Mehr über «Late Night Berlin»
Seither sind vier weitere Ausgaben der ProSieben-Sendung über den Äther gegangen. Unterm Strich lässt sich über das anfängliche Quartett an «Late Night Berlin»-Folgen urteilen: "Ja, steckt weiter in den Kinderschuhen." In Ausgabe zwei versuchte Heufer-Umlauf, ein Stück vom POL1Z1STENS0HN-Kuchen abzubekommen und zeigte ein Rapvideo, in dem Siri, Alexa und Google Home ihre Nutzerschaft dissen – der größte Lacher war allerdings ein kurzes Intermezzo von Cortana und TomTom. Die restliche Show blieb weiter "solide, doch mit schlummerndem Potential". Folge drei verlief vor dem Talk mit den gut aufgelegten Gästen Bjarne Mädel und Olli Schulz recht ereignislos, am 9. April stach die ausführliche "Neidisch auf Jörn Schlönvoigt" heraus.
Und dann kam der 16. April. Als wäre der Knoten geplatzt, lief praktisch die gesamte Ausgabe auf dem Niveau der Höhepunkte aus den früheren Folgen. Der von Heufer-Umlauf zielstrebig präsentierte Stand-up (unter anderem über das «Echo»-Desaster) mündete in eine Schreibtischaktion zur Rettung des Mega-Parks auf Mallorca, direkt danach präsentierte ein Einspieler Journalistin und Schriftstellerin Ronja von Rönne als «Late Night Berlin»-Ensemblemitglied und ließ sie herrlich-staubtrocken mit selbsternannten Flirtexperten über Sexismus sprechen.
Ein weiterer Einspieler zeigte dann Klaas Heufer-Umlauf selber in Aktion – und zwar mit Till Hagen, Kevin Spaceys deutscher Synchronstimme, im Schlepptau. Hier kam etwas «Circus HalliGalli»-Feeling auf, ohne die Identität von «Late Night Berlin» zu betrügen. Ähnliches gilt auch für den Talk mit dem Studiogast Sascha, der in eine Gesangsaktion mündete, in der Sascha und Klaas Songs covern, um über Themen zu klagen, über die noch nie zuvor in Liedversion geklagt wurde.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine Late-Night-Sendung etwas Zeit benötigt, um ihren Groove zu finden. Anders als Formate mit engem konzeptuellen Korsett, wie einer Spiel- oder Quizshow, lebt eine Late-Night-Show von der Attitüde des Moderators und davon, wie die Redaktion den Humor, der ihr für die Sendung vorschwebt, umsetzt. Sich da einzugrooven ist schwerer als bei Sendungen, die nach klarem Muster ablaufen – und selbst die sind selten in ihrer Anfangsphase in Bestform.
Bei «Late Night Berlin» kommt erschwerend hinzu, dass Klass Heufer-Umlauf und das Team von Florida TV bereits mehrere abendliche Comedyshows auf die Fernsehwelt losgelassen haben. Sich nun vom «MTV Home»/«neoParadise»/«Circus HalliGalli»-Duktus zu lösen, ohne die Fangemeinde zu verprellen, ist ein kniffliger Balanceakt. Die ersten vier Folgen tendierten vielleicht in eine zu spröde Richtung, muteten eher nach der "Es bietet sich gerade keine große Aktion an, ebenso wenig haben wir uns an einem tagesaktuellen Thema einen Narren gefressen"-Zwischenphase an, wie sie eingespielte Late-Night-Shows mit höherer Folgenschlagzahl gelegentlich befällt – die Spurenelemente, was die Sendung ausmacht, waren zu spüren, kamen jedoch nur minimal zur Geltung.
In Folge fünf deutete «Late Night Berlin» mit Energie und Verve an, das Potential zu haben, die etwas distinguiertere Version von «Circus HalliGalli» werden zu können. Nicht ganz so spritzig, dafür mit etwas mehr Biss – und im edleren Late-Night-Zwirn.
Am Montag, dem 23. April, zeigt sich ab zirka 23.15 Uhr, ob dies tatsächlich die Richtung ist, in die die «Late Night Berlin»-Reise geht – und ob das Team hinter dem in Potsdam beheimateten Format nun kreatives Feuer gefangen hat oder das neulich nur ein einzelner Funken war.
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21.04.2018 11:49 Uhr 1