Hingeschaut

«Der Chef bekommt die Quittung»: Wenn dem Boss das Geld aus den Taschen quillt

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In einem neuen Primetime-Piloten lässt Ralf Schmitz Firmenchefs so richtig schwitzen - und weiß damit die Sympathien der Mitarbeiter im Studio schon mal hinter sich. Das zu sehen macht schon Spaß, kann sich aber schnell erschöpfen, denn das Gameshow-Element wird nur sehr halbgar umgesetzt.

Als Mitglied in Panel-Shows wie «Genial daneben» oder der «Schillerstraße», Stand-Up-Comedian und Buchautor ist Ralf Schmitz einer der beliebtesten Akteure der 2000er-Jahre, doch der ganz große Erfolg als Moderator einer Show blieb lange aus - bis vor fünf Jahren die komödiantisch angehauchte Datingshow «Take Me Out» an den Start ging und er auch in diesem Metier so richtig zu punkten wusste. Geschadet hat ihm dieser Eintrag in seiner Vita sicherlich nicht, wie seine abermalige Berücksichtigung im Zuge des brandneuen RTL-Piloten «Der Chef bekommt die Quittung» unter Beweis stellt. Der Zweistünder ist dem hibbeligen Improvisationstalent auf den Leib geschnitten: Flott unf kurzweilig kommt er daher, zugleich allerdings auch arg vergänglich und fernab jeder Ambition konzipiert, dem deutschen Fernsehmarkt ein wegweisendes Format zu bescheren, das es noch nicht in ähnlicher Ausführung bereits etliche Male gegeben hat.

Am meisten Hoffnung auf ein solches Stück unverbrauchtes Fernsehen, wie es vielleicht dem Kritiker wichtiger ist als der Majorität des Publikums, machen noch die ersten Minuten der von Tower Productions verantworteten Show: Schmitz tritt vor das Studio-Publikum, das in diesem Fall aus etlichen Mitarbeitern einer großen Firma besteht und in Erwartung zahlreicher wertiger Preise besonders euphorisch applaudiert - immerhin haben jetzt ausnahmsweise einmal sie selbst das Sagen und können ihrem Chef so einige materielle Helferlein in Rechnung stellen, die den Arbeitsalltag erleichtern sollen. In insgesamt sechs Spielrunden können diese von ausgewählten Kollegen erspielt werden, wenn sie den bis zum Betreten des Fernsehstudios angeblich noch völlig ahnungslosen Chef schlagen. Big Boss soll dem Narrativ der Show zufolge nämlich davon ausgehen, dass die Kameras ihn lediglich für ein Firmenporträt bei einem ganz normalen Betriebsausflug filmen sollen.


Vieles wirkt unglaubwürdig, doch die Stimmung passt


Was uns das Team um Schmitz hier zu Beginn für eine Geschichte auftischen wollen, mutet alles in allem nur wenig glaubwürdig an, zumal Monsieur Anzugträger die Zwangsbeglückung, die Tausende Euro schweren Wohltaten für seine Mitarbeiter aus eigener Tasche zahlen zu sollen, ebenso erstaunlich gefasst aufnimmt wie das Studio-Setting vor versammelter Belegschaft, die bereits im Vorfeld mit einem Bus in Richtung TV-Studio gefahren wurde. Dem Authentizitätsempfinden auch nicht gerade dienlich sind auch die während der Einspielfilmchen zu hörenden Lacher, die mitunter so hölzern und unpassend wirken, dass sie wohl kaum der natürlichen Reaktion im Studio entsprochen haben dürften. Eine televisionäre Unsitte aus der akustischen Konservenbüchse, die wohl nie ihr Ende finden wird - aber auch längst nicht mehr wirklich zu schocken vermag.

Doch einmal abgesehen von diesen kleinen Fehlgriffen, die schon früh an der Aufrichtigkeit der Sendung zweifeln lassen, ist man zu Beginn noch daran interessiert, welche Dynamik das Format entfalten wird: Das Publikum ist auch ohne depperte Konserven-Lacher gut drauf, Ralf Schmitz sowieso und der Einmarsch des vielleicht ein wenig, vielleicht gar nicht, vielleicht ja aber auch wirklich so richtig ahnungslosen Chefs weckt auch eine Art diabolische Vorfreude darauf, womit es die Belegschaft und die Redaktion dem als umtriebigen, aber auch hektischen und fordernden Boss schwer machen soll - immerhin verkörpert dieser auch den Prototypen eines Büro-Helden ohne Praxisbezug, der sich niemals freiwillig Hemd, Krawatte und Finger schmutzig machen würde. Und die Mitarbeiter-Befragungen bestätigen dieses Klischee-Bild in den anderthalb Stunden Netto-Sendezeit auch oft und gerne.

Die Spiele: «Takeshi's Castle» lässt grüßen


Tjoar und dann wird halt gespielt. Und wer bis dahin noch einige Hoffnungen in die Show und deren Innovationswert gehegt hat, muss sich dann hier eben der einigermaßen biederen Realität stellen: So wirklich viel ist der Redaktion hier nämlich nicht eingefallen, stattdessen werden überwiegend Spiele revitalisiert, die in der langen und umfassenden Genre-Geschichten schon ein wenig Staub angesetzt haben: Da kämpft nun ein ausgewählter Mitarbeiter gegen Chef Martin darum, möglichst schnell Autoreifen durch einen Parcours zu rollen und zu montieren, während in einer anderen Runde möglichst viele Gegenstände auf den Dach-Gepäckträger eines Autos geladen werden sollen, ohne dass diese herunterfallen.



Zwischendurch weht sogar weit mehr als nur ein Hauch von «Takeshi's Castle» durch das Studio, denn Martin muss mit dem Kopf voraus das Loch in einer Wand ausfindig machen. Und danach nimmt er die Rolle des Fürsten Takeshi ein, dessen Wagen mit kleinen Trefferflächen ausgestattet ist, die es von seinem Konkurrenten zu treffen und zerstören gibt. Wer sich an das ritualisierte Finalspiel in der japanischen Kult-Spielshow erinnert, der weiß: Das gab es durchaus schon mal. Und durchaus auch deutlich cooler und größer als die Spar-Variante, die hier dargeboten wird. Das Finalspiel? Auch enttäuschend belanglos und erstaunlich kurz geraten.

Für einen Abend noch okay, für eine Staffel? Puh.


Auch sonst ist es wohl vornehmlich dem gut aufgelegten Moderator und dem sehr dankbaren, da sich über zahlreiche skurrile Gewinne wie etwa Bügelpuppen freuendem Publikum im Studio zu verdanken, dass man «Der Chef bekommt die Quittung» seine Substanzarmut nicht allzu deutlich anmerkt. Was man dort am Abend zu sehen bekommen wird, ist kein Fernsehen, über das noch in Tagen und Wochen geredet wird, aber für den Moment fühlt es sich doch zumindest ganz unterhaltsam und kurzweilig an. Ob das nun wirklich der große Wurf sein soll mit dem der Zielgruppen-Marktführer künftig allzu viele Abende bestücken wird, müssen letztlich in allererster Linie die Einschaltquoten zeigen - ein Fall für den Grimme-Preis ist diese seichte Form der TV-Unterhaltung gewiss nicht. Bei der Auswahl der Spiele hätte sich die Redaktion sicher ein klein wenig mehr Mühe geben können, aber ansonsten trägt das Gerüst die zwei Stunden soeben noch. Nett ist nett ist nett ist nett, muss aber nicht zwingend eine Fortsetzung finden.

RTL testet vorerst nur diesen einen Piloten am Mittwochabend (2. Mai) um 20:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/100622
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