Es ist noch gar nicht allzu lange her, dass RTL die unumstrittene Nummer eins in der Zielgruppe am Sonntagvorabend war. Während es die Kölner am Samstag zu dieser Zeit gegen die quotenstarke «Sportschau» im Ersten nie besonders leicht hatten (und bis heute haben), wussten Eigenproduktionen am starkfrequentierten Sonntag lange Zeit ein breites Publikum zu überzeugen. Sendungen wie «Bauer sucht Frau» oder «Vermisst» sind auf dem Sendeplatz nach den RTL-Nachrichten einst sogar bekannt und groß geworden - und schafften in der Folge (zumindest vorübergehend) auch den Sprung in die Primetime. «Vermisst» brachte es im Jahr 2011 beispielsweise auf Spitzenreichweiten von mehr als sechs Millionen Zuschauern.
Doch auch viele andere Formate zeigten lange Zeit eine bemerkenswert starke Performance. «Schwiegertochter gesucht» etwa holte vor sieben Jahren öfters mehr als fünf Millionen Zuschauer. Auch für Sendungen mit Christopher Posch und Helena Fürst sah es mit bis zu vier Millionen Zuschauern zeitweise sehr gut aus. Dagegen sind Versuche, neue Formate zu etablieren, in den letzten Jahren oft schiefgegangen. Als eine der erfolgreichsten Neuentwicklungen der letzten Jahre dürfte hier schon «Comeback oder weg?» zu betrachten sein. Die Sendung, die es bislang auf zehn Folgen gebracht hat, läuft insgesamt zwar klar unterdurchschnittlich, beim jungen Publikum aber immerhin solide.
Ansonsten gibt es vor allem noch zwei starke Vorabend-Marken, die inzwischen aber auch mit Problemen zu kämpfen haben: «Schwiegertochter gesucht» beschert RTL zwar bis heute über Wochen hinweg ordentliche Quoten, die Reichweiten schaffen es aber nicht mehr über die Marke von vier und erst recht nicht über die von fünf Millionen Zuschauern. Und «Vermisst» – dieser Tage die reichweitenstärkste Vorabendsendung von RTL. Doch auch das Format mit Sandra Eckert hat zumindest ein kleines „Problemchen“: Während es beim Gesamtpublikum überdurchschnittlich stark abschneidet, läuft es beim jungen Publikum oft „nur“ ordentlich.
Wieso es RTL am Sonntagvorabend nicht mehr so leicht hat wie noch vor einigen Jahren, dürfte dabei verschiedene Gründe haben. Zum einen wäre da die Tatsache, dass sich viele etablierte Marken («Schwiegertochter gesucht» läuft seit mehr als zehn Jahren) mit der Zeit einfach abgenutzt haben. Hinzu kommt, dass der Stellenwert des gemeinschaftlichen Fernsehschauens am Sonntagabend (Stichwort „Lagerfeuer“) in den letzten Jahren sicherlich zurückgegangen ist. Dagegen weiß sich allenfalls noch der «Tatort» zu wehren. Nicht zu vergessen ist die starke Konkurrenz: Zum einen durch das ZDF, das mit «Terra X» nicht selten große Erfolge feiert, zum anderen auch durch Sat.1. Der Bällchensender ist unter anderem mit der Ex-RTL-Frau Julia Leischik und ihrem Format «Julia Leischik sucht: Bitte melde dich» ziemlich erfolgreich unterwegs.
Die starke Konkurrenz und die eigenen gesunkenen Quoten zwingen RTL dazu, am Sonntagvorabend weiter zu experimentieren. Diesen Sonntag etwa lässt der Kölner Sender Peter Zwegat mit einer Spezial-Folge von «Raus aus den Schulden» auf Sendung gehen. Das Format, das RTL über Jahre hinweg am Mittwochabend starke Quoten bescherte, darf sich somit erstmals am Sonntag versuchen. „Normalos“ werden in «Raus aus den Schulden» allerdings nicht mehr behandelt werden. Nach einem weiteren Promi-Special in dieser Woche hat RTL ein Immobilien-Special für den kommenden Sonntag angekündigt.
Tatsächlich scheinen gute Quoten mit dieser Programmierung möglich: So war die Anzahl der televisionären Einsätze von Peter Zwegat in den letzten Jahren zwar sehr beschränkt, wenn er aber auf Sendung ging, schalteten die Zuschauer auch ein. 2016 erreichte ein am Mittwochabend gezeigtes Special mehr als 3,5 Millionen Zuschauer und starke 17,3 Prozent der Jüngeren, eine weitere Spezialsendung brachte es diesen April noch auf 2,75 Millionen Zuschauer und ordentliche 14 Prozent. Für weitere Specials am Sonntagvorabend könnten sich also durchaus ein paar Zuschauer finden lassen.
Und trotzdem: Um langfristig wieder die ungeschlagene Nummer eins am Vorabend zu werden, wird es bei RTL sicherlich mehr als ein paar Specials einer altbekannten Marke brauchen. Dafür dürfte «Raus aus den Schulden», das auch schon seit 2007 im TV vertreten ist, inzwischen zu angestaubt sein. Was genau RTL also braucht, ist schwer zu sagen - was mit anderen Worten heißt, dass am weiteren Ausprobieren von neuen Konzepten und Formaten kein Weg vorbeiführen dürfte.
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