Die Kritiker

«Macht euch keine Sorgen»

von

Ein Sohn aus gutem Hause wird Fundamentalist, schließt sich dem Islamischen Staat an und reist nach Syrien. Vater und Bruder reisen hinterher, um ihn zurückzuholen. So holzschnittartig wie diese Sätze ist leider der ganze Film.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Jörg Schüttauf als Stefan Schenk
Ulrike C. Tscharre als Simone Schenk
Leonard Carow als Jakob Schenk
Leonard Scheicher als David Schenk
Emilia Bohrisch als Marie Schenk
Rainer Sellien als Mathias Lehnert
Eva Meckbach als Evelyn Beckhahn

Hinter der Kamera:
Produktion: Zero One Film GmbH
Drehbuch: Jana Simon und Kathi Liers
Regie: Emily Atef
Kamera: Michael Kotschi
Produzent: Thomas Kufus
Als das Landeskriminalamt das gemeinsame Abendessen im Hause Schenk stört, weiß zuerst niemand aus der Familie, was es damit auf sich hat. Doch die Beamten präsentieren ruhig einen Durchsuchungsbeschluss für die Räume von Sohn Jakob (Leonard Carow), der laut den felsenfesten Beteuerungen seiner Eltern derzeit mit einem Freund Urlaub in Spanien mache. Nein, halten die LKA-Beamten dagegen: Laut ihren Erkenntnissen hat sich Jakob dem Islamischen Staat angeschlossen und hält sich derzeit in Syrien auf.

Der unfassbare Verdacht bestätigt sich schnell: Im spanischen Hotel, das Jakob seinen Eltern genannt hatte, ist er überhaupt nicht bekannt, und den gemeinsamen Freund, mit dem er dort angeblich Urlaub macht, trifft Vater Stefan (Jörg Schüttauf) in der Heimat an. Bald trifft David (Leonard Scheicher) ein, der älteste Sohn des Ehepaars, um seinen Eltern zu recherchieren, unter welchen Umständen und mit welchen Methoden sich junge deutsche Terroristen nach Syrien begeben. Schnell steht fest: Genau so hat es auch Jakob gemacht.

In der örtlichen Moschee treffen die Schenks derweil auf Phrasen, Nichtwisserei und Dementis. „Da gibt es ja auch so radikale Prediger“, bringt Mutter Simone (Ulrike C. Tscharre) unbeholfen ins Spiel. Nicht in dieser Moschee, versichert der Vorbeter, auch wenn er anfügt, freilich nicht in die Köpfe und Herzen seiner Gläubigen blicken zu können. Und im Koran, „da gibt es durchaus Stellen, die man missverstehen könnte“, wagt Simone einen neuen Versuch. Die wichtigsten seien jedoch die des Friedens und der Menschenfreundlichkeit, fügt der Vorbeter pflichtschuldig an, bevor er eifrig zu zitieren beginnt.

Schon früh wird offensichtlich, dass sich die Autoren nicht anders zu helfen wussten, als mithilfe von didaktischen Dialogpassagen ihre zahlreichen Disclaimer vorzutragen, um nicht missverstanden zu werden, gleichzeitig aber auch diffuse Ängste und unkundige Befindlichkeiten „ernst nehmen“ und entsprechend in das Meinungs- und Haltungsgeflecht verweben wollten, ohne allzu stark Stellung beziehen zu müssen. Der Film entwickelt keine wirkliche Haltung zu seinen Figuren, und gleichzeitig bleibt er auch psychologisch unbefriedigend oberflächlich.

„Dann fing er mit dem Islam an“, setzt Vater Stefan zu seinem Erklärungsversuch an, wie sich sein Sohn radikalisiert hat und zum Terroristen geworden ist. Doch allzu lange hält sich «Macht euch keine Sorgen» mit der psychologischen Ursachenforschung, dem Hoffen und Bangen und den juristischen Querelen in der Heimat ohnehin nicht auf. Stefan will Jakob zurück nach Deutschland holen – koste es, was es wolle. Zusammen mit seinem anderen Sohn David reist er deshalb in eine Stadt im jordanischen Grenzgebiet, von wo aus die Bomben und Geschütze schon überdeutlich zu hören sind, und findet schließlich – nachdem der Film gleichsam ausführlich auf die Gefahren und Beschwerlichkeiten in dieser Region aufmerksam gemacht hat – einen Kontaktmann, dem es gelingt, Jakob aus den Händen des Islamischen Staates zu befreien und nach Jordanien zu verbringen. Wie genau er das anstellt, bleibt ungeklärt.

Zurück in Deutschland wartet das letzte Untersuchungsfeld, das «Macht euch keine Sorgen» ebenso pflichtschuldig wie oberflächlich abarbeitet. Die Behörden haben freilich Sorge, dass Jakob nur in die Bundesrepublik zurückgekehrt ist, um hier bei einem Terroranschlag Menschen in den Tod zu reißen. Die Haltung des Films kokettiert ebenfalls mit dieser Möglichkeit, weil sie Jakob sich davonschleichen und der Kontrolle seiner Eltern entziehen lässt, während seine genauen Beweggründe dafür lange im Unklaren bleiben. Das soll Spannung aufbauen, passt aber schlecht in den erzählerischen Kontext, der eigentlich stets das Hintergründige zu betonen versucht: Was lässt junge Menschen aus offensichtlich ordentlichen familiären und persönlichen Verhältnissen und mitunter exzellenten Zukunftschancen zu radikalislamischen Terroristen werden?

Natürlich wäre es vermessen, von einem Fernsehfilm darauf eine allumfassende, gänzlich überzeugende Antwort zu erwarten. Doch er könnte zumindest Denkimpulse setzen oder mit psychologischem Feingefühl und aus einem besonderen, spannenden Blickwinkel einen interessanten künstlerischen oder sozialen Erklärungsansatz aufspüren. Genau das versäumt «Macht euch keine Sorgen» jedoch, indem der Film sein Sujet viel zu sehr im Allgemeingültigen und Generischen verbleiben lässt, wodurch eben nicht eine möglichst allgemeingültige Antwort erreicht wird, sondern eher eine Themaverfehlung. In einem guten Film spiegelt sich das Allgemeine im Konkreten, das Gesamte im Kleinen – und nur dadurch kann er, sofern er gelingt, einen sinnvollen, wertvollen Beitrag leisten, zu einer gesellschaftlichen Diskussion oder als künstlerisches Werk. Dieser Film vermag beides nicht.

Das Erste zeigt «Macht euch keine Sorgen» am Mittwoch, den 11. April um 20.15 Uhr.

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