«Wishlist» dreht sich um eine titelgebende Smartphone-App, die die Erfüllung aller Wünsche verspricht, dabei allerdings Gegenleistungen fordert. Je größer der Wunsch und je schwieriger dessen Umsetzung, desto extremer muss die Tat des Wünschenden sein, um diesen aufzuwiegen. Auch die 17-jährige Mira aus Wuppertal und ihr Freundeskreis entdecken die App und nutzen sie begeistert. Doch entdecken sie die Schattenseiten der Anwendung, die gefährliche Konsequenzen nach sich zieht und deren Erfinder scheinbar Böses im Schilde führen. Ihr aller Leben droht aus den Fugen zu geraten…
Der funk-Wish wurde erfüllt
Diese schon auf dem Papier ziemlich gewitzte Prämisse, die den Zeitgeist bedient und im Stile des gefeierten «Black Mirror» technische Fortschritte in eine düstere Richtung weiterdenkt, brachte «Wishlist» und funk viel Aufmerksamkeit. Mittlerweile wurden die 22 Videos, die im Rahmen der ersten beiden Staffeln auf YouTube erschienen, dort knapp acht Millionen Mal abgerufen. Doch der Erfolg der Serie schlägt sich nicht nur in Abrufzahlen wieder. Als eine Art Pionierprojekt unter deutschen Webserien sammelte schon die erste Staffel zahlreiche Preise. Diese backte noch wesentlich kleinere Brötchen als Staffel zwei und enthielt zehn Episoden, welche je zwischen 15 und 23 Minuten umfassten.
«Wishlist» erhielt den Förder- und Nachwuchspreis beim Deutschen Fernsehpreis, den Webvideopreis als „Best Video of the Year“ – sogar der Grimme-Preis sprang für die Produktion von Outside the Club im Auftrag von funk und Radio Bremen heraus. In der Begründung der Grimme-Preis-Jury hieß es, die Mystery-Serie für Jugendliche nehme sowohl das Genre als auch die Zielgruppe ernst. Sie sei nicht teuer, sehe aber teuer aus. Des Weiteren hätten die Serienschöpfer, Marc Schießer, Marcel Becker-Neu und Christina Ann Zalamea der altbekannten Story, dass jeder Wunsch einen Preis hat, neues Leben und jede Menge Zeitgeist eingehaucht.
Man kann es den Machern nicht verdenken, dass sie im Rahmen der zweiten Staffel größer dachten. Diese lief am 14. Dezember 2017 an, umfasste pro Episode nun schon über 30 Minuten und enthielt zwölf statt zuvor zehn Episoden. Doch die Produktion verhob sich damit. Nach Episode sieben wurden Fans der Serie über YouTube darüber informiert, dass das Team mehr Zeit brauche, um Staffel zwei umzusetzen. Der geplante Ausstrahlungsturnus, nach dem jeden Donnerstag eine Episode erscheinen sollte, wurde Ende Januar 2018 zwischenzeitlich über den Haufen geworfen. Erst Mitte März kehrte «Wishlist» mit neuen Episoden zurück.
Haben sich die Macher zu viel gewünscht?
Die Pause offenbarte vermeintlich die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Macher. Optisch und inhaltlich eiferte die Serie von Anfang an großen Serienvorbildern auf Streaming-Plattformen oder US-Premiumsendern nach, hielt sich in Sachen Laufzeit aber an die Sehgewohnheiten seiner Plattform und viel daher recht kurz aus. Gerade die visuelle Qualität kann «Wishlist» bei einem wohl überschaubaren Budget nicht hoch genug angerechnet werden. Um die fast doppelt so große Laufzeit zu füllen, ließen sich Regie und Drehbuch auch in Staffel zwei so manche toll anzusehende Animation und Kamerafahrt einfallen. Inhaltlich wurde aber deutlich: Weniger ist bei «Wishlist» mehr, denn es offenbarten sich Schwächen in der Figurenzeichnung, so manche zähe Szene und fehlgeleitete Entwicklungen in der Geschichte, die sich die Serie in Staffel eins noch nicht vorwerfen lassen musste.
Alles, was die Jury des Grimme-Preises über «Wishlist» sagte ist wahr. Doch inhaltlich übernahmen sich die Macher beim Versuch, die Serie auf die vermeintlich nächsthöhere und erstrebenswertere Stufe zu heben. War «Wishlist» einfach zur richtigem Zeit am richtigen Ort und wurde nur ausgezeichnet, weil endlich mal ein öffentlich-rechtliches Serienformat bei jungen Leuten ankam? Auch das ist falsch, denn die Mystery-Serie machte unheimlich viele Dinge richtig, an denen sich anspruchsvolle deutsche Webserien in Zukunft messen werden müssen – und nicht nur solche, die exklusiv im Netz erscheinen.
Warum «Wishlist» dennoch neue Maßstäbe setzte
Neben den inhaltlichen Qualitäten um eine originelle, zeitgemäße Story und tollen Schauwerten, verstand es «Wishlist» von Anfang an, seine relevanten Kommunikationskanäle zu bespielen. Dies geschah in Form von aufsehenerregenden Teasern, die mit dem Hashtag „#WasistWishlist“ versehen wurden, um die Informationen und Mutmaßungen zum neuen Format schnell und effizient im Netz zu sammeln und eine Diskussion zu entfachen. Gerade auf YouTube, der Plattform der Wahl, machte «Wishlist» ungemein viel richtig. Das fing mit perfekt inszenierten Vorschaubildern der Videos an, die entweder spektakuläre Bilder der Folgen vorwegnahmen oder plump aber umso effektiver auf „sex sells“ setzten.
Die Community auf der Werbeplattform wurde auch in Pausen mit Content wie Making Ofs, Behind-the-Scenes-Material, Ankündigungen, Outtakes oder Community-Interaktionen gefüttert, so wurde das Format für seine Nutzer persönlicher. Obendrein gewann «Wishlist» von Anfang an reichweitenstarke YouTube-Stars wie Dagi Bee, Mr. Trashpack oder Fynn Kliemann für die Produktion, die zwar nicht immer hohe Schauspielkunst mitbrachten, dafür aber ihre Fans und demnach großartige Klickzahlen. Die Netzstrategie von «Wishlist» ging damit voll auf, womit die Serie heute eines der ganz wenigen öffentlich-rechtlichen Formate darstellt, das im Internet zielgruppengerecht funktioniert. Neben des attraktiven Inhalts, der qualitativ zumindest aus deutscher Sicht durchaus eine positive Ausnahme darstellt, punktete «Wishlist» also vor allem durch Innovationen in Sachen Crossmedialität, Verbreitung und Zielgruppeninteraktion – und damit in Bereichen, in denen gerade deutsche Produktionen und Sender noch viel zu lernen haben.
Eine andere, bedenklichere Wahrheit ist auch, dass «Wishlist» als eines der wenigen Formate der öffentlich-rechtlichen Plattform funk wirklich einschlug. Schon zum Launch verpasste es das Angebot, zielgruppengerecht Werbung für sich zu betreiben, sodass einige der vielen neuen und hoffungsvollen Produktionen schnell komplett versandeten, gerade im Informationsbereich. «Wishlist» steht sinnbildlich für den Erfolg, den sich funk mit dem Großteil seiner Formate erhoffte, auch mangels guten Marketings aber verpasste. Auch wir haben daher einen „Wish“: Dass sich «Wishlist» auf die Stärken aus Staffel eins zurückbesinnt und seinen Inhalt plattformgerecht kompakter hält und dass funk sich am Erfolg von «Wishlist» orientiert, um die derzeit in der Versenkung verschwundene Plattform gründlich zu restaurieren.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel