Cast & Crew
Vor der Kamera:Heike Makatsch als Ellen Berlinger
Luis August Kurecki als Jonas Ginori
Sebastian Blomberg als Martin Rascher
Jule Böwe als Maja Ginori
Jan Messutat als Enzo Ginori
Lucas Prisor als Bassi Mahler
Aniya Wendel als Marie Blixen
Hinter der Kamera:
Produktion: Zieglerfilm Baden-Baden
Drehbuch: Marco Wiersch und Florian Oeller
Regie: Markus Imboden
Kamera: Martin Farkas
Produzent: Marc Müller-Kaldenberg
Wie Ellen erst deutlich später als der Zuschauer erfährt, war Marie auch mit Ellens dreizehnjährigem Neffen Jonas (Luis August Kurecki) bekannt. Jonas wird als merkwürdiger Junge vorgestellt: zumindest nicht weit entfernt vom Autismus verhält er sich in sozialen Situationen für Außenstehende sonderbar und ungelenk, er hat Probleme, nonverbale Signale anderer Menschen zu verstehen und sinnvoll zu interpretieren, während er in Mathematik seinen Altersgenossen so weit voraus ist, dass er drei Jahre älteren Mitschülern Nachhilfe beim Logarithmieren gibt – auch einem Klassenkameraden von Marie.
Lange insinuiert dieser Film, dass Jonas etwas mit Maries Ableben zu tun haben könnte. Doch nicht zuletzt durch den hauptsächlich von boulevardjournalistischen Medien forcierten Kontext, in dem sich diese Assoziationen abspielen, ist diese Darstellung so bedenklich wie unbedacht: Nicht erst seit dem Massaker an der Sandy Hook Grundschule in Massachusetts im Dezember 2012, wo ein Täter mit Asperger-Syndrom 27 Menschen erschoss, werden Menschen mit autistischen Zügen gerne in die Nähe von kaltblütigen, emotionslosen Killern gerückt, als sei ihr geistiger Zustand dem von Psychopathen nicht unähnlich.
Auch in deutschen Fernsehfilmen ist der seltsame, adrette, hochintelligente und sich seines Unrechts gar nicht so recht bewusste Mörder, der gerne mit eitel zurechtgekämmtem Halbseitenscheitel vorgestellt wird, wie er mit Leichtigkeit die schwersten Mathematikaufgaben löst, ein beleibtes Klischee geworden – sehr zum Nachteil von Menschen auf dem autistischen Spektrum. Und auch wenn man argumentieren will, dass sie weniger aus offener Ablehnung sondern vielmehr einer gewissen Denkfaulheit von Autoren zur tickenden Zeitbombe hingeschrieben werden, verringert das nicht die abträglichen Konsequenzen, mit denen sie dann leben müssen. „Zeit der Frösche“ fehlt es nicht nur an der nötigen Trennschärfe, um den Stoff um einen autistischen Jugendlichen gehaltvoll und psychologisch angemessen zu erzählen, sondern auch an einer entsprechenden Ambition.
Wichtiger scheint es zu sein, am Rande in Ellen Berlingers Lebenssituation rumzuwühlen und sie in aufgesagten Dialogpassagen vortragen zu lassen, wie sehr sie es doch mitnimmt, dass sie zu ihrer erwachsenen Tochter kaum Kontakt hat, wo sie schon in ihrer Kindheit nur eine Randfigur gewesen war. Doch auch in Ellens beruflichem Umfeld bleibt sie grobschlächtig, und wird unpräzise mit einer grundfalschen Haltung geführt: Mir nichts, dir nichts foltert sie einen Tatverdächtigen und wird nach alibihaft vorgetragenen mahnenden Worten ihres Kollegen von ihm gedeckt: Dass das Drehbuch Polizeibrutalität als völlig normalen, wenn nicht erstrebenswerten Vorgang darstellt und sich völlig weigert, diesen Umstand zu problematisieren, ist ebenso unangenehm wie seine fahrige, oberflächliche Thematisierung autistischer Teenager.
Diese bedenklichen erzählerischen Stoßrichtungen sind wohl weniger einer abzulehnenden Haltung der Autoren zuzuschreiben, als vielmehr der fahrigen, unpräzisen Qualität ihres Larifari-Allersweltskrimis oder dem Umstand, dass sie sich über all das, was sie mit diesem Stoff so implizieren, nicht ganz im Klaren waren. Was diesen Film nicht weniger katastrophal macht.
Das Erste zeigt «Tatort – Zeit der Frösche» am Ostermontag, den 2. April um 20.15 Uhr.
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