Das Jahr 1845, die Durchquerung der eisigen Nordwestpassage – und ein Monster, das die Entdecker-Crew nach und nach dezimiert. Mit «The Terror» will der Sender AMC an alte «The Walking Dead»-Erfolge anknüpfen. Klappt das?
Cast & Crew «The Terror»
- Idee: David Kajganich
- Buchvorlage: «The Terror» von Dan Simmons
- Darsteller: Jared Harris, Tobias Menzies, Ciarán Hinds, Paul Ready, Ian Hart, Matthew McNulty
- Regie (Pilot): Edward Berger[
- Ausf. Produzenten: David Kajganich, Soo Hugh, Ridley Scott, David W. Zucker
- Produktion: Scott Free, Entertainment 360, AMC Studios
- Folgen: 10 in S1 (je ca. 60 Min.)
Die Nordwestpassage, im Jahr 1845 ist sie selbst noch ein ungezähmtes Monster. Zwei Schiffe der britischen Krone – die HMS Erebus und die HMS Terror – machen sich in jenem Jahr auf, um das die Passage erstmals in der Geschichte für das britische Königreich komplett zu erkunden. Um das Monster zu bändigen, um die dunklen Flecken auf der Landkarte zu füllen. Die Mission ist auch eine zweier gegensätzlicher Schiffskapitäne, der von Sir John Franklin und Sir Francis Crozier. Der eine voller Optimismus und Hoffnung, der andere vorsichtig rational. Der eine geliebt von der Crew, der andere eine Stimme der Vernunft, die anfangs von seinen Männern ungern gehört wird.
Doch je mehr Terror sich in «The Terror» Bahn bricht, desto eher wird Cozier zum wertvollen Mahner. Nicht nur für die Crew: Auch wir Zuschauer sind gefangen zwischen den beiden Polen Hoffnung und Verzweiflung, die mehr und mehr durch die Kapitäne personifiziert wird. Das aber dauert lange: Nachdem das Eis die Schiffe stranden lässt, bleibt die Schiffsmannschaft cool – im wahrsten Sinne des Wortes. Die problematischen Bedingungen an Bord mit wenig Essen und viel Kälte lassen keinen Lagerkoller entstehen, den Kapitänen sei Dank. Doch in dieser unmenschlichen Welt, in der die Männer nun festsitzen, gibt es wenig Hoffnung auf andere Zeiten: Der Winter ist endlos, die Nahrung knapp. Dennoch behalten die Männer ihre Hoffnung und Ruhe, vorerst. Dort aber wissen sie noch nicht, was im Eis auf sie wartet. Nicht nur Hungertod und Verzweiflung, sondern auch ein Unwesen, das es auf die Mannschaft abgesehen hat.
«The Terror» ist einer der großen Neustarts des Serienjahres 2018, eine echte Big-Budget-Produktion. In einem ungarischen Filmstudio hat man eine menschenfeindliche Welt erschaffen, kälteste Tundra, Eisberge, tiefste Gewässer, ewiges Eis. Die Atmosphäre, die so kreiert wird, ist ungleich allem, was man bisher aus TV-Serien kennt – und ungleich aller ungeschriebener TV-Gesetze: Kalt, kalt und nochmals kalt wirkt dieses Format, und wenn man nicht gerade auf ewiges Eis und gefrorene Gewässer blickt, dann blickt man in tiefdunkle Kajüten und Schiffsräume, die kaum ausgeleuchtet sind. Es sind großartig verstörende und herausfordernde Bilder, auf die man sich als Zuschauer einlassen muss.
Wenn man dies tut, wird man belohnt mit einer großen Geschichte um Männerfreundschaften und -feindschaften, um das Zusammenrücken und Meutern in der Isolation, um eine aufregend-abenteuerliche Entdeckungsmission – und um das Kennenlernen neuer Kulturen. Sir Crozier macht Bekanntschaft mit einer einheimischen Inuit namens Inuk, die sich der Crew anschließt und die Gefilde kennt, die die britischen Männer erkunden wollen. Dass das keine so gute Idee war, macht sie schnell klar. Eine der beeindruckendsten Szenen in den ersten Episoden setzt die neue zivilisierte Welt und die alte Welt der Inuit besonders ausdrucksstark gegeneinander: Der Crew-Mediziner Harry Goodsir versucht einem jungen Crew-Mitglied zu verarzten, der Mann spuckt Blut und keucht, die Gesundheit schwindet rapide. Goodsir kann den nahenden Tod des Kollegen nicht abwenden. Dieser hat in seinen letzten Lebensmomenten eine beängstigende Vision um einen Inuit-Schamanen, die der Mediziner nicht sehen kann. Aber er spürt instinktiv, dass eine fremde Macht in diesem Raum war.
Amazon-Serie «The Terror»: Frischer Genre-Mix aus Historie und Horror
Neben Kälte und Dunkelheit ist bald also auch der Tod ein allgegenwärtiges Motiv in «The Terror», das kraftvoll inszeniert wird. Mit «The Terror» will der Sender AMC an alte «The Walking Dead»-Erfolge anknüpfen, ähnlich blutig geht es dementsprechend zu. Dass man sich oft von liebgewonnenen Charakteren verabschieden muss, gehört hier zum Konzept. Dennoch setzt die Verfilmung eines Roman-Bestsellers von Dan Simmons andere Schwerpunkte: Die angesprochene Atmosphäre ist deutlich kälter und weniger massenkompatibel, die Komplexität der Geschichte ist viel höher als beim Zombie-Gemetzel, außerdem besteht der Cast fast ausschließlich aus weißen Männern.
Demgegenüber steht eine einzigartige Welt, die eine TV-Serie so noch nie erschaffen hat. Die schauspielerischen Leistungen der Charaktere, allen voran der beiden Kapitäne, sind großartig. Generell sind die Charakterisierungen der Hauptfiguren großartig gelungen, weil sie jeweils deutlich unterschiedliche Akzente verkörpern auf dieser mörderischen Entdeckungsreise. Man hat nie das Gefühl, man könnte Figuren verwechseln oder sie seien austauschbar. Das mörderisch-authentische Setting zieht uns als Zuschauer in den Bann und schafft eine klaustrophobische Atmosphäre, die wir nur wohldosiert ertragen können – und mit Sicherheit kaum
binge watching-geeignet ist. Es ist ein frischer Genremix aus Historiendrama und Horror, der das Serienjahr in diesem Frühling bereichert.
Stichwort Horror: Nicht zuletzt hält der Name «The Terror», was er verspricht. Denn je weiter die Geschichte voranschreitet, desto stärker wird das Horror-Element in den Vordergrund gespielt und desto spannender wird die Frage, wer von der Crew als nächstes im blutigen Eis zurückbleibt. Und wie.
In Deutschland ist die Serie «The Terror» bei Amazon Prime Video zu sehen.