wenn du zehnmal den gleichen Text wiederholen musst, was ja auf der Bühne nicht so ist. Dort machst du einen Gag und dann kommt der nächste. Aber beim Schauspielern musst zu zehn-, zwanzigmal den gleichen Gag erzählen oder die gleiche Szene spielen und immer wieder mit der gleichen Energie in verschiedene Kameraeinstellungen hineinspielen. Das war schon eine Schwierigkeit. Aber es hat Spaß gemacht und ich bin froh, dass ich’s gemacht habe.

Deine Figur Sammy ist mit seinem Leben ja nicht wirklich zufrieden. Er möchte nicht bei seinem Bruder arbeiten, er möchte nicht dort leben, er möchte viel lieber Rockstar sein. Das lässt sich auch sehr gut auf viele Menschen da draußen übertragen, denn viele sind festgefahren, wissen nicht, wie sie aus ihrem Alltag ausbrechen können…
Genau. Man leidet mit. Auf der einen Seite möchte man sehen, wie die Figur leidet, wie sie unten ist. Denn nur so kann man erleben und sich freuen, wenn sie sich von unten schließlich nach oben arbeitet.

Wie würdest Du die Leute aus ihrer Bequemlichkeit herausziehen, ganz unabhängig davon, ob sie nun Rockstar werden wollen, oder irgendwas Anderes?
Man muss einfach ganz fest an das glauben, was man erreichen möchte. Der Sammy ist auch so ein wenig wie Bülent. Ich mache jetzt zwanzig Jahre Comedy, wovon die ersten zehn Jahre aber hauptsächlich Ackern bedeutete. Ich habe vor sehr kleinem Publikum gespielt, es zwar teilweise richtig frustrierend, weil keiner dich kannte und du den Durchbruch immer noch nicht geschafft hast. Ich wollte genau diesen Durchbruch aber immer schaffen, wusste aber nicht, wann ich die Chance dazu bekomme. Ich habe gekämpft, geackert, bin immer wieder auf die Bühne gegangen und hab versucht, zu rocken, auch wenn in einem Hundert-, oder Zweihundertersaal nur zwanzig Leute saßen. Es ist manchmal hart, aber du musst dran glauben. Ich habe immer dran geglaubt und nie aufgegeben. Und ich habe wirklich lange gebraucht, aber es lohnt sich und zahlt sich dann eben später aus. Ich bin jetzt seit zehn Jahren erfolgreich, natürlich mal mehr, mal weniger. Aber letztlich ist es glücklicherweise relativ konstant und ich glaube, auf Dauer hält sich so etwas länger. Denn heutzutage geht vieles über YouTube, Leute schießen hoch und wenn du nichts mehr postest, dann bist du weg. Ich habe mir Gott sei Dank über viele Jahre hinweg eine Fanbasis aufgebaut und es ist schön, dass Kinder, aber auch Omis und Opis dich kennen (lacht). Das ist echt cool.

Das liegt ja sicher auch an Deinen Programmen, in denen einfach für jeden etwas dabei ist.
Ja, das stimmt. Das jetzige heißt ja zum Beispiel «Lassmalache» und das ist wirklich so: Die Leute sind von jung bis alt alle dabei. Ich hatte schon einen Achtjährigen im Publikum, genauso wie eine 93-jährige Frau. Das ist echt toll.

Hast Du bei Deiner Arbeit einen gewissen Erfolgsdruck, den Du verspürst?
Erst einmal muss ich natürlich hinter dem stehen, was ich tu. Und das bedeutet bei mir: Ich möchte auf die Bühne gehen und die Leute zum Lachen bringen. Aber, wie gesagt: Ich muss hinter dem stehen, was ich mache. Mein aktuelles Live-Programm ist zum Beispiel wesentlich politischer als die anderen. Das hängt auch damit zusammen, dass älter und reife werde. Da fängt man auch als Komiker schon mal an, zu denken (lacht). Aber es soll natürlich auch Spaß machen und ich will viele Leute erreichen – trotzdem möchte ich niemals einen Witz einfach nur wegen des Witzes machen, sondern weil da vielleicht auch noch eine Botschaft drinsteckt. Natürlich geht auch mal der eine oder andere Gag auf die Zwölf, aber dazwischen steckt immer auch eine Message darin. Und das ist so das, was das Gesamte ausmacht.

Allein der Titel Deines Films «Verpiss Dich, Schneewittchen!» lässt ja bereits vermuten, dass da auch ein wenig Gegenwind kommt. Was hat es damit auf sich?
Sagen wir mal so: In der heutigen Zeit ist es so, dass du für einen ersten Film natürlich einen Filmtitel brauchst, der die Leute ins Kino lockt. Gerade beim ersten Kinofilm ist ein normaler Filmtitel nicht so praktisch – du willst ja auch vielleicht die Leute erreichen und aufmerksam machen, die du bisher nicht erreicht hast. Und die Meisten, die den Titel «Verpiss Dich, Schneewittchen!» zum ersten Mal gehört haben, haben erst einmal gelacht und dann überlegt: Ist das vielleicht ein Märchenfilm? Ist es kein Märchenfilm? Ist es klamaukig? Doch was auch immer es ist: Es macht die Leute erst einmal neugierig. Selbst die, die ein wenig intellektuell angehaucht sind, haben auch erstmal drüber gelacht. Die brauchen ja auch manchmal was, worüber man einfach nicht nachdenken muss (lacht). Letztlich hat der Film am Ende auch Klamaukszenen – er hat aber auch eine Story. Es geht um einen Mann, der Rockstar werden will, dem sich aber auch einige Hindernisse in den Weg stellen. du gehst mit dem Typen in eine Achterbahn und das ist das, was den Film am Ende ausmacht. Natürlich ist es am Ende kein dramatischer Film, denn die Leute wollen ja lachen. Es ist mein erster Film, da macht es Sinn, dass ich eine Komödie mache. Aber mal gucken: Didi Hallervorden hat auch als Komiker angefangen. Und selbst, wenn er nicht erfolgreich ist und ich nie wieder einen Film mache: Ich kann immerhin sagen, ich hatte mal einen Film im Kino.



Du hast ja auch schon mit zahlreichen Größen in der Szene zusammengearbeitet wie zum Beispiel mit Tom Gerhardt, der bereits in «Hausmeister Krause» ein Kollege von Dir war. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm und generell mit anderen Darstellern?
Immer gut! Mit all meinen Kollegen war die Zusammenarbeit bisher immer sehr gut. Tom Gerhardt hat ja beispielsweise einen kleinen Cameo-Auftritt im Film. Chris Tall hat eine recht wichtige Nebenrolle. Ich bin sehr froh, dass er mitgemacht hat, da er ja selbst mittlerweile ein Megastar ist und ohne Ende tourt. Sabrina Setlur ist dabei, die eine Rolle spielt, die perfekt auf sie zugeschnitten ist. Sie ist eine böse Produzentin. Und dann gibt es eben auch noch Kurzauftritte von zum Beispiel Olaf Schubert. Tom Gerhardt ist ein sehr sympathischer Mann, ein ganz ruhiger Typ. Wenn die Kamera an ist, dann dreht er auf, aber privat ist er sehr ruhig – ein richtiger Perfektionist. Auch Olaf Schubert hat super abgeliefert. Eko Fresh, der eigentlich Rapper ist, hat eine tolle Rolle. Und natürlich Josefine Preuß, die ja sowieso Schauspielerin ist und Kida Ramadan – sie alle haben den Film irrsinnig bereichert.

Und vermutlich kennen nicht alle Zuschauer jeden, aber jeder kennt mindestens einen davon…
Ja, genau. Das war uns wichtig! Zum Beispiel Nilam Farooq, die unter anderem bei «SOKO» mitspielt und eigentlich YouTuberin ist. Jeder hat so seine Fangemeinde und wenn jeder von ihnen Werbung für den Film macht, dann macht das schon etwas aus. Dann geht der Eine vielleicht wegen Chris Tall rein, der Andere wegen mir und der Dritte wegen noch Jemandem.

Wenn Du jetzt an Deine Fans denkst und daran, was die von Dir wollen, was möchtest Du ihnen geben und was ist das Schönste, das Du von ihnen zurückbekommst?
Für mich ist es das Schönste, andere Leute zum Lachen zu bringen. Ich habe das schon als Kind gemerkt: Wenn ich andere zum Lachen gebracht habe, dann musste ich selbst nicht so viel lachen. Wichtig ist aber dabei, dass man es von Herzen macht. Und man muss in einem gewissen Sinne – ich will mich jetzt nicht selbst als guten Menschen beurteilen, das müssen andere tun – aber man sollte vielleicht gute Sachen denken und fühlen. Es gibt vielleicht den Einen oder Anderen, von denen man nun vielleicht denkt, der oder die ist ja so witzig und ist das privat dann vielleicht gar nicht so. Und dann ist man vielleicht enttäuscht von seinem Idol, das man eigentlich wegen seines Humors mag. Das finde ich dann ganz schlimm. Aber als Comedian finde ich es ganz wichtig, dass man das alles vom Herzen macht. Dass man eine gewisse Wärme hat, Sympathie. Man kann nicht jeden zum Lachen bringen. Es gibt immer Leute, die finden etwas gegen dich, aber ich denke, es ist wichtig, eine gewisse gesunde Einstellung zum Leben zu haben.

Und zu wissen, woher man kommt. Denn ohne die Fans wäre ich jetzt nicht dort, wo ich bin. Das muss einem immer bewusst sein und dafür muss man dankbar sein. Denn das vergessen manche vielleicht und denken dann, sie können mit den Leuten so umspringen, wie sie wollen. Bei mir ist das egal, ob das am Set nun die Kabelhilfe ist, oder der Regisseur, ob das eine Schülerzeitung ist, oder der Spiegel oder sonst irgendwas – entweder sind wir alle wichtig, oder wir sind alle unwichtig. Und das ist so meine Einstellung, die ich von meinen Eltern gelernt habe. Man muss jeden schätzen und respektieren und vor allem die Toleranz berücksichtigen, die dazu gehört. Nicht immer nur geradeaus schauen, sondern auch mal nach links und rechts. Natürlich habe ich das alles auch nicht immer, natürlich habe auch ich Vorurteile. Aber man muss dagegen ankämpfen und sich das immer mal wieder bewusst machen.

Herzlichen Dank für dieses angenehme Gespräch!
25.03.2018 10:00 Uhr  •  Interview: Maike Voß, Abschrift: Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/99888