Filmfacts: «Das Zeiträtsel»
- Regie: Ava DuVernay
- Produktion: Jim Whitaker, Catherine Hand
- Drehbuch: Jennifer Lee, Jeff Stockwell; basierend auf "Die Zeitfalte" von Madeleine L'Engle
- Darsteller: Oprah Winfrey, Reese Witherspoon, Mindy Kaling, Gugu Mbatha-Raw, Michael Peña, Storm Reid, Zach Galifianakis, Chris Pine
- Musik: Ramin Djawadi
- Kamera: Tobias A. Schliessler
- Schnitt: Spencer Averick
- Laufzeit: 109 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
Eines, was man «Das Zeiträtsel» lassen muss: Das Widerstreben des Films, sich klar in eine Genreschublade zwängen zu lassen, steht in stimmiger Beziehung zum Grundkonflikt. Die 13-jährige Meg Murry (Storm Reid) fühlt sich seit dem Verschwinden ihres geliebten Vaters (Chris Pine) verlassen und orientierungslos. In der Schule wird sie gehänselt, die Beziehung zu ihrer wohlmeinenden Mutter ist eisig und ihr besserwisserischer Adoptivbruder Charles Wallace (Deric McCabe) hilft ihrem Ansehen auch nicht gerade. Eigentlich eine Träumerin, die von den wissenschaftlichen Bestrebungen ihres Vaters inspiriert ist, will Meg derzeit einfach nur eines: Nicht auffallen und ihre Ruhe haben. Aber: Wer nicht auffällt, wird übersehen, was Meg auch nicht recht ist …
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Dass die Protagonistin letztlich sehr wohl mehr ist als ein unbeschriebenes Blatt, ist fast ausschließlich Reids Schauspiel zu verdanken. Das Skript stellt Meg als austauschbare, dauergeknickte Jugendliche dar, doch Reid schafft es mit authentisch-wehleidigem Blick und besorgter, aber einen Hauch Vitalität bewahrender Stimmfärbung, diese Rolle aus der Ein- wenigstens in die Zweidimensionalität zu retten. Kein großes Lob, doch die Möglichkeiten, «Das Zeiträtsel» ehrlich gemeinte Komplimente zu machen, sind arg begrenzt.
Was noch positiv heraussticht, ist die überbordende Passion, mit der DuVernay «Das Zeiträtsel» ihren persönlichen Anliegen anpasst – wie etwa dem Streben nach einer größeren Diversität in Hollywood. Dies äußert sich nicht nur in der multikulturellen Besetzung, sondern auch in so selbstverständlichen, kleinen Details, wie beiläufigen Dialogwechseln über das lockige Haar der Hauptfigur oder Hintergrundelementen wie einem Buch über einflussreiche, indische Frauen, in dem Reese Witherspoons sprunghafte Rolle in einem ruhigen Augenblick blättert.
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Vor allem eine von DuVernay auf lachhafte Art inszenatorisch vergötterte, in einem starren Moderationsduktus salbadernde Oprah Winfrey lässt Sätze vom Stapel, als hätte sie zehn Jahresauflagen an alten Motivationspostern gefrühstückt. Doch auch sonst reiht sich in «Das Zeiträtsel» ein Kalender- und Glückskeksspruch an den nächsten – und wenn sich mal eine augenzwinkernde Leichtigkeit einstellt, wird sie prompt mit einem umso deutlicheren, sülzenden Merksatzmonolog hinfort gewalzt. Etwa, wenn die Botschaft, seine glückliche Mitte finden zu müssen, erst durch einen süffisanten Zach-Galifianakis-Auftritt angedeutet und dann ausführlich verbalisiert wird.
- © Walt Disney
Bei aller Gewalt, mit der «Das Zeiträtsel» durch schieren Text die "Sei motiviert! Du bist etwas wert! Lass dich nicht unterkriegen!"-Keule schwingt, bleibt wenig Raum, um durch die Erzählung wirklich zu inspirieren. Die Etappen, die Meg, ihr Adoptivbruder und ihr Schwarm Calvin (Levi Miller) auf ihrer weltenumspannenden Reise nehmen, haben selbst für einen Kinderfilm lachhaft niedrige Fallhöhen aufzuweisen. Erst labern die guten Damen, die den Kindern das blitzschnelle, intergalaktische Reisen beibringen, die Figuren mit "Ach, alles halb so wild!"-Kommentaren zu, dann heißt es plötzlich, dass Megs Vater dringend gefunden werden muss. Schon begeben wir uns in zügigen Schritten aufs Finale hinzu. Die Warnung, die Kinder dürften nun niemandem mehr trauen, vergessen die angeblich ach-so-vorsichtigen-und-schlauen Figuren sehr bald, in ernstzunehmender Gefahr sind sie dennoch nicht, dann bricht ein chaotisch inszeniertes CG-Gewitter ein. Seufz.
Der Look der digitalen Elemente von «Das Zeiträtsel» ist kurioserweise genauso seltsam wie der restliche Film: Auf der einen Seite sind die unterschiedlichen Welten, die im Laufe der rund 109 Filmminuten bereist werden, hübsch gestaltete, farbintensive Anblicke – und meistens sind die Figuren auch nahtlos in die digitalen Hintergründe eingefügt. Andererseits wirkt nicht eine einzige der Filmwelten echt – sie sind unterbevölkert, statisch und steril. Es ist so, als würden die Protagonisten in «Das Zeiträtsel» durch eine Reihe digitaler Gemälde reisen, statt durch eine Vielzahl an glaubhaften Welten.
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«Das Zeiträtsel» ist ab dem 5. April 2018 in einigen deutschen Kinos zu sehen.
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