Facts zu «Atlanta»
- Genre: Comedy-Drama/Surreale Comedy
- Schöpfer: Donald Glover
- Darsteller: Donald Glover, Bryan Tyree Henry, Lakeith Stanfield, Zazie Beetz u.v.m.
- Episodenzahl: 21 (2 Staffeln)
- Executive Producer: Donald Glover, Dianne McGunigle, Paul Simms & Stephen Glover
- Weltpremiere: 6. September 2016 (FX)
- Deutschlandpremiere: 21. November 2016 (FOX)
- Auszeichnungen: u.a. einen Golden Globe in der Kategorie "Beste Serie - Komödie/Musical"
Dass «Atlanta» wirklich einen Einfluss auf diese Wirklichkeit hat oder die Kraft, etwas zu verändern, darf bezweifelt werden. Die Popularität der Serie spielt sich bislang vor allem in den Medien ab, wo Rezensenten auf einschlägigen Portalen häufig nach jeder Folge die Geschehnisse rekapitulieren und Analysen vornehmen, was Glover, der im Format den Alleingänger Earnest „Earn“ Marks spielt, nun wieder aussagen wollte. Der ausbleibende Mega-Hype resultiert jedoch aus mehreren Aspekten. Zum einen läuft «Atlanta» auf dem eher kleinen Kabelsender FX, gleichwohl sich dieser schon ein ums andere Mal durch echte Serien-Perlen wie beispielsweise «Fargo» verdient machte. Zum anderen erzählt «Atlanta» aus einer sehr afroamerikanischen Perspektive über die Lebensrealität in der titelgebenden Lokal-HipHop-Hochburg «Atlanta» in Georgia. Das schränkt die Zielgruppe massiv ein.
Raub ist in den USA allgegenwärtg
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Wer glaubt, sich unter dieser Zusammenfassung schon in etwa den Verlauf der elf Episoden umfassenden Staffel vorstellen zu können, die hierzulande seit dem 8. März auf dem FOX-Channel im Pay-TV läuft, der irrt gewaltig. Vermutlich sind damit nicht einmal zehn Prozent des eigentlichen Inhalts abgebildet, den Glover in dieser Staffel vermitteln will. Zuschauer tun überhaupt gut daran, komplett unvoreingenommen an neue Ausgaben heranzugehen, denn wahlweise erzeugen diese Überraschungen, Begeisterung, Verwirrung oder regelrechte Angstzustände. Nie entwickelt sich eine Episode so, wie man es sich vorgestellt hat, immer verfügen die Folgen aber über eine mindestens so hohe Qualität wie erwartet.
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«Atlanta» stellt die Opfer in den Vordergrund
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Selbst wenn Henry ausdruckslos in eine Richtung schaut, werden Angst, Schmerz und Enttäuschung für den Beobachter erkennbar. Wörtlich und metaphorisch wird Alfred innerhalb der Saison fast ständig beraubt: Von seinem Dealer mit einer Pistole, weil der fälschlicherweise denkt, Alfred könne das Geld leicht mit Rap zurückverdienen, obwohl seine Karriere nicht einmal richtig begonnen hat. Von seinen jungen Fans, die dem gleichen Irrtum anheimfallen. Mitarbeiter eines Platten-Labels rauben ihm den Respekt, weil sie ihn wie ein exotisches Tier behandeln und ein Friseur raubt ihm seine Zeit, als er ihn durch eine Reihe von Missgeschicken schleppt.
Trivia zu «Atlanta»
- Alle Raps des fiktiven Charakters "Paper Boi" schreiben und singen Donald Glover und sein Bruder Steve
- Donald Glover beschrieb die Serie als "«Lass es, Larry», nur mit Rappern"
- Glover wuchs in Atlanta auf und arbeitete ebenfalls als Musiker. Er sagt, die Stadt habe den Ton der Serie beeinflusst.
- Alle Autoren der Serie sind Afro-Amerikaner
- Glover pitchte die Serie als "David Lynch, wenn er eine Serie über HipHop-Kultur machen würde"
Dann wäre da noch die Episode „Teddy Perkins“, die fast über Nacht Legendenstatus erreichte. Darin avancierte Darius zum Helden einer Horror-Sozial-Satire über zwei Musikkünstler-Brüder, die von ihrem gewalttätigen Vater einer glücklichen Kindheit beraubt wurden, um in der Welt der Musik Erfolg zu haben. Die Bezüge zur Geschichte von Michael Jackson sind offensichtlich, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Titelfigur der Ausgabe, ein Afroamerikaner, sich zu einem weißen Mann hat umoperieren lassen. „Teddy Perkins“ sieht sich wie eine Mischung aus der Kino-Sensation «Get Out» und «Der Tatortreiniger».
Experimentell, symbolisch, tiefgründig: Serien-Chimäre «Atlanta»
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Der experimentelle Charakter spiegelt sich auch im Umgang mit dem Kern-Cast wieder. In Staffel eins konzentrierte sich «Atlanta» noch auf Earn, Vanessa, Darius und Alfred, die häufig zusammen in Szenen interagierten. Immer häufiger trennte «Atlanta» die Charaktere in Staffel zwei, beraubte sie damit der Sicherheit der Gruppe. Weil die vermeintlichen Hauptfiguren immer mehr auf andere Figuren reagieren, sich um sie kümmern oder durch sie leiden mussten, wurden Gast-Darsteller teilweise zu den eigentlichen Protagonisten. Jede Episode hat eine Art Prolog als Szene, die in ihrer oft surrealen Machart an «Twin Peaks» erinnern, das Glover in Interviews des Öfteren als Inspirationsquelle erwähnte. Ausgaben wie „Teddy Perkins“ oder „Woods“, in der Alfred durch einen Wald irrt und gleichzeitig durch sein eigenes Innenleben, unterstreichen diesen Einfluss. Bilder wirken traumhaft oder metaphorisch, obwohl die Serie keinen Zweifel daran lässt, dass sie tatsächlich geschehen.
Reiht man all diese Episoden, diese kleinen Geschichten, nebeneinander auf, erkennt man den Unterschied zwischen Kurzgeschichten und einem ganzen Roman. Obwohl «Atlanta» bruchstückhaft erzählt und den Konventionen eines horizontal erzählten Formats widerstrebt, entwickeln sich die Charaktere immer weiter. Jede Episode funktioniert alleinstehend als Darstellung von Situationen oder Begegnungen, die fast immer mit einer Art Realisierung oder Verdrängung seitens der Charaktere enden. Die übergeordnete Geschichte wird damit subtil vorangetrieben und über den Lauf der Saison vereint. «Atlanta» handelt noch immer vom hochintelligenten Versager Earn, der desillusionierten Vanessa, dem philosophischen Darius und dem eigentlich weichen Gangster-Rapper Alfred. Und gleichzeitig von viel mehr.
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