Cast & Crew
Vor der Kamera:Henning Baum als Robert Anger
Franziska Weisz als Rebecca Anger
Max von Thun als Micki Witt
Natalia Rudziewicz als Sabine Puttkammer
Jeff Wilbusch als Yousef Musi
Katharina Stark als Sofia Anger
Kathrin von Steinburg als Victoria Witt
Hinter der Kamera:
Produktion: H & V Entertainment GmbH
Drehbuch: Jan Rickenn und Roderick Warich
Regie: Felix Herzogenrath
Kamera: Mathias Neumann
Produzenten: Mischa Hofmann und Marcus Mende
Am nächsten Morgen ereignet sich in einem Münchener Hotel eine Schießerei: Als Streifenpolizistin vor Ort ist Victoria, zusammen mit einem übereifrigen Kollegen. Auch Robert Anger, der über Funk von dem Vorfall erfährt, eilt zum Ort des Geschehens – und just, als er dort eintrifft, trifft Victoria ein tödlicher Schuss, abgefeuert von einem der Gangster.
Das LKA reißt – wie in solchen Filmen üblich – den örtlichen Behörden schnell die Verantwortung aus den Händen. Doch es sind noch weit höhere Mächte im Spiel, die so sehr mit der Abwendung von Großkatastrophen beschäftigt sind, dass sie auf individuelle Schicksale keine Rücksicht mehr nehmen können. Der Tod der Polizistin hat ihnen große Probleme in die Welt gesetzt, und sie sehen nur einen Ausweg: Sie etablieren Robert Anger als ihren Mörder und stellen ihn der Öffentlichkeit als brandgefährlichen Terroristen vor, der in München einen Anschlag plant. Dafür fingieren sie Beweismittel, manipulieren Videoaufzeichnungen, und der Kopf der Verschwörung, ein kaltblütiger alter Mann, übt mit einer Mischung aus Charisma und Drohgebärden sanften bis starken Druck auf die leitende LKA-Beamtin Sabine Puttkammer (Natalia Rudziewicz) aus.
So wird Anger zum Gejagten und muss seine Unschuld beweisen. Ihn und seine Frau führt das zu einigen Wahrzeichen von München – unter anderem ins weltberühmte Olympiastadion – und durch manche etwas sonderbar konstruierte Plotwendungen auch zu abstruseren Zielsetzungen: Angers genereller Plan, die erlogenen Vorwürfe gegen ihn zu entkräften und Beweise für die Wahrheit zu beschaffen, mündet mitunter in einen Versuch, Mitglieder des Komplotts abzuknallen, wobei unklar bleibt, was genau damit gewonnen wäre, während die thematischen Eckpunkte des Stoffs oberflächlicher bleiben, als sie sein müssten.
Denn während Angers Familie ohne den geringsten Vorbehalt an seiner Seite steht, beschleichen Angers jahrzehntelangen Freund, der in Personalunion noch dazu der Hinterbliebene der erschossenen Polizistin ist, trotz der engen persönlichen Bande einige Zweifel; zu perfekt wirkt das Komplott, das die Verschwörer entworfen haben: Anger, der islamistische Terrorist, der sich bei seinen Einsätzen im Irak und in Afghanistan radikalisiert hat, bei dem (natürlich von den Verschwörern deponierte) Scharfschützengewehre in der Gartenlaube gefunden werden, und und und. Doch dieses Hadern und Zweifeln bleibt eine Randnotiz, die nach einigen klärenden Gesprächen mit Angers standhafter und integrer Frau rasch aus der Welt geschafft ist. Dabei hätten von einer stärkeren Zuspitzung dieses Konflikts um das Umfeld des mit Lügen demontierten Opfers Anger spannende inhaltliche Impulse ausgehen können, die einige der schwächeren Handlungsentwicklungen vielleicht etwas eleganter kaschiert hätten – und zumindest den bayerischen Zuschauer in diesen seichteren Momenten davon abhalten könnten, einmal den Begriff Polizeiaufgabengesetz durch Google zu jagen.
In diesem Zuge missfällt auch, wie wenig inhaltliches Interesse dem paranoiden Grundszenario dieses Films gewidmet wird: der Vorstellung, dass hochrangige Personengruppen in den Staatsschutzbehörden mit ihrer strukturellen Allmacht das Leben eines Bürgers zerstören, im (aufrechten?) Glauben, damit möglicherweise viele weitere zu retten. An dieser Themenstellung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur der politische Diskurs abgearbeitet; er bildet auch das freilich entsprechend exemplarische Untersuchungsfeld von zahlreichen fiktionalen Werken, insbesondere auch Fernsehfilmen: «Der Staatsfeind» steht also gezwungenermaßen in einem gewissen filmischen Kontext, der seit langer Zeit den Grenzbereich zwischen individueller Freiheit und allgemeiner Sicherheit auslotet. Und auch im Hinblick auf die immense Paranoia, die für die Akzeptanz seiner Grundannahmen unerlässlich ist, betritt er kein Neuland: Vor einigen Jahren hat bereits der öffentlich-rechtliche Film «Unterm Radar» eine nicht ganz unähnliche Fallkonstellation entworfen, wenn auch politischer und mit klareren (realen) Feindbildern erzählt (einer verzerrten Interpretation der amerikanischen Sicherheitspolitik).
- © SAT.1/Marc Reimann
«Der Staatsfeind» versucht nun vielmehr das narrativ und intellektuell Unmögliche: Er bedarf einer gewissen Erdung in realen Zuständen, um als Stoff verfangen zu können – also der permanenten Bedrohung durch radikalislamische Terroristen und die Arbeit der Sicherheitsbehörden, um diese Bedrohung abzuwenden, – doch er scheint sich in dieses Spannungsfeld partout nicht mit einer Haltung einmischen zu wollen. Das jedoch lässt ihn unnötig schwammig und denkfaul wirken.
Gleichzeitig bleibt dieser Zweiteiler psychologisch ähnlich oberflächlich wie politisch: Weite Teile des Handlungsgerüsts wirken um pittoreske, gleichzeitig aber bereits vielgesehene Verfolgungsjagden herumgeschrieben, die noch dazu in ihrer opulenten, aber erzählerisch sinnlosen Inszenierung den Eindruck erwecken, München als Spielort sei relevanter als eine Vielzahl der Figuren.
So sind auch die Gegner unseres Helden selbst für die Konventionen durchschnittlicher Agenten-/Polizisten-Thriller unpassend holzschnittartig entworfen: Der allmächtige ältere Mann, der als treibende Kraft des Komplotts fungiert, ist im Sinne seines Weltbilds weise, zu allem entschlossen und von schier grenzenlosem Selbstbewusstsein, bis er schließlich einen dämlichen Fehler macht, der ihn umbringt. Seine Helfershelfer – hier verkörpert von einer willfährigen LKA-Beamtin – folgen ihm lange in blindem Gehorsam, bis die Sachlage so offensichtlich gegen ihn spricht, dass sie ihn fallen lassen müssen. Und Robert Anger, der tolle Hecht und ein in seiner Aufrichtigkeit und Ehrhaftigkeit (nahezu) unfehlbarer Mann, steht am Schluss geläutert vor dem Publikum. An diesem Bild stört nicht einmal so sehr diese tumbe Schwarz-Weiß-Malerei, sondern der geballte Unwille, auch nur ein Quentchen tiefer in das Innenleben der Figuren vorzudringen, als vor dem Handlungsabriss unbedingt nötig. Im Ergebnis steht ein Film, der vor allem gefällig und eingängig sein will, und der nicht einmal so tut, als wolle er etwas von Wert erzählen, sondern seine Erzählung allein als Vorwand versteht, um einen attraktiven Mann wie Henning Baum allerhand zupackende Dinge tun zu lassen, in denen er gut aussieht: Diese Mentalität lässt den «Staatsfeind» zu seinem eigenen größten Feind werden.
Sat.1 zeigt den ersten Teil von «Der Staatsfeind» am Dienstag, den 8. Mai um 20.15 Uhr. Der zweite Teil folgt eine Woche später auf demselben Sendeplatz.
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06.05.2018 11:33 Uhr 1