Die Kritiker

«Der Lissabon-Krimi - Alte Rechnungen»

von

Der zweite «Lissabon-Krimi» dringt etwas tiefer in die Biographie der Hauptfigur vor: Sonderlich viel zu entdecken gibt es da leider nicht.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Jürgen Tarrach als Eduardo Silva
Vidina Popov als Marcia Amaya
Christoph Schechinger als Júlio dos Santos
Katharina Pichler als Beatriz Oliveira
Luis Lucas als Valdemar Amaya
André Gago als Tiago Zarco
Ben Bela Böhm alls Abel Ferreira

Hinter der Kamera:
Produktion: Polyphon Pictures GmbH
Drehbuch: Sven S. Poser und Sönke Lars Neuwöhner
Regie: Martin Eigler
Kamera: Christoph Chassée
Produzentin: Sabine Tettenborn
International macht gerade eine achtteilige brasilianische Serie von sich reden: «O Mecaismo», die einen umfangreichen Korruptionsskandal zwischen hochrangigen Politikern (einschließlich dem Präsidenten) und einem milliardenschweren halb-staatlichen Unternehmen zum Thema hat, den sie kaum verklausuliert mit einem scharfen Auge für das Wesentliche und großem psychologischen Interesse an ihren Figuren – den Ermittlern wie den Tätern und den Helfershelfern – erzählt.

Gemeinsam mit der zweiten Folge des neuen «Lissabon-Krimis» im Ersten hat sie nicht nur ihren lusophonen Spielort, sondern auch das Umfeld ihrer Erzählung und das Thema, dessen sie sich annehmen will: politische Korruption und ihre Nutznießer.

Als in „Alte Rechnungen“ ein Beamter aus der Gesundheitsbehörde gewaltsam zu Tode kommt, scheint der Fall für die Ermittler schnell geklärt: Schließlich befindet sich am verwüsteten Tatort auch Tiago Zarco (André Gago), ein windiger schwerreicher Geschäftsmann, der seine Millionen mitunter dadurch verdient haben soll, dass er Krebsmedikamente für Kinder bis zur Wirkungslosigkeit verdünnt hat. Da das Mordopfer frisch aus der Justizvollzugsanstalt kam, wo es eine Haftstrafe wegen Korruption abgesessen hatte, und eine offene Rechnung mit jemandem wie Zarco insofern ein naheliegender Szenario ist, scheint Zarcos baldige Verurteilung wegen Mordes nur eine Formsache zu sein, nicht zuletzt auch weil sein aalglatter Anwalt zwar jede Menge Arroganz, aber kein bisschen Kompetenz ausstrahlt.

Zumindest bis unser Held auftritt: Eduardo Silva (Jürgen Tarrach), geschasster Oberstaatsanwalt und nun Strafverteidiger in Geldnöten, der sich Zarco andient. Ein harter Einstieg für jemanden, der bis vor kurzem noch mit vollem Eifer solche Leute hinter Gittern gebracht hat und für den Werte wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit nicht nur etwas schwülstige Parolen sind.

Seine kürzlich engagierte Assistentin Marcia Amaya (Vidina Popoc) ist dann auch ziemlich schockiert, als sie erfährt, dass ihr geschätzter Chef ausgerechnet dieses Mandat angenommen hat. Das Argument, dass ein Mordprozess allein aufgrund seiner Länge eine lukrative Einkommensquelle für einen Rechtsanwalt ist, zieht schließlich nur beim Ganoven Zarco. Amaya, gewitzt und menschenkenntnisreich wie die zweite Geige in öffentlich-rechtlichen Krimis eben ist, kommt dagegen schnell hinter Eduardos wahres Motiv: Rechtsbeugung. Eduardo will Zarcos Fall sabotieren und ihn hinter Gittern bringen, teilweise aus der aufrichtigen Abscheu des ehemaligen Staatsanwalts für den mordenden Kriminellen, teilweise aus persönlichen Motiven.

Amaya will ihn freilich eines Besseren belehren. In diesem Krimi klingt das so: „Sie dürfen das nicht machen, weil das falsch wäre!“ Und bald darauf bleibt von Eduardos selbstbetrügerischer Bräsigkeit („Unschuldig! Was heißt denn schon unschuldig!“) nicht mehr viel übrig. Wenn Zarco in den Knast kommen soll, dann auch für ein Verbrechen, das er tatsächlich begangen hat. Denn an dem Ableben des Gesundheitsbeamten, stellt Eduardo schnell fest, trifft Zarco tatsächlich keine Schuld.

Die Perspektive, aus der der «Lissabon-Krimi» seine Fälle erzählen will, unterscheidet sich zumindest auf dem Papier von der der meisten Krimis: Der Blickwinkel des Anwalts ist eigentlich ein radikal anderer als der der Strafverfolgungsbehörden. Polizei und Staatsanwaltschaft wollen den Schuldigen hinter Gitter bekommen, der Strafverteidiger ihn raushauen. Doch dem «Lissabon-Krimi» gelingt das Erstaunliche, aus diesem Blickwinkel überhaupt nichts Reizvolles, nichts Spannendes zu machen, und stattdessen den Rechtsanwalt all die depperten und realitätsfernen Szenarien abklappern zu lassen, mit denen deutsche Fernsehpolizisten im Normalbetrieb negativ auffallen: Eduardo dringt an Tatorte ein, entwendet Gegenstände seines Mandanten, verschafft sich rechtswidrig Zutritt zu allerhand Wohnungen und Industrieanlagen. Und anstatt Szenen zu finden, in denen sich Eduardo ernsthaft mit den ethischen Zwickmühlen seiner besonderen Position vis-a-vis seinem Mandanten und der öffentlichen Ordnung auseinandersetzen könnte, ergreift das Drehbuch lieber jede Gelegenheit, ausführlich zu rekapitulieren, an welchem Punkt sich die immer abstruser werdende Handlung gerade befindet.

Das Erste zeigt «Der Lissabon-Krimi – Alte Rechnungen» am Donnerstag, den 12. April um 20.15 Uhr.

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