Die Lektion, die sich aus Phase drei des 'Marvel Cinematic Universe' ziehen lässt
Konstantes Abliefern allein genügt wahrscheinlich nicht – Varianz muss auch her. Innerhalb von vier Jahren hat Lucasfilm vier «Star Wars»-Filme rausgebracht, die zwar in ihrem Tonfall und Look Unterschiede aufweisen, jedoch eine klare, enge Verwandtschaft nicht leugnen lassen. Beim breiten Publikum kann sich da eine gewisse Müdigkeit einstellen: "Sehe ich den einen nicht im Kino, sehe ich halt den anderen Film demnächst. Macht doch kaum einen Unterschied."
Marvel lief zwischendurch Gefahr, trotz breiter Figurenvielfalt ebenfalls zu oft in dieselbe Kerbe zu schlagen. «The First Avenger – Winter Soldier» und «Guardians of the Galaxy» deuteten in der sogenannten Phase zwei des Marvel Cinematic Universe Änderung an, selbst wenn sie noch immer einen ähnlichen dritten Akt hatten und sich der "Etwas Großes stürzt vom Himmel"-Trick bald danach in «Avengers: Age of Ultron» wiederholen sollte. Seit Phase drei des Marvel-Filmuniversums, also seit «The First Avenger – Civil War», gleicht kein Marvel-Studios-Film dem anderen. Gewiss, sie alle sind comicbasierte, actionreiche Blockbusterunterhaltung, oft mit flotten Sprüchen. Aber visuell, tonal und in Sachen Actionstilistik sowie hinsichtlich des Grundkonflikts bieten sie innerhalb dieser Filmfamilie wachsende Abwechslung.
«Star Wars» könnte dies mühelos imitieren. Han Solo und Chewbacca könnten durch einen echten Weltallwestern stapfen. Boba Fett könnte einen kernigen Actionfilm spendiert bekommen. Wie wäre es mit einem «Black Panther»-artigen Actiondrama über das Herrschaftssystem auf Naboo? Noch klammert sich die neue «Star Wars»-Ära eng an der Nostalgie für die Original-Trilogie. Das ist per se nicht schlecht, es führte bereits zu tollen Kinostunden. Doch wenn der Disney-Konzern die «Star Wars»-Saga wirtschaftlich so aufstellen will wie das Marvel Cinematic Universe, dann muss er auch die entsprechende inhaltliche Bandbreite bieten. Denn das breite Publikum empfindet gar nicht so schnell Müdigkeit bezüglich einer Filmreihe oder eines Genres – aber es kann sich sehr wohl an der immer gleichen (oder stets ähnlichen) Sache satt sehen. Wenn auf Episode IX ein «Star Wars»-Film folgt, der völlig neuen Figuren folgt, gänzlich andere Settings aufweist und sich nicht übermäßig aus der bereits bekannten Actionszene-Spielkiste der Filmreihe bedient, spielt diese Sättigung aber keine Rolle.
Das allein bedeutet auch noch keinen Verrat an der Identität des Franchises. Marvel hat seine Schlagzahl an Heldenwerdungsgeschichten, vom Himmel krachenden Bedrohungen und attackierenden Roboteranzügen auch enorm gedrosselt, und dennoch bleiben Filme aus dem Marvel Cinematic Universe klar als solche zu erkennen.
Die Lektion, die sich aus der «James Bond»-Reihe ziehen lässt
Wir alle müssen aufhören, zu sagen, dass Filmreihe XY tot ist. Denn wie vor allem die «James Bond»-Reihe mehrmals eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, liegt ein Franchise nur so lange regungslos am Boden, wie es dauert, bis ein neuer Film besser ankommt. «Ein Quantum Trost» wurde von der Kritik und dem breiten Publikum mies aufgenommen – «Skyfall» erwies sich danach als Volltreffer. «Stirb an einem anderen Tag» galt eine Zeit lang als letzter Sargnagel für James Bond, dann kam «Casino Royale». Schon 1985 galt «Im Angesicht des Todes», der 14. Teil der Eon-Bond-Reihe und zudem der letzte Bond-Film mit Roger Moore in der Hauptrolle, als Projekt, dass dem Franchise irreparablen Schaden zugefügt hat. Und nun, über 30 Jahre später, macht die Ankündigung, wer beim 25. Teil der Reihe Regie führt, Schlagzeilen.
Angesichts der «Solo»-Zahlen ploppen vereinzelte "Hat Disney «Star Wars» getötet?"-Artikel auf – und das ist einfach Unsinn. Filmreihen sterben nicht einfach so. Sie gehen k.o., aber sie können sich wieder aufrappeln. «Star Wars» wird sich kaum so radikal verändern wie «James Bond» es alle paar Jahre tut, um sich nach einem Tiefschlag wieder fit für den nächsten Kampf zu machen. Aber wenn «James Bond» sich vom popkulturellen Prügelknappen wieder zur beliebten, erfolgreichen Marke hocharbeiten kann, wieso sollte sich «Star Wars» nicht von enttäuschenden «Solo»-Einnahmen erholen können?
Die Lektion, die sich aus «Solo» ziehen lässt, um «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» neu in Perspektive zu rücken
Es schmerzt, schon jetzt ganz genau zu wissen, wie sehr sowohl der Disney-Konzern als auch die medieninteressierte Öffentlichkeit mit zweierlei Maß messen. Ja, das «Solo»-Startwochenende tritt eine Lawine an Artikeln wie diesen los, die sich fragen, ob der Mäusekonzern seine «Star Wars»-Strategie überdenken muss. Aber der große Schwall an Forderungen, Disney solle das «Star Wars»-Franchise schlicht und ergreifend einstellen, wird ausbleiben. Wenn, dann wird eine sanftere Taktung an «Star Wars»-Kinoveröffentlichungen in Betracht gezogen, das war's.
Und das ist an und für sich aus den oben genannten Gründen ja auch schön und billig. Jedoch zeugt es davon, wie sehr «Star Wars» Gutwillen genießt, während zahllose Medienjournalisten sich mit spitzen Säbeln auf eine andere Filmreihe stürzen – auf «Pirates of the Caribbean» …
Angesichts des weltweiten Eröffnungswochenendes müssen in den kommenden Wochen mittelschwere Kinowunder geschehen, damit «Solo: A Star Wars Story» global an den letztjährigen Abenteuerfilm «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» vorbeizieht. Ja. Richtig gelesen. «Solo» wird aller Voraussicht nach weniger an den Kinokassen einnehmen als der fünfte Teil der «Fluch der Karibik»-Saga, der 2017 aufgrund seines weltweiten Einspiels von 794,86 Millionen Dollar von nicht wenigen meiner Kollegen als Misserfolg betitelt wurde, der die Piraten-Filmreihe ihrer Zukunft beraubt hätte.
Aha. Der auf ein Budget von 230 Millionen Dollar dotierte «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache», der mit 794,86 Millionen Dollar auf Rang zwölf der weltweiten Jahrescharts landete, ist also ein das gesamte Franchise tötender Fehlschlag. Und selbst Produzent Jerry Bruckheimer musste der Presse zu Protokoll geben, dass Disney wegen der Kinozahlen entmutigt sei und der sechste Teil nur gemacht wird, wenn der Konzern mit den Heimkinoverkaufszahlen zufrieden ist. Die Antwort auf den rund 250 Millionen Dollar teuren «Solo: A Star Wars Story», der aktuellen Hochrechnungen zufolge nicht einmal an die 500-Millionen-Dollar-Marke herankommen wird, ist derweil: "Ja, dumm gelaufen, Lucasfilm muss seine Strategie ändern, aber das nächste halbe Dutzend «Star Wars»-Filme kann ruhig kommen …" Bei der Rumfahne des Käpt'n Sparrow, ist das ungerecht!
Hier keimt Hoffnung auf, dass das Abschneiden von «Solo» Disneys enormes Selbstvertrauen, dank Marvel und «Star Wars» im actionreichen Realfilmkino zwei gigantische, sichere Banken zu haben und daher sonst keine verwegenen Filmreihen mehr braucht, wieder etwas herunterreguliert. Ja, in Disneys Traumwelt, in der «Star Wars» stets locker die Milliarden-Dollar-Hürde nimmt, braucht es vielleicht keine Piraten im Startplan. Doch die Realität sind anders aus – «Star Wars» allein macht das Geldsäckel nicht voll, also sollte man eventuell auch mal wieder auf die Piraten setzen, denen bislang kein Rückschlag in «Solo»-Größenordnung widerfahren ist ..?
Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
28.05.2018 17:40 Uhr 1
Wahrscheinlich wäre es am schlausten, "Star Wars" wirklich einen konstanten Startplatz zu geben: Jedes Jahr kurz vor Weihnachten. Damit wäre genügend Zeit dazwischen und der Startplatz ist sowieso der günstigste, den es gibt im Kinogeschäft. Und ich hoffe, sie trauen sich dann mal etwas mehr mit den "Star Wars Story"-Spin-Offs. Nichts gegen "Rogue One" und "Solo", auch "Boba Fett" und "Obi-Wan" würde ich mir definitiv anschauen - aber so wie Marvel mit "Guardians of the Galaxy" etwas ganz anderes gewagt hat, sollten das die "Star Wars"-Verantwortlichen auch tun. Warum nicht mal einen Thrawn-Film? Die Fans wären begeistert und diejenigen, die die Bücher oder "Star Wars Rebels" nicht kennen, könnte man bei entsprechender Qualität und mit einer guten PR-Kampagne sicher ebenso abholen. Oder die ebenfalls von vielen Fans erhofften "Knights of the Old Republic"-Abenteuer? Die Möglichkeiten sind doch unendlich, also nur Mut, Disney!
Und um das Risiko abzufedern, dürften es ruhig auch mal etwas "kleinere", ruhigere und damit günstiger zu produzierende Stoffe sein, die mehr Wert auf Story und Charaktere als auf Spezialeffekte legen - das moderne Blockbuster-Kino ist (mir) insgesamt sowieso etwas zu actionlastig geworden ...
28.05.2018 18:37 Uhr 2
Ja, das spielt zusätzlich in den Punkt mit der eher geringen Varianz in der bisherigen "Star Wars"-Filmreihe mit rein, da bin ich mir sicher. Marvel kann es sich leisten, von Oktober bis Mai drei Filme zu starten, weil "Thor - Tag der Entscheidung", "Black Panther" und "Infinity War" sich stärker unterscheiden als "Die letzten Jedi" und "Solo".
Und, ja, obwohl "Die letzten Jedi" sehr viel einnahm, spaltete er die Fangemeinde bekanntlich. Gut möglich, dass er bei einer einheitlich positiven Rezeption mehr Euphorie für "Solo" erzeugt hätte. Vielleicht spielt das auch mit rein. Aber anders als "Wer in hoher Schlagzahl Filme liefern will, muss Abwechslung bieten" ist das keine Lektion, die man lernen und befolgen kann. Oder sollte. "Mach keine potentiell kontroversen Filme" schwebt schon genug Produzenten im Hintersinn herum.
Möglich, dass Lucasfilm/Disney darüber nachdenkt, aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll. In den vergangenen Monaten habe ich einiges an Spekulationen gehört/gelesen, wieso "Solo" nicht auf den Dezember dieses Jahres ausgewichen ist, um dem Filmteam sowie dem Marketing mehr Zeit zu geben und dem neu "antrainierten" "Star Wars"-Start treu zu bleiben. Aber dafür war es dieses Jahr schon zu spät.
Nicht nur, dass da "Aquaman" und "Bumblebee" starten (und mittlerweile der nach hinten geschobene "Alita - Battle Angel"), am 25. Dezember läuft zudem "Mary Poppins Returns" an, den Disney erstens keinesfalls mit einem eigenen Produktion in Gefahr bringen will und der zweitens als familienorientiertes, magisches Wohlfühlmusical perfekt in den Dezember passt.
Und das führt mich zu meinem generellen Problem(chen) mit der Idee, "Star Wars" Jahr für Jahr in die Weihnachtssaison zu packen. Disneys Programmplan ist generell schon mit festen Regeln bestückt (etwa: ein großer Marvel-Film Ende April/Anfang Mai) und großen Marken, die sich aus dem Weg gehen müssen. Wenn "Star Wars" im Dezember rumhockt, wird es für Disney schwerer, Filme wie "Mary Poppins Returns" ideal zu platzieren. Erst recht jetzt, da nun Marvel anfängt, sich in die "ruhigeren" Monate Februar/März auszubreiten.
Und dann ist da ja noch die theoretische Konkurrenz in Form von "Avatar 2 bis 5", sollten sie jemals wirklich anlaufen ( :lol: ), darüber hinaus haben der Erfolg von "Jumanji 2" und nun das Schwächeln von "Solo" den anderen Studios beigebracht, dass man keinen zwingenden Abstand mehr zu "Star Wars" braucht. Soll heißen: Macht sich "Star Wars" dauerhaft den Weihnachtstermin zu eigen, wird es nicht zwingend andere Filme abschrecken. Und eine eh schon volle Saison wird nur noch voller.
28.05.2018 21:47 Uhr 3
Ich hab überhaupt nichts gegen recasts von jüngeren Schauspielern in legendären Rollen, aber irgendwie zündet der Funke diesmal nicht bei mir...
29.05.2018 08:29 Uhr 4
Ich finde, die Diskussion über "Schlagzahl" geht komplett am Thema vorbei.
Fakt ist doch, daß schon der Trailer nur belächelt wurde.
...und wenn nun noch bekannt wird, das da eine "Droidin" (ich wußte gar nicht das die Dinger ein Geschlecht haben) über Droidenrechte schwätzt, mittendrin Fast&Furious läuft und das Han Solo nicht bei den Fliegern war, sondern bei der Infantrie.....
Da summiert sich dann die kritische Masse an Unfug.
Und wenn jetzt die Schlagzahl von Unfug erhöht wird, kommt noch mehr Unfug raus, wie ein BB8 der einen verkrüppelten AT-ST bedient.
Die Coen Brüder (Hail Caesar) lachten sich bestimmt schlapp.
"Echt jetzt? Disney hat Alden Ehrenreich gecastet als Han Solo.
Der hat Hobie Doyle nicht gespielt, der ist einfach so"
Gut war an den alten Filmen, daß niemand die Schauspieler (außer Obi) kannte.
Jetzt haben wir hier "Game of Thrones" neben "Westworld" und "Cheers" ...plus "Hail Caesar".
Zusätzlich killt es die Spannung, wenn man die alte Krimiweisheit nimmt, das der bekannteste Nebendarsteller immer der Mörder ist, in diesem Fall der Verräter.
..einfach Käse der Film.
29.05.2018 19:55 Uhr 5
Okay, ist ein Argument - allerdings bleibt halt die Frage, was dann? Man könnte ja "Star Wars" vielleicht grundsätzlich ein, zwei Wochen vorziehen (Ende November, Anfang Dezember), dann wäre zumindest über die Feiertage selbst genügend Raum für einen zweiten eigenen Hoffnungsträger. Gut, die "Avatar"-Fortsetzungen sind natürlich ein potentielles Problem, aber letztlich sollte Disney selbstbewußt genug sein, diese Herausforderung anzunehmen. Naja, ich muß es ja nicht entscheiden und kann in Ruhe abwarten, was die Damen und Herren Verantwortlichen sich so ausdenken.
29.05.2018 20:28 Uhr 6
Ausnahmslos alle Filme drehen sich nur um eine begrenzte Anzahl von Figuren und spielen immer nur in einem begrenzten Zeitraum - und das seit 40 Jahren! Gibt es denn nichts anderes als das Imperium, die Rebellion, Luke Skywalker, Jedi und Sith? Alles, was an möglichem Potenzial vorhanden ist, wird von Han Solo, Prinzessin Leia und Darth Vader weggedrückt.
"Solo" war ein völlig unnötiger Film, denn Han Solo ist tot. Ein ähnliches Einspiel-Schicksal könnte der "Boba Fett"-Film erleiden. Vor 20 Jahren wäre das eine klasse Idee gewesen, vielleicht auch Hand in Hand mit "Phantom Menace". Aber jetzt? Auch Fett ist tot, warum sollte ich dafür nochmal € 10 oder mehr ausgeben? Diese Filme haben keinerlei Einfluss auf den Rest. Dauernd liest man, wie viele tolle SW-Bücher und Comics es geben soll. Davon ist im Kino nichts angekommen. Wenn Disney etwas erreichen will, dann müssen sie dieses ganze bisherige Zeug hinter sich lassen und völlig neu und völlig unbelastet ansetzten. Vielleicht schaffen Weiss und Benioff das, aber die Hoffnung stirbt zuletzt...
29.05.2018 20:47 Uhr 7
Ich halte die Newt Scamander-Filmreihe noch für einen großen, starken Konkurrenten.
29.05.2018 21:21 Uhr 8
Es ist auch nicht verkehrt, sich zu denken: "Ach, heul doch, Disney", denn die Leute in Burbank klagen über Luxusprobleme. Von Universal abgesehen, die sich in den vergangenen Jahren als Disneys ärgster Kinowettbewerber erwiesen haben, würden alle anderen Studios sonstwas geben, um die nächsten Jahre an Disney-Programmplanung zu haben. Das wäre ihnen die Kopfschmerzen bei der Terminfindung sicherlich wert.
"Star Wars" je nach Planungslage in den Herbst vorzuziehen, halte ich für keine so dumme Idee, jedenfalls in Jahren, in denen andere Filme nach einem Weihnachtstermin "betteln". Und wenn der Fox-Deal durchgezogen wird, ist die "Avatar"-Sache ja auch aus dem Weg. :lol:
Ansonsten würde ich glatt sagen, dass sich "Star Wars" per se in jede Saison schieben lässt, wo es einfach basierend auf den anderen Disney-Flmen hinpasst (hat ja nun weder zwingende Winter- oder Sommer-Konnotationen), und man vorerst einfach Pausen von acht bis zehn Monaten zwischen zwei Filmen wahren sollte, bis sich abzeichnet, dass die "Star Wars"-Filme ungleich genug sind, um einer Übersättigung vorzubeugen.