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Bis einschließlich in die 1980er-Jahre war es eine absolute Rarität, dass ein Film mit mehr als einem Studiologo beginnt. Etwa bei den frühen «Star Wars»-Filmen, wo Lucasfilm die Produktion und Fox den Vertrieb übernahm. Die Produktionshäuser namhafter Produzenten, die sich am Projekt beteiligten, wurden üblicherweise aber erst am Ende des Films gezeigt – auch Steven Spielbergs Amblin Entertainment hatte sich bis zum letzten Augenblick einer Kinovorführung zu gedulden. Ein Produzentenduo wollte sich damit jedoch nicht zufrieden geben: Don Simpson und Jerry Bruckheimer, deren Filme in den 80ern für Paramount Pictures über eine Milliarde Dollar weltweit generierten.
Als 1990 Simpson/Bruckheimer und Paramount Pictures einen neuen Vertrag schlossen, forderten die Erfolgsproduzenten, dass sie ihr Studiologo direkt nach dem Paramount-Logo an den Anfang von «Tage des Donners» setzen dürfen. So sollte es auch geschehen – und obwohl das Rennfahrer-Actiondrama keinen Hit darstellte, setzte es einen Präzedenzfall, was andere namhafte Produzenten nicht ignorieren wollten. Spielberg zog nach, dann Rob Reiner und dann immer mehr. Nach und nach wurde es im Filmgeschäft zu einer dieser Eitelkeiten, die man sich gönnen musste: Wer als Produzent oder Ministudio etwas auf sich hält, kann doch nicht zulassen, dass andere ihr Studio zu Filmbeginn bewerben dürfen, man selber aber nicht! Kein Wunder, dass im Branchensprech diese Logofilmchen "Vanity Plate" oder "Vanity Card" heißen – also Eitelkeitskarte.
Nicht nur der "Also, wenn die ihr Logo vorm Film zeigen dürfen, dann wir doch bitte auch!"-Gedanke trägt dazu bei, dass sich die Anzahl der Studiologos vor neuen Filmen enorm gesteigert hat, seit Simpson und Bruckheimer die Regeln neu abgesteckt haben. Sondern auch die Veränderungen im Filmgeschäft: Großproduktionen werden immer teurer, und brauchen in der Regel daher mehr Schultern, auf denen ihre Last verteilt wird – und wer viel Geld hinblättert, will sein Logo an den Anfang parken. Zumindest im Normalfall. Manchmal sticht der Verhandlungspartner die kleineren Studios dann doch aus – so eröffnet der «Die Schöne und das Biest»-Realfilm ausschließlich mit dem Disney-Schloss, obwohl auch Mandeville Films das Projekt mitgetragen hat. Doch deren Logo ist nur nach dem Abspann zu sehen.
Ähnliches gilt ironischerweise für «Star Wars – Das Erwachen der Macht»: Seit Disney Lucasfilm geschluckt hat, beginnen die Filme ausschließlich mit dem Lucasfilm-Logo – J. J. Abrams' Label Bad Robot, das die siebte «Star Wars»-Episode mitverantwortete und zu Beginn zahlreicher anderer Filme zu sehen ist, wurde in diesem Fall ganz ans Ende verlagert.
Dies sind im Blockbusterkino allerdings zwei der sehr raren Ausnahmen. Noch ärger trifft es aber kleine Produktionen. Sonst heißt es ja bei Blockbustern "Mehr, mehr, mehr!", aber da das (Semi-)Independentkino im heutigen Filmgeschäft so riskant geworden ist, weil die Riesenproduktionen alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, müssen sich bei Kleinproduktionen oft noch mehr Partner zusammentun als bei Big-Budget-Unternehmungen. So kann es auch passieren, dass ein intimes Krebsdrama mit sechs oder gar sieben animierten Kurzfilmen beginnt, die je ein Filmstudio bewerben.
Aber nicht immer sind die zahlreichen Studiologos eine Hürde, die es zu nehmen gilt, bis der eigentliche Film loslegt. In einigen Filmen wird auch kreativ mit ihnen umgegangen – und damit sind nicht nur Logospielereien gemeint, wie solche, wenn die Minions die Universal-Melodie summen. Es geht auch atmosphärischer: Der britische Horrorfilm «Ghost Stories» unterlegt seine Intro-Logoparade mit Keuchen, Seufzen und minimaler, schauriger Musikuntermalung, bevor die Titeleinblendung radikal die Stimmung ändert. Ohne den Vorlauf, den die Studiologos bieten, könnte «Ghost Stories» dies nicht so effizient umsetzen. Und Joe Kraemer, Komponist hinter «Mission: Impossible – Rogue Nation», erläuterte im Interview mit 'Slashfilmcast', dass er es genießt, durch die lange Laufzeit der anfänglichen Studiologos die Möglichkeit einer Mini-Overtüre zu haben, was im modernen Kino sonst so gut wie gar keinen Platz mehr hat.
Und dann gibt es die Marvel Studios, die es tatsächlich im heutigen filmwirtschaftlichen Klima schaffen, ihre Mammutprojekte im Alleingang zu stemmen und gelegentlich sogar darauf verzichten, ihre Leinwandspektakel mit ihrer 'Vanity Card' zu beginnen. Gut, dafür holen sie es in Filmen wie «Guardians of the Galaxy», «Ant-Man» und «The First Avenger – Civil War» nach, indem sie ihr Logo zwischen Prolog und dem ersten Filmakt packen. Ähnlich, wie es viele Fernsehserien mit ihrer Titelsequenz tun. Laut «The First Avenger – Civil War»-Ko-Regisseur Anthony Russo obliegt die Entscheidung, ob das Studiologo klassisch zu Filmbeginn erscheint oder irgendwann im Filmverlauf, im Hause Marvel ganz uneitel den Regisseuren. Und Anthony sowie sein Ko-Regisseur und Bruder Joe Russo sind der Ansicht: Das Publikum will Spektakel sehen, also sollen sie beim Kinobesuch so schnell wie möglich dort hineingeworfen werden. Das Logo kommt dann halt bei der erstbesten Gelegenheit, um einen narrativen Bruch markant zu unterstreichen.
Na, dann können Marvel-Fans jetzt ja Wetten annehmen, wie lange es in «Avengers – Infinity War» dauert, bis das Studiologo erscheint. Und die gesamte Filmfangemeinde darf sich fragen, ob das Marvel-Modell je ebenso Schule machen wird wie die "Hey, wenn Simpson und Bruckheimer ihr Logo an den Anfang stellen dürfen, dann wir aber auch!"-Methode. Dann haben wir künftig bei manchen Filmen womöglich eines Tages eine dreiminütige Pinkelpause im ersten Drittel …
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
17.04.2018 18:15 Uhr 1
17.04.2018 18:50 Uhr 2
Und der Marvel-Vorspann ist doch richtig geil gemacht den ich immer gerne sehe. Genauso könnte man ja fast über Star Wars meckern.
17.04.2018 19:22 Uhr 3
Weiß nicht, ob du meiner Kolumne oder Sentinel antwortest. Wenn dein Post mir gilt: Ach, ich habe kein Problem mit Studiologos, überhaupt nicht. Wollte dennoch mal erklären, wo die Flut herkommt. Und mit "Ghost Stories" (und wahrscheinlich "Infinity War", mutmaße ich mal) hatte ich nun zwei Filme, die ich als aktuellen Anlass nehmen kann. Studiologos sind halt ein kleines Stück Eitelkeit - wie "Name ÜBER dem Filmtitel" auf Postern für Leute, die vor der Filmkamera stehen.
Das bombastische Marvel-Logo, das seit "Doctor Strange" genutzt wird, finde ich auch toll, vor allem, wenn es erst als Zäsur zwischen Prolog und dem ersten Akt IM Film vorkommt.
Dennoch musste der freundliche Seitenhieb sein: Wenn die Logoflut weiter steigt UND das Marvel-Modell massig kopiert wierden sollte, wäre das in Zukunft befremdlich.
Wenn du Sentinel geantwortet hast: Joah, vergiss den Kommentar hier. Vielleicht spricht er aber wen Anderes an.
17.04.2018 20:01 Uhr 4
17.04.2018 22:33 Uhr 5
Ich gehe ja sogar darauf ein, dass es früher auch Ouvertüren gab ...
Vielleicht mache ich bei Gelegenheit eine Kolumne zum Thema "Wie der Vor- zum Abspann wurde", damit du mir auch wirklich glaubst, dass ich von der Existenz klassischer Vorspannsequenzen nicht schockiert bin.
Soll ich auch was über Schwarz-Weiß-Filme und Stummfilme schreiben, damit klar wird, dass mir bewusst ist, dass das mal die Norm war? :mrgreen:
18.04.2018 17:15 Uhr 6
19.04.2018 12:25 Uhr 7
19.04.2018 17:00 Uhr 8
Dann hatte ich dich etwas falsch verstanden, denn der Satz "Aber nicht immer sind die zahlreichen Studiologos eine Hürde, die es zu nehmen gilt, bis der eigentliche Film loslegt." machte den Anschein, dass es dich stört und es früher besser (im Sinne von, man musste nich solange warten eh der eigentliche Film los ging) gewesen sei. Daher erwähnte ich, dass die Credits die jetzt im Abspann laufen zum Großteil früher bereits im Vorspann minutenlang zu sehen waren (natürlich nicht so gelistet, sondern meist Person für Person, bis hin zu Casting-Leuten, wo heute eigentlich wenn überhaupt nur noch der Regisseur und die Produzenten genannt werden).
Also kein Problem, war nur ein Missverständnis
Mein Beitrag bezog sich auch mehr auf Sentinel, hatte nur vergessen den Quote zu setzen, wobei
19.04.2018 18:46 Uhr 9
Danke für deine Antwort!
Die Betonung in dem Satz soll auf Hürde liegen - quasi: "Nicht immer sind sie halt einfach da - manchmal wird kreativ mit ihnen umgegangen". Selbiges lässt sich ja auch über klassische Vorspänne sagen. Mal passieren soe einfach, mal bereiten sie ästhetisch/tonal den Film vor.