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Am meisten Hoffnung auf ein solches Stück unverbrauchtes Fernsehen, wie es vielleicht dem Kritiker wichtiger ist als der Majorität des Publikums, machen noch die ersten Minuten der von Tower Productions verantworteten Show: Schmitz tritt vor das Studio-Publikum, das in diesem Fall aus etlichen Mitarbeitern einer großen Firma besteht und in Erwartung zahlreicher wertiger Preise besonders euphorisch applaudiert - immerhin haben jetzt ausnahmsweise einmal sie selbst das Sagen und können ihrem Chef so einige materielle Helferlein in Rechnung stellen, die den Arbeitsalltag erleichtern sollen. In insgesamt sechs Spielrunden können diese von ausgewählten Kollegen erspielt werden, wenn sie den bis zum Betreten des Fernsehstudios angeblich noch völlig ahnungslosen Chef schlagen. Big Boss soll dem Narrativ der Show zufolge nämlich davon ausgehen, dass die Kameras ihn lediglich für ein Firmenporträt bei einem ganz normalen Betriebsausflug filmen sollen.
Vieles wirkt unglaubwürdig, doch die Stimmung passt
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Doch einmal abgesehen von diesen kleinen Fehlgriffen, die schon früh an der Aufrichtigkeit der Sendung zweifeln lassen, ist man zu Beginn noch daran interessiert, welche Dynamik das Format entfalten wird: Das Publikum ist auch ohne depperte Konserven-Lacher gut drauf, Ralf Schmitz sowieso und der Einmarsch des vielleicht ein wenig, vielleicht gar nicht, vielleicht ja aber auch wirklich so richtig ahnungslosen Chefs weckt auch eine Art diabolische Vorfreude darauf, womit es die Belegschaft und die Redaktion dem als umtriebigen, aber auch hektischen und fordernden Boss schwer machen soll - immerhin verkörpert dieser auch den Prototypen eines Büro-Helden ohne Praxisbezug, der sich niemals freiwillig Hemd, Krawatte und Finger schmutzig machen würde. Und die Mitarbeiter-Befragungen bestätigen dieses Klischee-Bild in den anderthalb Stunden Netto-Sendezeit auch oft und gerne.
Die Spiele: «Takeshi's Castle» lässt grüßen
Tjoar und dann wird halt gespielt. Und wer bis dahin noch einige Hoffnungen in die Show und deren Innovationswert gehegt hat, muss sich dann hier eben der einigermaßen biederen Realität stellen: So wirklich viel ist der Redaktion hier nämlich nicht eingefallen, stattdessen werden überwiegend Spiele revitalisiert, die in der langen und umfassenden Genre-Geschichten schon ein wenig Staub angesetzt haben: Da kämpft nun ein ausgewählter Mitarbeiter gegen Chef Martin darum, möglichst schnell Autoreifen durch einen Parcours zu rollen und zu montieren, während in einer anderen Runde möglichst viele Gegenstände auf den Dach-Gepäckträger eines Autos geladen werden sollen, ohne dass diese herunterfallen.
- © MG RTL D / Christine Skowski
Zwischendurch weht sogar weit mehr als nur ein Hauch von «Takeshi's Castle» durch das Studio, denn Martin muss mit dem Kopf voraus das Loch in einer Wand ausfindig machen. Und danach nimmt er die Rolle des Fürsten Takeshi ein, dessen Wagen mit kleinen Trefferflächen ausgestattet ist, die es von seinem Konkurrenten zu treffen und zerstören gibt. Wer sich an das ritualisierte Finalspiel in der japanischen Kult-Spielshow erinnert, der weiß: Das gab es durchaus schon mal. Und durchaus auch deutlich cooler und größer als die Spar-Variante, die hier dargeboten wird. Das Finalspiel? Auch enttäuschend belanglos und erstaunlich kurz geraten.
Für einen Abend noch okay, für eine Staffel? Puh.
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RTL testet vorerst nur diesen einen Piloten am Mittwochabend (2. Mai) um 20:15 Uhr.
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