Filmfacts: «A Quiet Place»
- Regie: John Krasinski
- Produktion: Michael Bay, Andrew Form, Brad Fuller
- Drehbuch: Bryan Woods, Scott Beck, John Krasinski
- Story: Bryan Woods, Scott Beck
- Darsteller: Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, Noah Jupe
- Musik: Marco Beltrami
- Kamera: Charlotte Bruus Christensen
- Schnitt: Christopher Tellefsen
- Laufzeit: 90 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Hauptdarsteller, Regisseur und Ko-Autor John Krasinski schröpft aus dieser Grundlage einen sensationellen Filmauftakt: Nahezu frei von Dialogen wird mit minutiösem Blick fürs Detail eine glaubhafte Welt entworfen, in der Lärm der größte Feind ist. Die Kamera fährt mit ähnlichem Bedacht durch die Schauplätze, wie die Figuren durch sie hindurch schreiten – und so lässt Krasinski sein Publikum zahlreiche Feinheiten aufsaugen, die zur angespannten Atmosphäre des «A Quiet Place»-Beginns beitragen. Holzfußböden sind an einigen Stellen stärker ausgetreten als an anderen. Von der Farm der Abbott-Familie gehen Sandspuren zu wichtigen Plätzen aus, auf denen die Figuren entlang schleichen. Brettspiele werden mit Filzfiguren gespielt, um möglichst wenig Geräusche zu machen. Ein ausgeklügeltes Lampensystem erlaubt es Familie Abbott und der Nachbarschaft, auch geräuschlos vor Gefahr zu warnen.
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Dadurch, dass Krasinski eingangs Szenen sowohl hinsichtlich des Erzähltempos ruhig ablaufen lässt, als auch im Hinblick auf die Geräuschintensität, bekommt das Sounddesign in «A Quiet Place» anfangs einen hohen Stellenwert beigemessen. Jedes Knistern, Rascheln und Tuscheln ist mit schneidender Klarheit abgemischt – und dennoch lebensnah leise. Aber der "Lärm endet tödlich"-Clou des Films setzt diese Flüstertöne in einen neuen Kontext: Wenn dies Figuren sich nicht weiter in Zeichensprache ausdrücken, sondern wichtige Aussagen oder dringende Ermahnungen flüstern, ist es so, als würden Leute im normalen Leben brüllen – es brennt ihnen so sehr etwas auf der Zunge, dass sie "laut" werden.
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Darüber hinaus begeht Krasinski den Fauxpas, der ungreifbaren Gefahr früh ein Gesicht zu geben – und sie immer länger und immer länger auf der Leinwand zu zeigen, bis sie vollauf entmystifiziert wird. Dass die «A Quiet Place»-Außerirdischen zudem das neuste, leicht spinnennartige Monstrum in einer Genreepoche sind, wo es vor solchen Wesen nur so wimmelt, raubt ihnen nur weiter an Schrecken – ganz zu schweigen von der unfreiwillig komischen Animation ihrer Gesichtspanzer.
Zudem setzt Krasinski, sobald «A Quiet Place» auf der Plotebene konventionell wird, nicht bloß auf schnellere Schnitte sowie eine hektischere Kameraarbeit, sondern leider auch auf einen hämmernden, zimmernden Score des Komponisten Marco Beltrami («Snowpiercer»). Die basslastigen, kraftvollen Melodien Beltramis sind zwar mitreißend und würden sich daher hervorragend in einem Actionthriller mit Jason Statham als Ein-Mann-Tötungskommando machen – in einem Film über Stille die leisen Handlungen der Figuren mit ihnen zuzukleistern, ist indes eine überaus kontraproduktive Regieentscheidung. Wie soll man mitfiebern und jeden Schritt der Abbotts in Gedanken mit ihnen zusammen abwägen, wenn alles in fetziger Actionmusik untergeht?
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Trotzdem fällt «A Quiet Place» nach seinem fesselnden Auftakt sukzessive in sich zusammen, so dass im letzten Drittel nur eine bildgewaltige, präzise geschnittene Silosequenz aus dem Sturm an Zufällen, altgedienten Genremotiven und wundersamen Entscheidungen heraussticht. Der hervorragende Anfang strahlt dennoch lange nach. Angesichts des immensen US-Kassenerfolgs von «A Quiet Place» besteht die Hoffnung, dass die unvermeidliche Fortsetzung einen draufsetzt und dieses werdende Franchise einen auf «The Purge» macht: Teil eins führt eine originelle Idee in Form eines sehr gewöhnlichen Films ein – und die Fortsetzungen schöpfen endlich das Potential des Grundkonzepts.
Fazit: «A Quiet Place» ist bildschön fotografiert und hat einen fesselnden Anfang, der die Figuren, die Filmwelt und das Grundkonzept ebenso elegant wie spannend etabliert. Und dann wird dieser originelle Horrorfilm zu einem alltäglichen Stück Genrelärm.
«A Quiet Place» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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